Montag 31. Mai. Konen bestätigt den Verkauf an Breuninger. Die TW hatte den Deal zwei Tage zuvor publik gemacht. Am vergangenen Freitag wurde überdies bekannt, dass P&C die sieben Häuser von Magasin du Nord in Dänemark übernimmt. Die Düsseldorfer sichern sich damit die letzte verbliebene operative Einheit des insolventen britischen Debenhams-Konzerns.
Es werden nicht die letzten Nachrichten dieser Art aus dem Einzelhandel gewesen sein. Auch der eine oder andere regionale Filialist oder lokale Platzhirsch, der vielleicht schon lange mit einer Expansion an den Nachbarstandort liebäugelt, könnte jetzt zum Zuge kommen, weil der dortige Konkurrent schwächelt oder nicht mehr mag. Zum Ende der Lockdowns stehen wir am Anfang einer Konsolidierungswelle. Im Multilabel-Segment wird diese Konzentration ganz unabhängig von der Pandemie zudem durch strukturelle Marktveränderungen befördert: die wachsende vertikale und vor allem die digitale Konkurrenz verdrängen klassisch arbeitende Bekleidungshäuser oder zwingen diese zur Erschließung von Skalenvorteilen durch Übernahmen oder Kooperationen.
München ist ein besonders interessanter Fall. Die bayrische Metropole ist unter den deutschen Großstädten die einzige, die noch über einen nennenswerten Bestand an familiengeführten lokalen Platzhirschen verfügt: Konen, Ludwig Beck, Lodenfrey, nicht zu vergessen Hirmer. Das hängt mit der Wirtschaftskraft und hohen Zentralität des Standorts zusammen, aber auch mit fähigen Kaufleuten aus über Generationen lokal verwurzelten, kapitalstarken Unternehmerfamilien, die es verstanden haben, sich dem Markt anzupassen und dessen Potenzial auszuschöpfen.
Konen hat sich in der direkten Konkurrenz nicht leicht getan. In den 90er Jahren war das Unternehmen nach einer gescheiterten Filialisierung ein Restrukturierungsfall. Die Kleiderfabrik mit der Marke Atelier Torino wurde an die Brinkmann-Gruppe verkauft, von den zeitweise neun Häusern wurden bis auf München und Luxemburg alle geschlossen. Das traditionell in der Marktmitte positionierte Stammhaus hat sich mit dem vollzogenen Generationswechsel und dem 28 Millionen Euro teuren Umbau Anfang der Nullerjahre sukzessive in Sortiment und Auftritt modernisiert. Der Weg „nach oben“ war indes durch Lodenfrey und teilweise Oberpollinger versperrt, in der Menswear ist Hirmer die allererste Instanz an der Isar, und Ludwig Beck hat mit dem Marienplatz die bessere Lage, auch wenn Konens B‑Standort mit der Einkaufspassage Hofstatt und der Verkehrsberuhigung der Sendlinger Straße aufgewertet wurde. Gleichwohl hatte das Haus mit seinem modernen Auftritt, der kompetenten Beratung und interessanten, immer wieder neuen Contemporary-Labels seine Fans. Eine komplexe Gesellschafterstruktur erschwerte indes manche Entscheidungsfindung. Eine Zäsur war der Abschied des langjährigen Einkaufsgeschäftsführers Peter Eberle Mitte 2019. Dann kam Corona. Und jetzt Breuninger, dessen Interesse am Standort München seit langem bekannt ist.
Für die Stuttgarter sind Konen und Bram in Luxemburg eine ideale Ergänzung. Die Häuser haben beide die Größe, die Breuninger für sein Format benötigt. Der Bruch vom Bisherigen zum Neuen wird aus Kundensicht nicht allzu groß sein. Auch von der Beratungskompetenz her gibt es einen vergleichbaren Anspruch. Natürlich gibt Breuninger-CEO Holger Blecker Beruhigungspillen in Richtung Konen-Belegschaft aus. Aber es ist klar, dass es in München demnächst keine zweite Verwaltung, keinen Einkauf und keine Marketingabteilung mehr braucht. Für die Isar-Metropole ist Breuninger mit seinem wertigen Angebot ein Gewinn, anders als wenn etwa Primark seine Ware auf die 12.500 m² geschoben hätte. Die Immobilie steht, soweit man das von Außen beurteilen kann, tadellos da, nach dem Closing kann zum Herbst ohne riesen Invest umgeflaggt werden. Davor droht dem Markt wohl ein heftiger Ausverkauf.
Auch wenn sich Angreifer im stationären Einzelhandel anfangs vielfach schwerer tun als gedacht, wird Breuninger in München auf lange Sicht erfolgreich Geschäfte machen. Das war in Düsseldorf nicht anders. Breuninger bedeutet für die lokalen Player eine harte Konkurrenz, zumal das Unternehmen ein Vielfaches an Einkaufsvolumen und entsprechendes Gewicht bei den Lieferanten auf die Waage legen kann. Selektive Brands werden sich nicht mehr so leicht von Lodenfrey oder Hirmer blocken lassen, wie das noch bei Konen funktioniert hat.
Zugleich ist Breuninger für die Münchner Kunden keine neue Adresse. Expansion funktioniert heute im Omnichannel-Zeitalter anders als in den 90ern, als Ludwig Beck in Köln realisieren musste, dass die Schildergasse nicht der Marienplatz ist. Die Stuttgarter versenden bereits seit Jahren Päckchen nach Bayern. Sie werden ein recht genaues Bild vom Potenzial der Isarmetropole haben. Und mit dem 12.500 m²-Showroom im Herzen der Stadt wird die Marke Breuninger noch einmal einen ganz anderen Aufschlag hinlegen als das bisher via Google möglich war.
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Und sonst?
…wird Daniel Grieder von den Medien gefeiert. Nur halb ironisch schreibt das Manager Magazin vom "Messias für Metzingen". Wenn man das alles so liest, hat man den Eindruck, als bräuchte Hugo Boss einen Rettungsring, um nicht unterzugehen. Wovon natürlich keine Rede sein kann. Auch die Börse stattet Grieder mit Vorschusslorbeeren aus. Der Kurs hat sich im letzten halben Jahr verdoppelt, was freilich auch mit Übernahmegerüchten zu tun hatte. Das positive Echo auf den neuen Boss ist Segen und Fluch zugleich: Daniel Grieder muss auch den Erwartungsdruck managen.
…ebenfalls gefeiert: Tarek Müller, "der Zalando-Jäger" (Capital). Der About You-Gründer will das vor fünf Jahren gegründete Unternehmen an die Börse bringen. "99 Prozent haben uns damals gesagt, das wird nichts", so Müller in einem großen Capital-Portrait. "Das andere Prozent waren unsere Investoren." Für die soll sich der Börsengang jetzt mit mindestens 600 Millionen auszahlen.
…gleichfalls vor dem Börsengang: Shein. Deshalb nehmen nicht nur 16jährige Mädchen, sondern auch das Modebusiness den chinesischen Online-Discounter wahr, der seinen Umsatz im vergangenen Jahr von rund 2 auf über 8 Milliarden angeblich vervierfacht hat. Die Shopping-App von Shein ist im ersten Quartal 35 Millionen Mal runtergeladen worden, häufiger als alle anderen Apps. Es ist paradox: Während alle Welt von Nachhaltigkeit spricht, bricht eine Fastest Fashion-Marke mit Billigstware aus obskuren Quellen Verkaufsrekorde.