Die Globalisierung hat viele Vorteile, aber sie bringt auch ein paar Nachteile mit sich. Nur weil beispielsweise die Amerikaner an ihrem Brückentag nach Thanksgiving nichts Besseres zu tun haben als Einkaufen zu gehen, senken Einzelhändler in Deutschland ihre Preise. Und nennen diese Rotstiftaktion dann paradoxerweise auch noch „Black Friday“. So verschenken die Kaufleute zu Weihnachten Marge. Zwar findet der Winterschlussverkauf hierzulande schon lange nicht mehr Ende Januar statt. Aber es geht beim Preisverhau auch gar nicht mehr um Lagerräumung, sondern um Verdrängung. Und da sind Preissenkungen immer noch die schärfste Waffe.
Verantwortlich dafür – wie an so vielem anderen, was im Einzelhandel künftig anders werden wird – ist natürlich Amazon. Der US-Online-Gigant bestimmt hierzulande längst auch die Marketingagenda. Amazons Black Week läuft schon seit dem 19. November. Hoffen wir mal, dass sich demnächst nicht auch noch der chinesische Singles Day etablieren wird. Der war bereits am 11. November. Die Aktion hat Alibaba und JD über 120 Milliarden Euro in die Kassen gespült, viermal mehr als im letzten Jahr am Black Friday-Wochenende in den USA umgesetzt wurde. Diesen Systemwettbewerb haben die Chinesen also schon mal für sich entschieden.
Doch im Ernst: Der heutige Black Friday findet unter besonderen Bedingungen statt. Natürlich haben die Kunden über die Jahre gelernt, dass es sich lohnt, Rabattaktionen abzuwarten. Die sind doch nicht blöd. Die Covid-Krise dürfte die Umsätze in diesen Tagen zusätzlich befeuern. Einerseits, weil die Verbraucher fürchten müssen, dass viele Läden demnächst wieder dichtmachen; diese wiederum werden angesichts drohender Lockdowns ihre Preise möglicherweise besonders eifrig herabzeichnen. Andererseits, weil es sich angesichts der Lieferprobleme herumgesprochen hat, dass man seine Geschenke dieses Jahr besser früher als später besorgt. Der HDE rechnet in diesem Jahr zu Black Friday und am kommenden Cyber Monday mit einem Umsatz von rund 4,9 Mrd. Euro, das wäre ein Plus von 27% gegenüber 2020. Schade nur, dass dieser Umsatz nicht on top kommt, sondern größtenteils lediglich verlagert sein dürfte.
An dem ganzen Rummel beteiligen sich überdies längst nicht mehr nur die Unternehmen, sondern zunehmend auch die Konsumkritiker. Der Black Friday sei zum Symbol des Konsumwahnsinns geworden, heißt es von Fairtrade Deutschland. In der Schweiz haben über 20.000 die Petition „Stop Black Friday“ unterschrieben. In Österreich feuert die Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz in einem Dossier Breitseiten gegen Fast Fashion und insbesondere Zara ab. Da ist von sklavenähnlichen Zuständen in der Produktion die Rede, von dramatischen Schäden an Menschen und Umwelt, von Machenschaften und toxischen Geschäftsmodellen. Starker Tobak. All das ist geeignet, den Schnäppchenjägern zumindest ein schlechtes Gewissen zu machen. Ob es sie vom Kaufen abhält? "Wir leben in einer Konsumkultur, die es schafft, Menschen zu Dingen zu bringen, die sie bei genauerer Betrachtung wahrscheinlich nicht tun würden", so Harald Welzer im Stern. "Mir ist es zum Beispiel ein totales Rätsel, wieso sich Menschen Autos kaufen, mit denen sie nicht in Parkhäuser kommen."
In Großbritannien wollen 85% der unabhängigen britischen Einzelhändler nach Angaben ihres Verbandes nicht beim Black Friday mitmachen. Wegen der aktuell stockenden Warenversorgung, aber auch, weil ihnen die ganze Idee dahinter nicht passt. Klüger ist es, den Aktionstag aktiv zu nutzen – für Spenden und Charity-Projekte. Das tun auch dieses Jahr wieder einige Anbieter. Ein Green Friday bringt vielleicht nicht so viel Geld, aber dafür umso mehr Goodwill.