Coen Duetz, Sie haben mit Gant ein Vermögen gemacht. Warum setzen Sie das jetzt aufs Spiel?
CD: Es stimmt. Wir waren mit Gant sehr erfolgreich. Wir waren zuletzt weit über 100 Millionen, hatten gutes Ebit, alles hat gepasst. Aber die Marke gehörte mir nicht. Es war immer schon mein Traum, eine eigene Marke zu machen. Schon vor Gant, als ich mit einem Herrenausstatter in Dortmund gestartet bin.
Und jetzt, mit 66 ist es endlich so weit?
CD: Wir sind eine 'GenZoomer Company', vereinen GenZ und Babyboomer. Das Wort 'GenZoomer' haben wir schützen lassen. Zusammen ist das eine super Kombination. Was Finn macht, das könnte ich nicht. Aber das, was ich weiß, kann er gar nicht wissen.
So ein Vater-Sohn-Startup ist in der Tat eine ungewöhnliche Konstellation. Finn, Sie versuchen sich gleich am Anfang Ihrer Karriere als Unternehmer. Warum gründen Sie mit dem Vater und arbeiten nicht mit Kommilitonen am neuesten KI-Gadget oder irgendeinem anderen Start-up?
FD: Da bin ich, glaube ich, der falsche Typ für. Ich habe jetzt die letzten Jahre mein eigenes Ding gemacht, völlig losgelöst von der Mode. Ich habe meinen Bachelor in Amsterdam gemacht, zwischenzeitlich in München bei einem Immobilien-Startup gearbeitet, das hat auch alles Spaß gemacht. Aber das war nicht, was ich in Zukunft machen möchte. Ich bin dann nach Lissabon gegangen zum Studieren, habe meinen Master gemacht. Und dann stellte sich die Frage, was willst du mit deinem Leben eigentlich machen? Wir kommen ja aus einer sehr alteingesessenen Modefamilie. Unser holländischer Zweig geht bis auf 1857 zurück. Ich bin damit groß geworden.
"Coen ist kein leichter Typ. Ich aber auch nicht. Der Apfel fällt da nicht weit vom Stamm."
Und möchten nun die Familientradition weiterführen?
FD: Ich habe schon als Kind bei Gant im Lager Fußball gespielt, habe dann später dort auch gearbeitet. Von meinen Geschwistern oder meinen Cousins und Cousinen macht keiner was Richtung Mode. Ich fände es schade, wenn wir das aufgeben und Coen der letzte Modehändler gewesen sein sollte.
Wessen Idee war D‑Brand?
FD: Coen hat seit einer Weile an D‑Brand gearbeitet. Ich war erst nicht ganz entschlossen, ob ich auf ihn zugehen soll. Gefragt hat er mich nie. Irgendwann war es soweit und ich habe ihn gefragt.
Vater und Sohn ist freilich eine andere Beziehung als die zwischen einem Unternehmer und einem Partner. Wenn ich mir vorstelle, mit meinem Sohn zusammenarbeiten zu wollen, ich glaube, wir würden wahrscheinlich beide schnell die Krise kriegen.
FD: Ich weiß, Coen ist kein leichter Typ. Ich aber auch nicht. Der Apfel fällt da nicht weit vom Stamm. Wir sind beide recht stur. Aber unterschiedliche Ansätze und eine gesunde Streitkultur führen ja auch oft zu was Gutem. Die Lebenserfahrung, die Coen hat, die habe ich schlicht und ergreifend nicht. Und ich weiß halt viele Dinge, die heutzutage wichtig sind.
CD: Ich habe Finn ganz bewusst nicht gefragt. Mir ging es mit meinem Vater genauso. Ich war immer frei in meiner Entscheidung. Mein Vater war einer der größten und erfolgreichsten Einzelhändler der Niederlande.
Wie schauen Sie als junger Gründer auf den Bekleidungsmarkt, Finn? Der ist doch massiv überbesetzt, und die Konsumenten sind zurzeit auch nicht gerade kauffreudig. Es ist nicht der beste Zeitpunkt zum Start eines Unternehmens.
FD: Was ist der richtige Zeitpunkt? Immer ist irgendwas, und da auf den richtigen Zeitpunkt zu warten, ist, glaube ich, falsch. Wir sind aufgrund von Coens Vergangenheit kapitalmäßig gut aufgestellt und haben keinen zeitlichen Druck. Wir haben auch keinen externen Investor, der uns reinredet, sondern können unsere Marke nach unseren Vorstellungen entwickeln. Wir haben sehr intensiv und sehr gründlich daran gearbeitet. Wir setzen nicht auf den Hype, sondern wollen etwas Zeitloses schaffen. Natürlich schreit keiner nach einer neuen Modemarke. Wir haben deswegen nicht nur am Produkt, sondern stark an der Story gearbeitet und eine Haltung entwickelt.

Und wie sieht diese aus? Was macht den Unterschied aus? Was machen Sie anders als die Anderen?
FD: Es geht uns mehr darum, die Marke emotional aufzuladen und damit Personen zu verbinden, die auch wirklich bewegende Geschichten, Charisma und Charakter haben. Die müssen nicht erzählen, wie toll unsere Ware ist, sondern sollen ihre Story präsentieren und damit Teil der Marke und der Community sein. Es geht darum, eine Haltung zu zeigen, weniger irgendein klassisches Zielgruppen-Marketing zu betreiben.
CD: Deswegen stellen wir nicht Produkte in den Mittelpunkt, sondern spannende Persönlichkeiten. Starke Charaktere. Wie zum Beispiel Lars Beusker. Mit dem haben wir früher Modefotos macht, heute ist er der beste Naturfotograf der Welt. Oder Barton Lynch. Surfweltmeister von 1988. Ein kerniger Typ und eine Legende. Wir wollen verschiedene Charakter mit der Marke verbinden. Zu unseren weiteren Markenbotschaftern gehören Martina Voss-Tecklenburg, Sonja Zimmermann und Andreas Niedrig. Alle sehr unterschiedlich von ihrer Geschichte und unsere Community vertritt Altersgruppen von Mitte 20 – Mitte 60.. Sehr unterschiedliche Persönlichkeiten mit einer besonderen Haltung
FD: Es geht uns darum, Leidenschaft zu transportieren und das authentisch rüberzubringen.
CD: Das ist auch ein Gegenpart zu diesen ganzen Corporate Companies. Da geht es nur noch Meetings und Reportings, Controlling und Cost Cutting, was weiß ich. Das hat nichts mehr mit Kreativität, mit Leidenschaft oder Haltung zu tun. Mit dem Rotstift jede zweite Zahl durchstreichen, das kann mein neunjähriger Sohn auch.
"Mein Opa hat immer gesagt: ‚Rabat, das ist die Hauptstadt von Marokko‘. Wenn der Preis dein einziges Argument ist, dann machst du irgendwas falsch."
Jetzt haben wir über Branding und Ihre Kommunikationsstrategie gesprochen. Aber noch nicht übers Produkt, das die Kunden ja kaufen sollen. Wie sieht das aus?
FD: Premium Casual. Schlichte Styles, hohe Qualität. Wir erfinden das Rad nicht neu. Wir produzieren komplett in Portugal, arbeiten da mit kleinen Manufakturen. Was auch Teil der Strategie ist. Produkte mit Charakter müssen auch mit Charakter gefertigt werden.
In welcher Preisklasse spielt D‑Brand?
FD: Hemden kosten 160 Euro, Hoodies 180 Euro, Poloshirts 110 Euro.
CD: Was für uns extrem wichtig ist, ist die Haptik eines Produktes. Ich bin ja so ein Läppchenbeisser. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn du etwas bestellst und du packst es aus und du hast das Gefühl, du hast Schmirgelpapier in der Hand. Daran haben wir sehr lange gearbeitet.
FD: Wir haben drei Fabriken. Eine für Strick, dann eine für Hemden und eine für Jersey, Sweat und Polos. Die Produkte werden komplett in Portugal entwickelt. Wir haben eine Produktionsmanagerin vor Ort und eine Designerin.
CD: Angelika Schindler-Obenhaus hat uns connected. Sie ist eine von 20 Gesellschaftern, die bei D‑Brand beteiligt sind.

Wer gehört noch zu den Gesellschaftern?
CD: Alles langjährige Freunde und Partner wie zum Beispiel John Cloppenburg oder Martina Voss-Tecklenburg. Ein Männlein steht im Walde, das nützt mir nichts. Wir befruchten und gegenseitig und haben alle ein Netzwerk.
Und die 20 reden alle mit?
CD: Wir haben ein Fünftel der Firma verschenkt, zum Nominalwert. Ein Prozent von 25.000 Euro, das sind jeweils 250 Euro. Es geht nicht ums Geld. Das Geld ist unwichtig. Wenn du deinen Job gut machst, kommt das Geld von ganz allein. Uns macht das einfach tierisch viel Spaß. Alle sind so involviert und das macht einfach tierisch Bock.
D-Brand gibt es ausschließlich im eigenen Webshop? Wholesale ist nicht geplant?
CD: We go the hard way. Den steinigen Weg. Deswegen wollen wir auch organisch wachsen. Zu gegebener Zeit ist es sicherlich ein Thema, aber nicht für den Start.
FD: Wir haben bewusst gesagt, wir machen unser eigenes Ding. Eine Marke aufzubauen, das geht nicht von heute auf morgen. Der Shop ist der Berührungspunkt mit den Kunden. Dort konzentrieren wir unseren Content, den wir natürlich auch über die sozialen Kanäle teilen.
Die Botschaft zu kommunizieren, kostet ja dann aber auch viel Geld. Am Ende muss man ja leider auch Google relativ teuer bezahlen.
FD: Daran führt kein Weg vorbei.
Im Internet geht zudem vieles über den Preis. Die Erfolgsstorys, die über Instagram gewachsen sind, haben das in der Regel mit Rabatt-Coupons erkauft.
CD: Mein Opa hat immer gesagt: ‚Rabat, das ist die Hauptstadt von Marokko‘. Wenn der Preis dein einziges Argument ist, dann machst du irgendwas falsch.
Wer macht das Fulfillment?
FD: Das machen wir mit PVS. Mit denen hat Coen auch bei Gant zusammengearbeitet. Unser Lager ist in Neckarsulm. Wir konzentrieren uns auf das Brand Building. Alles andere ist ausgelagert.

Haben Sie mal überlegt, manufacturing to consumer zu probieren, wo man gar nicht erst Bestände aufbaut, sondern erst dann produziert, wenn verkauft wurde und über eine flexible Supply Chain trotzdem eine schnelle Lieferung hinbekommt?
CD: Dann erklären Sie mir mal, wie das gehen soll. Wir sind ja nicht Shein, wo es um hunderttausende Stückzahlen und Pfennigbeträge geht. Wir fangen klein an, und ich kenne keinen Lieferanten, wo du zwei Stück bestellen kannst. Schließlich wolle auch die Kunden keine sechs Wochen warten.
Das wäre dann der Preis, den man bezahlen muss.
CD: Wir versuchen das Risiko zu minimieren. Und wir sind da bei Gant auch immer sehr gut gefahren, weil wir Dinge gut eingeschätzt und geplant haben. Was ich in diesem Zusammenhang übrigens schade finde ist, dass C&A seine Jeansproduktion in Mönchengladbach so mir nichts dir nichts eingestellt hat. Alles sustainable, alles umweltfreundlich. Ich verstehe nicht, dass da nicht paar andere Marken in die Bresche springen und sagen: ‚Okay, Jeans aus Deutschland, das ist doch eine gute Sache‘.
Am Ende wird es auch bei D‑Brand darauf ankommen, dass das Produkt hält, was es verspricht und gefällt.
CD: Etwas aufzubauen, dauert lange. Etwas kaputt machen, das siehst du jetzt bei dem komischen Blondschopf in den USA, geht sofort. In Nullkommanichts zerstörst du die Weltwirtschaft. Vertrauen aufzubauen, das ist das Wichtigste.
"Wir segeln jetzt mal los und dann werden wir schon sehen, wo das Schiff strandet."
Wieviel Zeit wollen Sie sich geben? Was sind so die Ziele jetzt für die nächsten Jahre?
CD: Wir wollen keine lokale Pommesbude machen. Bei allem Respekt für eine lokale Pommesbude, weil die machen ja oft die besten Fritten. Wir wollen ein Global Player werden. Das ist ein sehr langer Weg. Aber jede Reise von 1000 km fängt mit dem ersten Schritt an. Wir planen vorsichtig, wir planen demütig, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir dafür einen guten Markt finden und dass es sehr viele Menschen gibt, die das gleiche Mindset haben wie wir.
FD: Wir würden einen Markenbotschafter, der auf Hawaii lebt, nicht mit an Bord holen, wenn wir lediglich einen Store in Düsseldorf aufmachen wollten. Wir beliefern vom Start weg zehn ausgewählte Euro Länder. Wir konzentrieren uns jetzt erstmal darauf, das Unternehmen aufzubauen. Perspektivisch soll aber natürlich etwas Großes entstehen.
CD: Ich habe von meinem Vater gelernt, der hat immer gesagt, wir segeln jetzt mal los und dann werden wir schon sehen, wo das Schiff strandet.
Vergangenen Donnerstag, am 15. Mai ging der Shop online. Anfang Juli feiern Sie in Meerbusch das offizielle Kick-off.
CD: Wir wollen es richtig krachen lassen! Als ich damals mit Gant gestartet bin, da saß ich am Tisch mit Polo Ralph Lauren, mit Hugo Boss, mit Tommy Hilfiger. Die waren vollgepackt mit Millionen an Marketingmoney. Und der kleine Coen, der saß da am Tisch mit einer Wasserpistole und musste so tun, als könne er mit den Großen mithalten. Meine Frau fragt mich manchmal auch, wieso tust du dir das eigentlich nochmal alles an?
Und was antworten Sie?
CD: Im Leben bereust du nicht die Dinge, die du getan hast, sondern du bereust, was du nicht getan hast.
Am vergangenen Donnerstag ging D‑Brand online. Hier geht es zum Webshop.