Du hast mit SEPP ein Highend-Magazin für Fashion und Fußball gegründet. Hast Du da als ACHTUNG-Macher zwei Leidenschaften miteinander verbunden?
SEPP war meine erste Publikation! Das habe ich 2002 angefangen und ACHTUNG dann 2003. Die Idee ist auf dem Rückflug von Mailand nach New York entstanden. Ich habe überlegt, mit welchem Ansatz ich ein Modemagazin gründen könnte. Es gibt da ja schon alles. Klar ich bin Fußball-Fan, aber jetzt auch nicht sooo verrückt. Aber Fußballer waren damals schon Role Models. So wie Vanity Fair eine Zeitschrift ist, in der Schauspieler Mode präsentieren, sollte SEPP eines sein, wo Fußballspieler die Hauptrolle spielen. Und wenn so ein Massensport auf eine Elitesache wie Mode trifft, dann kommen da manchmal interessante Sachen bei raus.
Und Namensgeber war Sepp Maier?
Sepp Herberger. ACHTUNG, SEPP – ich steh auf deutsche Titel. Ein Modemagazin, das sich deutsch positioniert – vom Namen her, den Locations, den Themen – das gab es so nicht.
Ganz früher galt Fußball mal als Proll-Sport, heute sind Fußballer Mode-Influencer. Wie konnte das passieren?
Was auf der Leinwand der Filmstar, ist auf dem Bildschirm der Fußballer. Fußball ist der am meisten übertragene Sport der Welt. Da rücken die Protagonisten automatisch in den Vordergrund. Warum haben Fußballer alle so bescheuerte Frisuren? Weil man so für Aufmerksamkeit und Wiedererkennbarkeit sorgt.
Die Deutschen waren vor dem Turnier alle beim Friseur.
Stimmt. Da wird ein riesen Aufwand betrieben. Ich habe gerade ein Shooting mit Neymar gemacht für die Puma-Kampagne. Der kommt mit einem ganzen Team! Die Fußballer sind sich ihres Markenpotenzials bewusst und nutzen das, sei es über die Frisur oder die Klamotten.
Ist das eine Rolle, die heutzutage zwangsläufig mit medialer Präsenz im Unterhaltungsbusiness einher geht?
Absolut. Das hängt schon stark mit den sozialen Medien zusammen. Jeder Spieler der Nationalmannschaft hat über eine Million Follower. Das verschafft denen Deals mit Marken wie zum Beispiel Hugo Boss. Selbst so ein komischer Spieler wie der Nico Schulz von Dortmund hat noch einen Deal mit Olymp. Andere wie zum Beispiel Cristiano Ronaldo schlachten ihr Image mit eigenen Modekollektionen, Hotels und so weiter aus. Auf der anderen Seite hast Du einen Lionel Messi, der zwar auch schon Dolce-Kampagnen gemacht hat, was aber einfach nicht so zu ihm passt. Aber der hat einen Vertrag mit Barcelona, wo solche Nebeneinkünfte fast egal sind.
Sind die Spieler nicht sogar zu Style gezwungen, weil das einen Teil ihres Marktwerts ausmacht?
Weiß nicht. Antoine Arnault hat vor Jahren mal darauf hingewiesen, dass in jeder Louis Vuitton Boutique in Frankreich die Fußballer des lokalen Clubs zu den umsatzstärksten Kunden gehören, mit ihren Frauen. Die verdienen halt irre viel Geld. Und was macht man mit viel Geld? Uhren, Autos und Klamotten kaufen. Es gibt bei den Spielern untereinander auch einen Wettbewerb um das Neueste und Heißeste. Daher auch dieser Zug in extreme Nischen, zu Brands wie – Boris Bidjan Saberi, Rick Owens und so weiter.
Wo die Frauen ansprichst: Welche Rolle spielen die WAGS in diesem Kontext?
Das ist ein trauriges Kapitel. Die haben wirklich fast alle keinen Geschmack. Ich habe über die Jahre wirklich viele kennengelernt, und ich muss sagen, da gibt es wirklich kaum eine, die aus dem Mainstream herausragt. Ob das jetzt die Frau vom Hummels ist oder die von Götze. Da ist auch keine, die ihren Mann modisch nach vorne gepusht hätte. Ich finde ja den Look von Schweinsteiger nicht schlecht. Aber ist es seine tennisspielende Frau, die ihm die Jacke anzieht? Oder hat er einen Berater? Ich glaube letzteres.
Und was ist mit Victoria Beckham?
Eine Ausnahme. Die Beckhams haben sich sicherlich wechselseitig positiv beeinflusst.
Mode ist im Fußball Männersache. Im Frauenfußball ist das noch nicht angekommen.
Der Frauenfußball gewinnt gerade an Popularität. Da ist so jemand wie Megan Rapinoe, die eine tolle Spielerin ist, und die nicht nur als Trump-Kritikerin, sondern auch mit ihrer rosa Frisur Aufsehen erregt. Im neuen SEPP haben wir eine Liste der zehn bestangezogensten Fußballer, da ist Rapinoe auf Platz 3 gelandet. Sie hat auch schon Kampagnen mit Loewe gemacht.
Wer ist denn auf den vorderen Plätzen?
Auf 1 ist Héctor Béllerin von Arsenal. Ein Spanier, der in den Vuitton-Shows von Virgil Abloh auch als Model läuft. Dem kannst Du einen Valentino-Pyjama oder einen Raf Simons-Mantel Anziehen, und er sieht absolut toll aus. Platz 2 belegt Marcus Rashford von Manchester United. Der sieht in den Burberry-Kampagnen fantastisch aus.
Gibt es einen deutschen Spieler mit besonderem modischen Potenzial?
An Jerome Boateng wurde zu Recht herumgemäkelt, dass er viele Sachen neben dem Platz macht. Er ist der einzige Spieler, den ich immer wieder in der Front Row gesehen habe. Serge Gnabry ist extrem modeinteressiert, auch Leroy Sané. Und die haben dann schon auch die richtigen Sachen an. Ich habe gerade das Cover des FAZ-Magazins Juni gestylt mit David Alaba, der trägt da Jil Sander, was zurzeit auch eine gute Wahl ist.
Wie ist denn der typische Fußballer-Stil? Da hat man ja schon eher „laute“ Brands wie Philipp Plein und früher Ed Hardy im Hinterkopf und weniger den distinguierten Zegna-Typus.
Da hast Du vollkommen Recht. Aber es gibt schon zunehmend Spieler mit gutem Geschmack. Nimm die Mannschaft von Paris St. Germain, die haben da einen Vertrag mit Beluti. Die kommen schon langsam auf den Trichter.
Stehen dahinter Stylisten? Oder sind das Spieler selbst?
Die Spieler beschäftigen sich gerne und stark mit Mode. Das merke ich bei meinen Shootings immer wieder. Da ist ein großes Interesse.
Im Rampenlicht stehen auch die Trainer.
Stimmt. Und wenn ich mir einen Typen wie Gareth Southgate anschaue, dann sage ich: Toll! Warum soll ein Trainer nicht im Maßanzug auftreten? Natürlich kann ich Klopp sein und im Trainingsanzug auf dem Platz stehen. Aber wenn schon Anzug, warum dann nicht ein wirklich guter?
Nur weil du ab und zu Espresso trinkst und eine Sonnenbrille aufhast, bist du noch kein Stylegott. Peinlich finde ich Jogi Löw nicht. Aber er könnte mehr aus seiner exponierten Position machen.
In Deutschland macht ein Julian Nagelsmann modisch von sich reden. Und natürlich Jogi Löw mit seinen Shirts.
Beim Spiel gegen Frankreich fand ich seinen Auftritt ehrlich gesagt ein wenig arm. Typ Berufsjugendlicher. Der Mann dürfte gerne im Jacket an der Seitenlinie stehen und nicht im T‑Shirt. Da sah er schon mal besser aus. In der Bevölkerung genießt Jogi Löw ja so ein wenig ein Image als modeinteressierter Bonvivant. Als ACHTUNG-Chefredakteur und SEPP-Macher zeigt mir das, wie weit wir noch zu gehen haben. Schau Dir dagegen den Roberto Mancini an.
Ich habe das Eröffnungsspiel mit den Italienern gesehen.
Der geht schon sein ganzes Leben zum Maßschneider. Nur weil du ab und zu Espresso trinkst und eine Sonnenbrille aufhast, bist du noch kein Stylegott. Peinlich finde ich Jogi Löw nicht. Aber er könnte mehr aus seiner exponierten Position machen. Ein Mancini wird von seinen Spielern gesiezt. Der Jogi und der Hansi werden halt geduzt. Dabei ist der Auftritt für die Autorität schon wichtig. Schau Dir Lothar Matthäus an. Der hat früher irgendwelche Jacken mit Sponsorenlogo drauf getragen. Seit er im Fernsehen Anzug trägt, nimmt man den irgendwie ernster. Oder Karl-Heinz Rummenigge: da sieht man schon, dass der früher in Italien gespielt hat. Es ist in Deutschland leider immer noch a long way to go.
Ich höre aus Deinen Worten heraus, dass Du als Blattmacher auch auf einer Mission bist?
Absolut! Ich habe das vor 20 Jahren angefangen, und es bleibt immer noch viel zu tun. Wir wollen schon Magazine machen, die bei einer Miuccia Prada auf den Tisch kommt, und wo sie sagt: das ist Style aus Deutschland. Man muss doch mal sehen, was visuell stilprägendes alles von hier kommt. Deutsche Fotokünstler wie Wolfgang Tillmans, Andreas Gursky, Thomas Struth sind Weltspitze. Ebenso unsere Maler wie Gerhard Richter, Baselitz und so weiter. Den deutschen Ansatz haben die anderen Modemedien leider nie so gepflegt. Außer den Magazinen der Tageszeitungen gab es da wenig, was sich ernsthaft und auf den Punkt mit Mode auseinandersetzt. Eine deutsche Vogue beispielsweise war stets sehr wenig deutsch. Die Fotografen dort sind Italiener, Engländer. Man ist im Studio in Manhattan oder Miami. In Deutschland sagt mal lieber: Du, ich fliege nächste Woche nach New York‘ als ‚Ich fahre nach Essen zum Shooting in der Zeche Zollverein‘.
Markus Ebner bewegt sich seit 30 Jahren im Modebusiness. Nach seinem Abschluss am Fashion Institute of Technology Anfang der 90er arbeitete er über zehn Jahre in New York, u.a. für Donatella Versace und als Modechef bei Details. Nach 9/11 kehrte er zurück nach Deutschland und gründete im Sommer 2002 das Magazin SEPP und im September 2003 ACHTUNG. Ebner war von 2007 bis 2009 bei der deutschen Vanity Fair als Stylist beschäftigt, von 2009 bis 2013 Mitarbeiter beim Zeit-Magazin, seit 2013 ist er Chef-Stylist beim FAZ-Magazin. Er lebt in Paris.
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