Wenn es einen Award für die beste Kampagne dieses Jahres geben sollte, dann wäre der heißeste Anwärter auf diesen Preis: Beyoncé und Topshop. Nicht nur, dass „Ivy Park“ die Athleisure-Welle extrem gekonnt reitet. Die Kommunikation ist inhaltlich, ästhetisch und vom Timing her großartig und hebt sich meilenweit von den üblichen Celebrity-Kampagnen ab. Der furiose Auftritt von Beyoncé beim Super Bowl war die Ouvertüre. Dann wurde „Lemonade“ veröffentlicht, das Album und der knapp einstündige Film dazu, in denen Beyoncé ihre Ehekrise verarbeitet. Die betrogene Frau, die leidet und zürnt und vergibt und deswegen eine starke Frau ist. So eine Story wird weltweit verstanden. Entsprechend groß ist das Identifikationspotenzial bei der weiblichen Zielgruppe. Und nicht nur da. Vergangene Woche arbeiteten sich sämtliche Feuilletons an der Geschichte ab.
Zu dem Visual Album wurde „Ivy Park“ gelauncht, sekundiert u.a. von einer Titelstory in der amerikanischen Elle. Beyoncé hat die Kollektion nach ihrer 4jährigen Tochter Blue Ivy Carter benannt. Und nach dem Parkwood Park in Houston, wo die Sängerin ihre Figur getrimmt – und natürlich auch ihre starke Persönlichkeit geformt – hat. "The park made me who I am." Darauf muss man erst mal kommen. Mit Ivy Park ist man jedenfalls im Fitnessstudio wie in der Fußgängerzone richtig angezogen. Im Fußballtrikot kann man dagegen auch schon mal auf die Verliererstraße geraten, wie Adidas an diesem Dienstag leidvoll erfahren musste.
Die Medienkampagne flankiert eine höchst selektive Distribution. So wie „Lemonade“ exklusiv und gegen Bezahlung auf Tidal gezeigt wird, dem Streaming-Kanal, der Beyoncé und (Noch?-)Ehemann Jay‑Z gehört, und damit gewissermaßen vertikal vermarktet wird, gibt es Ivy Park weltweit nur bei ganz wenigen Adressen zu kaufen. In Europa lediglich bei Topshop und bei Zalando. Das ist natürlich eine Pseudo-Selektivität, denn die Brand erreicht über Zalando jeden Winkel der Republik. Dennoch wirkt es auf die Kunden exklusiv. Aus Sicht der Berliner ist Ivy Park ein echter Coup; spätestens jetzt sollte sich die Zusammenarbeit mit Topshop auszahlen. Der Unterschied zu den H&M‑Designerkooperationen ist, dass man vor dem Einkauf nicht Schlange stehen muss.
Ivy Park zeigt, welche Macht – Achtung: Buzzword – Storytelling entfalten kann. Dafür muss man natürlich was zu sagen haben. Und es ist ein weiterer Hinweis darauf, dass das Modemarketing sich weiterentwickeln muss. Weg von der ewig gleichen saisongetriebenen Werbung hin zu einer aufregenden aktionsgetriebenen Kommunikation.
Und sonst?
Sorgt Big T wieder mal für Schlagzeilen: Thomas Middelhoffs Einzug in die Behindertenwerkstatt wurde von Fotoreportern begleitet. Im sommerlichen Outfit (Sneaker von Marc O’Polo, 140 Euro laut Bild) machte der Ex-Arcandor-Chef die gewohnt gute Figur. Dazu gab’s Post von Wagner: „Wenn Sie damit Hafterleichterungen erschummeln wollen, dann betrügen Sie die Behinderten. Dann wollen Sie nicht helfen, denn Sie wollen nur sich selbst helfen.“ Es hat einstweilen nichts genutzt: Die Einwendungen des 62-jährigen gegen die Haftfähigkeit sind von der Staatsanwaltschaft Bochum zurückgewiesen worden. Gibt es wenigstens Hoffnung für die Gläubiger? Das Monatsgehalt von 1785 Euro geht direkt an den Insolvenzverwalter. In etwa 4668 Jahren hätte Middelhoff (dessen Geschichte jetzt auch noch verfilmt werden soll) seine rund 100 Millionen Schulden abbezahlt.
Kleine Zugabe:
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