"Don't panic", meint der Vice President Global Retail Marketing Sport Performance von Adidas (je größer das Unternehmen, desto länger die Titel). Natürlich verzeichne Online Retailing wachsende Marktanteile. Neue Geschäftsmodelle wie Groupon befeuerten diese Dynamik. Und es gebe Branchen, die tatsächlich massiv unter Druck gerieten. Aubrey nannte das Beispiel des britischen Musik- und Spiele-Händlers HMV, der heute nur noch ein Schatten seiner selbst sei. Aber für die Masse der Einzelhändler bringe das Web auch neue Möglichkeiten für Geschäfte. Insbesondere in der Integration von stationärem Geschäft und Online-Technologie liege Musik.
Aubrey präsentierte auf dem E‑Fashion-Summit von Sportswear International diese Woche in Frankfurt die Adidas Virtual Footwear Wall. Der riesige Touchscreen wurde vor ein paar Wochen erstmals in London installiert. Was das Ding kann, erklärt Aubrey am besten selbst:
Die Virtual Footwear Wall ist kein Gadget für Tekkies, sondern hilft, Produktverfügbarkeit zu maximieren, Bestände zu optimieren und potenziell auch Kosten für Standorte, Mieten und Service einzudämmen.
Um das Verhältnis von stationärem und Online-Handel drehten sich beim E‑Fashion-Summit eine ganze Reihe von Präsentationen. Der deutsche Online-Papst Gerrit Heinemann bereicherte die Konferenz um so nette Begriffe wie "ropo" ("research online, purchase offline", bei Bedarf auch umgekehrt) und "Noline Retailing", was in etwa dasselbe bedeutet wie die "Omni-Channel Experience", von der Chris Aubrey sprach – nämlich die nahtlose Abwicklung des Kaufprozesses über alle möglichen Vertriebskanäle hinweg. Das nächste große Ding ist übrigens "Mobile". Immerhin 71% der Digital Natives hätten schon einmal Produkte über ihr Smart Phone gekauft, wußte Oliver Rosenthal von der Agentur OgilvyOne zu berichten.
Was bedeutet das alles für das gute, alte Ladengeschäft?
Es wird keineswegs überflüssig. Gegenteilige Aussagen sind Unsinn. Wir werden wohl weniger Verkaufsfläche benötigen, mit allen Konsequenzen, die das für Lagen, Immobilien und Mieten hat. Immobilienbesitzern und Projektentwicklern sollten sich jedenfalls ihre Gedanken machen. Die Zentralisierung von Einzelhandelslagen wird sich noch verstärken. Das Internet ist insbesondere für Klein- und Mittelstädte mit weniger attraktivem Handelsbesatz eine Konkurrenz, während Großstädte und gut gemachte Einkaufszentren attraktive Anziehungspunkte für die Kunden bleiben werden.
Der Laden an sich verändert indes seine Funktion. Lagerhaltung in 1a-Lagen ist endgültig passé. Stattdessen bekommen Stores noch mehr die Aufgabe, Showroom für Marken und Produkte zu sein. Und sie integrieren die neuen Technologien, bringen das Web gewissermaßen an den POS. Da ist vieles heute schon machbar. Die Frage ist, was aus Kundensicht sinnvoll ist.
Zudem geht es darum, das stationäre Einkaufen als Alternative zum eher rationalen Online-Shopping noch attraktiver zu machen. Stationäre Läden dürfen nicht nur Ware bieten, sondern sie sollten mit Unterhaltung, sozialen Kontakten und Aufenthaltsqualität punkten. Das wird freilich immer eine Gratwanderung sein; auch "third places" müssen Miete zahlen.
Vieles spricht dafür, dass der Handel künftig eher mehr als weniger Aufwand am POS treiben wird. Der Point of Sale muss zum Point of Sexyness werden. Denn im Verkauf wird der Wettbewerb letztlich entschieden, und erst in zweiter Linie im Backoffice. H&M ist nicht nur vertikal, sondern vor allem eine Marketing-Maschine. Und die inhabergeführten Multilabel-Häuser haben zuletzt bestimmt nicht Marktanteile gewonnen, weil sie die günstigsten Kostenstrukturen haben. Sondern weil sie ihre lokale Kundennähe mit besonderer Stärke im Verkauf verbinden.
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