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Von Äpfeln und Zwirnen

Mode ist verderblich? Nina Piatscheck findet die Aussage schädlich. Warum die Branche aufhören sollte, Kleidung mit Obst zu vergleichen.

Wer sich in letz­ter Zeit in Online­pa­nels oder Ver­bands­kon­fe­ren­zen der Mode­bran­che ein­ge­wählt hat oder auch ein­fach Zei­tung las, kam um eine neue Bin­se nicht her­um: „Unse­re Ware ist ver­derb­lich“, sag­ten da Geschäftsführer*innen von Mode­häu­sern oder Mar­ken, Ver­bän­de, Unternehmensberater*innen – also eigent­lich alle, die irgend­wie mit trag­ba­rem Stoff zu tun haben. Als hät­te eine (schlech­te) Kom­mu­ni­ka­ti­ons­agen­tur einen Slo­gan ent­wi­ckelt, den nun alle wie­der­ho­len, bis es das gan­ze Land gehört hat. Nur macht der Spruch wenig Wer­bung fürs Geschäft. Im Gegen­teil.

Klar: Der Sinn der Wort­wahl ist offen­sicht­lich. Seit über neun Wochen sind die Sor­ti­men­te wegen des Lock­downs für Kund*innen gesperrt. Die Türen sind zu, die Rega­le und Stan­gen voll, die Kon­ten leer. Bei vie­len geht es mitt­ler­wei­le um die Exis­tenz. Die Poli­tik soll auf­wa­chen und end­lich mehr hel­fen.

Man kann also ver­ste­hen, wenn die Spra­che dras­tisch wird. Trotz­dem ist die Wort­wahl Unsinn, gefähr­lich dazu. Ein Bla­zer ist viel­leicht mal gelb, mal grün, aber auf mehr Gemein­sam­kei­ten wird er mit Bana­nen und Kiwis nicht kom­men. Und was in Ber­lin Ände­rung bewir­ken soll, lesen die Kund*innen mit. Der Satz bekam Platz in der Tages­schau, stand in allen gro­ßen Zei­tun­gen. Ich selbst habe ihn für DIE ZEIT auf­ge­schrie­ben. Dass der Pull­over, den sie letz­ten März gekauft haben, in den Augen der Bran­che wert­lo­se „Gam­mel­wa­re“ ist, macht den Kund*innen nicht gera­de Lust auf den nächs­ten Shop­ping-Tripp.

Beklei­dung, das Weg­werf­pro­dukt – in den ver­gan­ge­nen Jah­ren sind immer mehr Details über Pro­duk­ti­on und Umgang mit Mode öffent­lich gewor­den, die die­ses Image bestär­ken. Zu Über­pro­duk­ti­on und aus­ge­beu­te­ten Arbeiter*innen kamen Nach­rich­ten über ver­gif­te­te Erde und ver­nich­te­te Ware. Die schö­ne gla­mou­rö­se Mode­welt der 80er und 90er hat heu­te eher das Image des Umwelt­sün­ders. Nicht sel­ten zu recht.

Was dabei oft ver­ges­sen wird: Dass Mode das Leben (wenigs­tens für kur­ze Momen­te) bes­ser machen kann. Wenn man an einem schlech­ten Tag ein­fach ein beson­ders schö­nes Out­fit anzieht, wächst das Selbst­ver­trau­en, die Lau­ne steigt. Das sage nicht ich, das bele­gen Stu­di­en. Eine von ihnen, ent­stan­den an der Colum­bia Uni­ver­si­ty in New York, gibt sogar an, dass die Wahl der Klei­dung Aus­wir­kun­gen auf unse­re Leis­tung hat (je for­mel­ler, des­to bes­ser). Sie kann also auch die Kar­rie­re beein­flus­sen.

Klei­dung ist etwas Wert­vol­les. Weil Men­schen viel Ener­gie in ihre Pro­duk­ti­on ste­cken und sie wie­der­um Ener­gie geben kann. So soll­te über die Pro­duk­te gespro­chen wer­den, auch wenn die­se Wochen noch so hart sind. Wer unbe­dingt wei­ter von Ver­derb­lich­keit spre­chen möch­te, ach­te viel­leicht mehr auf die Details: Wenn etwas schlecht wird, dann ist es der Preis.

Nina Piat­scheck

Nina Piat­scheck schreibt seit 15 Jah­ren über Mode. Sie volon­tier­te nach dem Mode­de­sign-Stu­di­um und diver­sen Prak­ti­ka bei der TW und arbei­tet dort ins­ge­samt neun Jah­re. Heu­te ist sie für ZEIT CAMPUS tätig und arbei­tet dane­ben als freie Autorin für den Wirt­schafts­teil der ZEIT, fürs ZEIT­ma­ga­zin, für vogue.de und ande­re Medi­en.

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Eine Antwort zu “Von Äpfeln und Zwirnen

  1. Ein sehr geist­rei­cher Kom­men­tar, lie­be Nina. Die Mel­dun­gen über ver­derb­li­che Ware in der Mode hat mir auch ein Kopf­schüt­teln abge­run­gen. Der End­ver­brau­cher muss den­ken, dass der Fashion Arti­kel eine Halb­wert­zeit von weni­gen Wochen hat. Da kann er getrost auch Aus­lauf­wa­re zum super­güns­ti­gen Preis kau­fen.

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