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Ich hatte ein Erlebnis am Point of Sale…

Der Verkäufer macht den Unterschied, meint Jürgen Wolf. Das weiß jeder. Und doch versagen viele Einzelhändler genau an dieser Stelle. Das Personal ist zu schlecht geschult. Zu schlecht bezahlt. Oder einfach gar nicht existent.

Es gibt zwei Säu­len in unse­rer klei­nen Han­dels­welt: der Sport und die Mode. Bei­de ver­bin­det die Suche nach dem Erfolgs­mo­dell der nahen Zukunft. Bei­de wer­den vom Online Han­del zer­rie­ben. Und bei­de suchen ihr Heil im Omnich­an­nel-Han­del. Das dies eine mög­li­che Zukunft ist, weiß man erst, wenn die Zukunft zur Gegen­wart wird.

Aber eins ist klar: Um in der Zukunft zu bestehen, muss man der Gegen­wart auch die ein­fachs­ten Din­ge abrin­gen. Wenn die Fre­quenz im Laden abnimmt, müs­sen die Waf­fen neu geschärft wer­den. Dafür muss man sich sei­ner Waf­fen bewusst sein. Eine, die seit Jah­ren ger­ne ver­nach­läs­sigt wird, ist der Ver­käu­fer.

Es war ein­mal anders. In den 80ern – um ein ganz exo­ti­sches Bei­spiel in die Run­de zu wer­fen – hol­te sich der Ski­fach­han­del Ski­leh­rer aus Öster­reich, die mit ihrem Alpen­slang Ver­kaufs-Wun­der­waf­fen waren. Damals war eh alles bes­ser, aber hat sich der Mensch an sich denn so ver­än­dert? Oder nur das Sor­ti­ment, das – als Ein­heits­brei nivel­liert und die Kun­den allei­ne las­send – Lan­ge­wei­le hin­ter­lässt.

Dazu eine klei­ne Geschich­te: Mei­ne Söh­ne und ich haben die Lie­be zum Schlitt­schuh­lau­fen ent­deckt. Ich hat­te noch betag­te Eis­ho­ckey­schu­he aus dem Ter­ti­är des Spor­tes. Die Eis­hal­le in Frank­furt bie­tet einen Händ­ler, direkt in der Hal­le. Die Idee lag nahe, dort für mei­nen Jüngs­ten ein ers­tes Set zu kau­fen. An der gebo­te­nen Aus­wahl gab es nichts zu meckern. Wir hat­ten gro­ße Augen und eine noch grö­ße­re Vor­freu­de. Die hat der Händ­ler dann kunst­voll zer­stört. Wie das? Ging ganz schnell: unter­ir­di­sches Ver­kaufs­ge­spräch. Es stell­te sich her­aus, es war der Chef höchst­per­sön­lich. Sei­ne Gehil­fen stan­den dane­ben und grins­ten, obgleich die­ser Dar­bie­tung. Wir haben nichts gekauft.

Auf der Eis­flä­che kam ich mit einem alten tsche­chi­schen Trai­ner ins Gespräch. Er gab mir den Tipp, nach Mühl­heim zu fah­ren. Sat­te 30 Minu­ten ent­fernt. Es stell­te sich her­aus, dass es ein Inter­sport-Händ­ler war. Im ers­ten Moment war ich ent­täuscht, hat­te einen klei­nen Pro­fi-Shop erwar­tet. Etwas in der Art wie der Frank­fur­ter Lauf­shop von Jost Wie­bel­haus. Ein Erleb­nis­bad für die Gefüh­le und die Anlauf­stel­le für alle mei­ne Lauf­ge­lüs­te.

Ok, sag­te ich mir, der Tsche­che wird es wis­sen. Der klas­si­sche Inter­sport-Gemischt­wa­ren­la­den, frei nach dem Mot­to, wir kön­nen alles, ver­barg aber wirk­lich die­sen klei­nen Pro Shop, den ich vor mei­nem fan­ta­sie­ren­den Auge hat­te. Ein eige­ner Raum, befüllt mit allem, was das Eis­ho­ckey­herz schnel­ler schla­gen lässt. Andre­as Spries­ters­bach, der Chef per­sön­lich, gab uns eine Lehr­stun­de zum The­ma Bera­tung. Was sel­ten vor­kommt: ich schnurr­te wie ein Kätz­chen. Das Ergeb­nis: wir kauf­ten gleich drei Eis­ho­ckey-Sets. Mei­ne bei­den Söh­ne und ich fuh­ren mit einem brei­ten Dau­er­grin­sen in die Eis­hal­le und grins­ten in die zwei­te Run­de: die Kufen hat­te er mit einer Wun­der­schleif­ma­schi­ne der neus­ten Gene­ra­ti­on behan­delt. In der Eis­hal­le konn­te man auch schlei­fen las­sen und dabei zuse­hen, wie hier mit dem Fun­dus aus einem Tech­nik­mu­se­um gear­bei­tet wird.

Die Geschich­te hät­te auch so klin­gen kön­nen: Ich habe ein Paar Schlitt­schu­he im Inter­net bestellt. Sie haben nicht gepasst und ich habe sie zurück­ge­schickt. Man hät­te sie durch eine Wär­me­be­hand­lung anpas­sen kön­nen, aber ich wuss­te nicht, wie das gehen soll. Scha­de.

Die Tage las ich in „Der Han­del“ ein Inter­view mit dem neu­en Vor­stands­vor­sit­zen­den der Inter­sport. Zuvor war er 20 Jah­re Unter­neh­mens­be­ra­ter. Ob er auch Sport­ler ist, gab der Arti­kel nicht her. Nach vier Sei­ten Inter­view wuss­te ich, dass die Inter­sport eine Hoch­leis­tungs-IT-Maschi­ne wird, und ich traue die Umset­zung die­sem Mann auch irgend­wie zu. Ganz zum Schluss war noch zu lesen, dass man den Flä­chen­er­trag von 2 auf 8 Pro­zent stei­gern will. Das Wie wur­de nicht beschrie­ben.

Nach mei­nem Erleb­nis am POS hät­te ich da eine Idee: hoch­pro­fes­sio­nel­le Ver­käu­fer-Aus­bil­dung. Nein, nicht in Heil­bronn. Zu weit! Dezen­tra­ler. Die Kir­chen hat­ten dazu schon vor 2.000 Jah­ren ganz gute Ideen. Links die Ware. Rechts der Kon­su­ment. Dazwi­schen eine Todes­zo­ne.  Eine Wüs­te, in der die Bera­tung kaum gedei­hen kann. Das Per­so­nal zu schlecht geschult. Zu schlecht bezahlt. Oder ein­fach gar nicht exis­tent.

Dass es anders geht, zei­gen Jost Wie­bel­haus und Andre­as Spries­ters­bach. Wenn die sich aber noch um ihr Omnich­an­nel Busi­ness mit all sei­nen Tücken küm­mern müss­ten, wür­den sie sich auch zer­rei­ben. Wie sagt das alte Sprich­wort: Wer zwei Hasen gleich­zei­tig jagt, wird kei­nen davon fan­gen.

In der Mode ist es noch kom­pli­zier­ter. Hier gibt es kei­ne Schlitt­schu­he, die bes­ser fah­ren oder Lauf­schu­he, in denen man bes­ser lau­fen kann. Hier fehlt der Erleb­nis­fak­tor des Funk­tio­nie­rens. Ein übri­gens sehr archai­sches Erleb­nis, weil es sich seit vie­len Tau­send Jah­ren aus der Ver­bes­se­rung der Jagd­ge­rä­te und Waf­fen her­aus­ge­bil­det hat. Feh­ler hat die Evo­lu­ti­on schon immer ger­ne mit dem Tod bestraft.

Beklei­dung hat am wenigs­ten den Nut­zen, jeman­den warm zu hal­ten. Im Vor­der­grund steht der Look, das Aus­se­hen, und das ist ziem­lich sub­jek­tiv. Jeder emp­fin­det das anders. Man­che emp­fin­den gar nichts, wol­len aber trotz­dem nicht unbe­klei­det sein. Eigent­lich die schöns­te Spiel­wie­se für einen Ver­käu­fer.

Wäh­rend aber jeder Betriebs­wirt­schaft­ler über Jah­re mit Infor­ma­tio­nen gefüt­tert wird, bis er ordent­lich funk­tio­niert und viel Geld ver­die­nen kann, bekommt der Ver­käu­fer….. Ja was denn? Nichts! Einen Arbeits­ver­trag. Eine kur­ze Pro­dukt­schu­lung, und er wird auf die Flä­che geschickt. Jetzt muss sich kei­ner wun­dern, dass hier­bei wenig „raus­kom­men“ kann. Wie hat mei­ne Oma Apol­lo­nia immer gesagt: „Wenn beim Ofen hin­ten Hit­ze raus­kom­men soll, muss man vor­ne Koh­le rein­ste­cken.“ Klingt logisch. Und die­se Logik hört beim Ver­käu­fer nicht auf.

Ver­kau­fen hat viel mit Psy­cho­lo­gie zu tun. Man muss wis­sen, wie man einem Kun­den die See­le wärmt. Wenn die­ser kei­ne Bedürf­nis­se hät­te, wür­de er den Laden ja erst gar nicht betre­ten. Was er genau will, weiß er viel­leicht nicht, aber genau hier beginnt der Job eines Pro­fis.

Die Mode hat nicht den Per­for­mance-Vor­teil des Sports, aber sie hat Trends. Vie­le klei­ne Mikro­trends, die die Mode seit Jah­ren zu die­sem Ein­heits­brei von „Esist­scheiß­egal­was­du­an­hast“ macht. Und gro­ße Trends, die nur alle 10 Jah­re kom­men. Im Auf­fin­den die­ser Trends kann der pro­fes­sio­nel­le Ver­käu­fer hilf­reich sein und den Ein­kauf unter­stüt­zen, wes­halb es gar nicht dumm wäre, sei­nen Top Ver­käu­fer mit auf eine Mes­se zu neh­men. Teu­er, ich weiß, aber der Top Ver­käu­fer holt das wie­der rein. Im Grun­de weiß das ja jeder, nur macht es kei­ner. Die größ­te „Waf­fe“ eines Ver­käu­fers sind „Geschich­ten“, und genau die hört der Kon­su­ment am liebs­ten. Weiß auch jeder.

Jetzt muss man nur noch einen talen­tier­ten Men­schen fin­den, den man zum Top Ver­käu­fer aus­bil­den kann und danach Mar­ken die Top Geschich­ten erzäh­len. Bei­des ist schwer, aber nicht unmög­lich.

Beim Fin­den von Ver­käu­fern könn­te die Inter­sport ja hel­fen. So neben­her zumin­dest. Ihre Haupt­en­er­gie braucht sie ja für ihre Platt­form-Visio­nen. So wie die gan­zen ande­ren Platt­form-Erbau­er.

Der unab­hän­gi­ge Mode­fach­händ­ler hat es da schwe­rer. Das Suchen, Fin­den und Aus­bil­den von Top Ver­käu­fern braucht Zeit und Ener­gie. Aber wem das nicht gelingt, der braucht sich um das Erfolgs­mo­dell der nahen Zukunft gar kei­ne Gedan­ken mehr zu machen.

Jürgen Wolf ist Grün­der und Mas­ter­mind von HOMEBOY.

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