Noch vor kurzem machten die Gen Z‑Mädels ihren Müttern richtig Druck, wenn diese im Winter auf die Idee kamen, ihren Lammfellmantel aus dem Schrank zu holen. Selbst Daunenjacken mit pelzverbrämtem Kragen waren ein No-Go. Das Ende des Woolrich- und Canada Goose-Jackenbooms war damit besiegelt. Und jetzt? Trägt genau diese Generation wieder Pelz. In Berlin, der Hochburg der Klimakleber, sah man in den letzten Wochen so viel Felljacken wie lange nicht. Vor allem in Hipster-Vierteln wie Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain war die Pelzdichte beinahe so hoch wie die der Porsche-Fahrer auf der Münchner Maximilianstraße.
Es ist vor allem die Selbstverständlichkeit, die irritiert. Dass gerade die Generation, die die Baby Boomer für den Klimawandel und Misstände in Deutschland verantwortlich macht – und sich für fleischlose Ernährung ausspricht, jetzt auf diesen Trend aufspringt, fühlt sich irgendwie befremdlich, ja fast wie aus der Zeit gefallen an. Auch wenn die Gen Z‑Generation damit argumentieren mag, dass es sich um Second-Hand-Pelzjacken handelt und damit die Pelzindustrie nicht durch den Erwerb neuer Artikel unterstützt wird, stellt sich durchaus die Frage, woher der plötzliche Sinneswandel rührt.
Allein in den letzten vier Jahren haben sich namhafte Marken wie Armani, Chanel, Gucci, Prada und Versace von Pelz verabschiedet. Moncler ist seit diesem Jahr komplett pelzfrei, weil laut dem italienischen Sportswear-Label sich das ethische und umweltbewusste Konsumverhalten geändert hat. Das Engagement der Tierrechtsorganisation PETA hat sich in den letzten Jahren zunehmend auf die Woll- und Lederindustrie verlagert.
Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist es maximal ökologisch, einen Vintage-Pelz zu tragen.
Möglicherweise könnten PETA-Aktivistinnen demnächst nicht nur die Fendi-Show crashen, wie das vor wenigen Tagen der Fall war. Denn auf den jüngsten Modenschauen in Mailand gab es unter anderem auch bei Marni, Prada und Dolce & Gabbana durchaus wieder Looks mit Felljacken, ‑mänteln und ‑verbrämungen auf den Laufstegen zu sehen, auch wenn nicht ganz klar ist, ob es sich dabei um gut gemachte Imitationen oder Echtpelz gehandelt hat.
Warum gerade jetzt die Rolle zurück? Vielleicht ist es Ironie? Natürlich ist es eine Provokation, was der Mode ja nicht fremd ist. Vielleicht hängt es aber auch damit zusammen, dass in schwierigen Zeiten Werte wie Tradition und Beständigkeit wieder an Bedeutung gewinnen. Werte, die dem Pelz durchaus zugeschrieben werden können. Das klassische Feindbild aller Pelzgegner, die reiche, nicht selten ältere Dame, die ihren Nerzmantel beim Shoppen spazieren trägt, hat ausgedient. Wenn junge Frauen heute Pelz tragen, soll das nicht Reichtum, sondern Modebewusstsein demonstrieren. Die Mob Wives lassen grüßen. Oder Heidi Klum, die "Sunglasses at Night" trägt und sich dazu unpassend im Pelz in der Brandung räkelt.
Im weitesten Sinne ist der Pelz wohl Teil des Vintage-Trends, dessen Lässigkeit in der dosierten Verwendung liegt. Kürschner berichten, dass immer mehr junge Frauen sich einen alten Pelz „umdesignen“ lassen. Das Umarbeiten kostet mitunter mehr als ein alter Nerz, der schon für kleines Geld in Second Hand-Stores zu haben ist.
Fakt ist: Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist es maximal ökologisch, einen Vintage-Pelz zu tragen. Ein Pelzmantel hält zwischen 100 und 150 Jahren, bis er sich irgendwann von selbst auflöst. Im Unterschied zu Winterjacken oder ‑Mänteln aus Fellimitat oder Kunststoff, die ein Leben lang nicht verrotten und unter Recyclingaspekten eine Katastrophe sind. Die Message bleibt dieselbe: Pelz ist Pelz. Ob alt oder neu, ist schwer zu unterscheiden. Damit bleibt Pelz weiterhin eine Geschmacks- und Gewissenssache – und ist ein fragwürdiges Signal.