Okay, das ist zum Start des grellen neuen Barbie-Kinospaßes mit Margot Robbie, Ryan Gosling und einem Malibu-Beach-Club voller grandioser Nebendarsteller eine berechtigte Clickbait-Frage. Wobei mich im Trailer viel mehr der ockerfarbene Selbstbräuner zu Polkappen-weißen Zahnreihen beeindruckt hat, als das omnipräsente Girlie-Rosa. Hoffen wir also zunächst mal, dass der nicht viral geht. Brrr. Doch zurück zur Frage und der modischen Relevanz des Puppen-Pink für die aktuelle Saison.
Glaubt man den Trend-Oraklern von Pantone, ist da ja nun mal eher eine erwachsenere Rotnuance angesagt, das „Viva Magenta“ mit der Nummer 18–1750. Irgendwas zwischen sattem Burgunder und fiebrigem Fuchsia. Viel zu intensiv und melancholisch für Barbie. Zu ihrer in Eiscremetöne getauchten Plastikwelt, durch die sie in Pumps oder barfuß und auf Zehenspitzen stöckeln, mit Betonfrisur und „You can have it all“-Attitüde, passt so eine substanzielle Farbe einfach nicht.
Dabei ist Pink weder historisch noch kulturell gesehen ein Leichtgewicht. Neben Filmen wie „Barbie“ oder „Natürlich blond“ gab es eben auch subversive Werke wie „Pink Flamingo“ oder „Pretty in Pink“. Zu Starlets wie Paris Hilton gesellten sich Disruptoren wie Kim Petras, Billy Porter, Miley Cyrus oder Harry Styles. Pink ist somit zugleich Kapitulation vor dem plakativen Mainstream, ein wehendes Banner für Bemühungen um gesellschaftliche Teilhabe und daseinsfroher Dorn im Auge konservativer Miesepeter. Nicht zufällig spricht man daher von der Power of Pink.
Beim dritten Mal Trailer-Anschauen offenbaren sich mir dann beunruhigende Untertöne in Greta Gerwigs Vision vom Leben dieser 64-Jährigen aus dem Spielzeugladen, jener etwas gelenksteifen Kult-Schönheit, der man die winzigen Folienclutches immer mühevoll unter den Daumen klemmen und die Knie knackend knicken musste. Das sind doch Vibes à la „Stepford Wives“ in all dem Spring-Break-Überschwang samt hysterischem Dauerlächeln, oder? Man darf gespannt sein auf die finale Fassung.
Trotz anderslautender Prognosen der Experten also wird der Sommer mit ziemlicher Sicherheit kunterbunt, von Neontönen bis candy colors. Denn nach der Pandemie, mitten im Krieg und mit drohendem Unheil für Fonds-Portfolios, dem schwächelnden Einzelhandel in trostlosen Innenstädten, angezählten Heizkesseln und mauen Krypto-Börsen brauche selbst ich als sprödes Nordlicht dringend eine Konfettigranate für das Outfit-Arsenal. Nur ist Pink keine gute Idee für mich (nicht mal in Varianten wie Blassrosé oder matter Himbeere, wie auf einem Sakko bei Dior Men erblickt). Meine Haut und Haare haben zu viel Rotpigmente. Auch würde mein Mann bei 2900 Euro für das Gardener’s Jacket von Dior sicher die eine oder andere Nachfrage haben. Höchstens beim Schuhwerk könnte ich mir Barbie-eske Akzente vorstellen. Aber laufen Sie mit solchen Tretern mal abends durch dunkle Vorstädte, ohne Panic Button.
Generell ist Pink jedoch gerade in der Männergarderobe jenseits der Nische längst reif für ein Comeback. Italiener, Lateinamerikaner und Südkoreaner zelebrieren das seit vielen Jahren. Als völlig unaufgeregtes Highlight im Kleiderschrank, neben Khaki, Navy Blue und Aschgrau. Notfalls, das war auf der Uhrenmesse Watches & Wonders in Genf zu beobachten, könnte die Reise ins pinkfarbene Wunderland ja mit einem Zifferblatt oder Armband beginnen. Da lässt sich, falls der Mut abebbt, die Manschette drüber schieben. Sofern Sie noch ein Hemd tragen und nicht in Denim-Weste zum nackten Oberkörper wie Ryan „Ken“ Gosling im Homeoffice sitzen. In jedem Fall: Have a pretty pink day.
Siems Luckwaldt ist seit rund 20 Jahren ein Experte für die Welt der schönen Dinge und ein Kenner der Menschen, die diese Welt möglich machen. Ob in seinem aktuellen Job als Lifestyle Director von Capital und Business Punk, für Lufthansa Exclusive, ROBB Report oder das legendäre Financial Times-Supplement How To Spend It. Oder seinem eigenen Medium LuxusProbleme. Alle zwei Wochen in Ihrer Inbox: seine Sicht auf News und Trends der Branche, aufs moderne Arbeitsleben und Phänomene der Popkultur. Wortgewaltig, pointiert, höchstpersönlich. Und das zu einem gar nicht luxuriösen Preis, nämlich ab 4 Euro pro Monat. Werden Sie jetzt Teil einer extrem attraktiven, hochbegabten Community. Hier geht es direkt zum Abo.