Privatelabel

Same same but different

Jürgen Wolf hat's nicht so mit den Eigenmarken des Handels. Der schaufelt sich damit sein eigenes Grab, wie der Homeboy-Gründer über viele Jahre beobachtet hat.
Juergen wolf me myself and i
Jür­gen Wolf

P&C ist wie Phö­nix aus der Asche auf­er­stan­den und bie­tet seit­dem immer wie­der inter­es­san­te Geschich­ten, zur Erhei­te­rung unse­rer Gemü­ter. Wie unlängst zu lesen war grün­de­te man die JC Switz­er­land Hol­ding AG. Der Name nimmt es schon vor­weg: der Sitz ist in der Schweiz. War­um auch nicht? Steu­er­lich attrak­ti­ver als Düs­sel­dorf ist die Schweiz alle­mal. Wie zu lesen war ist das Ziel eine „Eigen­mar­ken-Orga­ni­sa­ti­on“ auf­zu­bau­en. Man wol­le sich auf die Ent­wick­lung von Eigen­mar­ken kon­zen­trie­ren, „die vom medi­ter­ra­nen Lebens­stil und der medi­ter­ra­nen Ästhe­tik inspi­riert sind“. Auch wie­der sehr fun­ny, dach­te ich und der Arti­kel, auch wenn er nur recht knapp for­mu­liert war, schnapp­te sich mei­ne Auf­merk­sam­keit.

Eigen­mar­ken. Das ist wie Bie­le­feld. Gibt es gar nicht.

Die ehr­wür­di­ge Mar­ken­tech­nik kennt die­sen Begriff nicht. Sie lehrt, dass eine Mar­ke das Ver­trau­en in eine gleich­blei­ben­de Leis­tung ist – auf­ge­baut durch kon­se­quen­te, lang­fris­ti­ge Pfle­ge von Iden­ti­tät, Qua­li­tät und Erschei­nungs­bild. Der Begriff Eigen­mar­ke wur­de vom Lebens­mit­tel­han­del geschaf­fen, um sich preis­lich unter­halb der Her­stel­ler­mar­ken zu plat­zie­ren. Man hät­te damals sei­nen „Haus­na­men“ benut­zen kön­nen, wäre aber vom Dümms­ten ent­larvt wor­den, der die Fähig­keit des Händ­lers anzwei­feln wür­de, über­haupt eige­ne Lebens­mit­tel her­zu­stel­len.

In den 70er und 80ern kamen dann auch in der Mode die ers­ten Spitz­kli­cker auf den Trich­ter. 1985 war ich 25, grün­de­te „X‑T´s“ und begann bedruck­te T‑Shirts und Sweat­shirts zu ver­kau­fen. Zu die­sem Zeit­punkt rea­li­sier­te ich so lang­sam, dass es Mar­ken gab, die eigent­lich gar kei­ne waren, sich aber wohl gut ver­kauf­ten. Genau­ge­nom­men bemerk­te ich die­ses Phä­no­men das ers­te Mal bei Sport-Scheck. Ich woll­ten dem dama­li­gen Ein­käu­fer für „Surf­wear“ mei­ne auf Tex­til gebrach­ten geis­ti­gen Ergüs­se anbie­ten. Ich hät­te zwar mit der Akqui­se eine Num­mer klei­ner anfan­gen kön­nen, aber ich woll­te mich im Markt auch nicht erst hoch­schla­fen und klopf­te des­halb direkt bei der Num­mer 1 an. Die ver­kauf­ten schließ­lich auch Wind­sur­fing Chiem­see und das wie­der­um waren Freun­de von mir.

Ich gebe ihm mal den bay­ri­schen Namen Huber, aber auch weil er, glau­be ich, tat­säch­lich so hieß. Er war der Held im Zelt, weil er die Haus­mar­ke „Maui Wowie“ unter sei­ner Fuch­tel hat­te. Ich kann­te die­se „Surf­mar­ke“ nicht und auf Nach­fra­ge ergab es sich, dass Herr Huber mir berich­te­te er hät­te die­se „Mar­ke“ gegrün­det. Ich war erstaunt. Ohne Inter­net war man damals ja qua­si am Rand der Unwis­sen­heit zuhau­se.

Die schlechten Eigenmarken gehörten zu den Sargnägeln der Warenhauskonzerne. Je mehr davon dort hing, desto weniger wollten Freunde echter Marken dort vorbeischauen.

Im Lau­fe der Zeit fand ich dann allein her­aus, wie das Spiel funk­tio­nier­te: Der Ein­käu­fer sieht sechs Mona­te vor dem End­ver­brau­cher alle ECHTEN Mar­ken aus sei­nem Seg­ment. Am Orde­r­en­de ist er dann schlau genug her­aus­zu­ar­bei­ten, was die aktu­el­len Key Ele­men­te der Mar­ken sind, die er ein­kauft. Wenn einer dann noch hin­läng­lich krea­tiv ist, kann er ein Design-Team bis zu einer „Kol­lek­ti­on“ füh­ren. Die­ser Mum­pitz wird dann schnell pro­du­ziert und damit sind die­se Kopien gleich­zei­tig mit den Mar­ken am POS erhält­lich.

Der Witz bei Maui Wowie war der: die Pro­duk­te waren immer güns­ti­ger als die ver­gleich­ba­ren Pro­duk­te der Ori­gi­na­le. Im woken Zeit­al­ter wer­den jetzt vie­le sagen: „Sehr gut! Dann kön­nen sich das end­lich alle leis­ten.“ Das ist aber lei­der zu kurz gedacht. War­um? Weil dann vie­le „Nicht Sur­fer“ mit T‑Shirts und Sweat­shirts in der Gegend rum­lie­fen, denen man schon hun­dert Meter gegen den Wind ansah, dass sie kei­nen Style hat­ten. Wie wür­de Mar­kus Lanz jetzt sagen: „Das macht ja was mit Einem!“ Und das war wirk­lich so.

Surf­wear war schluss­end­lich der Lächer­lich­keit preis­ge­ge­ben und die Demo­kra­ti­sie­rung des Trends zog dann auch bei Kar­stadt, Kauf­hof und der Inter­sport ein. Die hat­ten spä­tes­tens nach Maui Wowie ver­stan­den, wo der Hase lang läuft.

Die Waren­haus­kon­zer­ne hat­ten mit Sicher­heit schon weit vor­her mit Eigen­mar­ken begon­nen, weil die schon damals kein Hort mei­ner Begier­de waren. Ich war scharf auf Sport Scheck, aber nicht auf die zwei Ks. Aus heu­ti­ger Sicht wür­de ich behaup­ten, dass Kar­stadt und Kauf­hof die Vor­bil­der dafür waren, wie man es nicht machen soll­te. Die schlech­ten Eigen­mar­ken gehör­ten zu deren Sarg­nä­geln. Je mehr davon dort hing, des­to weni­ger woll­ten Freun­de ech­ter Mar­ken dort vor­bei­schau­en.

Es wur­de grund­sätz­lich zu wenig dar­auf geach­tet, die „eige­ne Mar­ke“ zu stär­ken und für eine Zukunft fit zu machen. Nun ja. Das ist auch schwer. Eine fili­gra­ne Grat­wan­de­rung. Die Gesell­schaf­ter und die Geschäfts­füh­rer leben immer im Jetzt und wer­den im Jetzt für ihre mone­tä­re Per­for­mance ent­lohnt. Wenn ich also durch pro­fes­sio­nel­les Beh­um­sen des End­ver­brau­chers eine höhe­re Mar­ge gene­rie­ren kann, gibt es am Jah­res­en­de mehr Bonus und die Aus­schüt­tun­gen für die Gesell­schaf­ter sind auch höher. Nach mir die Sint­flut.

Heute sind mit Zara und H&M Player im Markt, die die meist durchschnittlich gemachten Eigenmarken schlichtweg in der Pfeife rauchen. Modisch viel besser auf dem Punkt, preislich nicht zu schlagen und im Staccato kommt Nachschub. Wer sich mit denen anlegt, kommt unter die Räder.

Rudolf Kar­stadt und Leon­hard Tietz, die Grün­der der zwei Ks, muss­ten ja damals nicht mit ihrer Groß­fa­mi­lie in drit­ter oder vier­ter Gene­ra­ti­on tei­len und konn­ten locker ihren Reich­tum genie­ßen. Wenn dann aber auch noch unzäh­li­ge Cou­sins die Hand auf­hal­ten, wird das zu Ver­tei­len­de immer klei­ner und man muss „krea­tiv“ wer­den. Spä­tes­tens jetzt kommt eine evo­lu­tio­nä­re Gier ins Spiel, die schon gan­ze Königs­häu­ser ins Ver­der­ben geris­sen hat. Und die Zukunft wird aus­ge­blen­det. Die drit­te Gene­ra­ti­on wird ja oft mit dem gol­de­nen Löf­fel im Po gebo­ren und gewöhnt sich schnell an ein fürst­li­ches Leben. Aber ich will nicht aus­schwei­fen.…

Ab einer gewis­sen Umsatz­grö­ße sind Eigen­mar­ken ein­fach Usus. Gehö­ren zum guten Ton. Ob Gale­ria, P&C, die Inter­sport oder Blue Toma­to. Wer kei­ne hat, wird aus­ge­lacht. Alle machen mit.

Im Zeit­raf­fer pas­siert fol­gen­des: Die Händ­ler sind durch begehr­li­che Mar­ken groß gewor­den und natür­lich dem „Händ­chen“, die­se Mar­ken zum rich­ti­gen Zeit­punkt ein­zu­kau­fen und appe­tit­lich in den Schau­fens­tern zu prä­sen­tier­ten.

Das mach­ten sie mal so gut, dass Schau­fens­ter bum­meln zu einer Frei­zeit­be­tä­ti­gung wur­de, die man mit einem Kaf­fee­haus-Besuch oder einem Abend­essen abrun­de­te. Aus und vor­bei. Das gibt es nicht mehr. Klingt aus heu­ti­ger Sicht auch fast unvor­stell­bar. Nicht nur zu teu­re und für die heu­ti­gen Autos zu klei­ne Park­häu­ser haben das auf Out gesetzt.

Der Han­del wur­de über die Jah­re ein­fach viel zu lang­wei­lig, weil es a) über­all die glei­chen Mar­ken gibt und b) die Eigen­mar­ken schon mal gar kei­nen hin­term Ofen her­vor­ho­len. Heu­te sind mit Zara und H&M Play­er im Markt, die die meist durch­schnitt­lich gemach­ten Eigen­mar­ken schlicht­weg in der Pfei­fe rau­chen. Modisch viel bes­ser auf dem Punkt, preis­lich nicht zu schla­gen und im Stac­ca­to kommt Nach­schub. Wer sich mit denen anlegt, kommt unter die Räder.

Dazu müssten diese eigenen Marken noch mit Story aufgeladen werden? Geht gar nicht. Ohne Story bin ich aber weniger als Zara.

„Was sol­len wir denn machen? Wir müs­sen dage­gen­hal­ten. Wir müs­sen bil­li­ge Preis­la­gen anbie­ten, sonst kommt kei­ner mehr in unse­ren Laden.“ Alles nur Durch­hal­te­pa­ro­len.

Dazu müss­ten die­se eige­nen Mar­ken noch mit Sto­ry auf­ge­la­den wer­den? Geht gar nicht. Ohne Sto­ry bin ich aber weni­ger als Zara. Die haben ja eigent­lich eine: Wer bei uns kauft macht nichts falsch! Wer bei uns kauft wird von der Freun­din nicht aus­ge­lacht. Das ist schon mal ein star­kes Argu­ment für vie­le, auch wenn das unter­be­wusst abläuft.

Im Sport ist das „same same but dif­fe­rent“. 1956 wur­de von 15 deut­schen Sport­händ­lern die Inter­sport gegrün­det. Eine Ein­kaufs­ge­mein­schaft. Heu­te hütet man sechs eige­ne Mar­ken. Fast 6.000 Stand­or­te und 56 Län­der, in denen dann alles gleich aus­sieht. Das Busi­ness war easy zu han­deln, weil man sei­nen Mit­glie­dern im Ver­bund ein­fach Regeln auf­stel­len konn­te, die es ein­zu­hal­ten galt. Wie z.B. die: Ihr müsst unse­re Eigen­mar­ken kau­fen. Das ging lan­ge gut, bis auch hier der Geruch von Lan­ge­wei­le zur Tür raus quoll. Dazu kam dann noch Dec­a­th­lon aufs Spiel­feld, die auch immer­hin fast 2.000 Läden haben und kom­plett machen kön­nen, wonach ihnen der Kopf steht. So wie Zara und H&M. Glei­che Liga.

Jetzt steigt natür­lich die Kom­ple­xi­tät im Spiel. Quechua oder McKin­ley? Eins so 08/15 wie das ande­re. Bei die­sem Kun­den ent­schei­det letzt­end­lich der Preis. Dem ist das Ein­kaufs­er­leb­nis schnup­pe.

Die drit­te Dimen­si­on erle­ben wir gera­de. Um die mitt­ler­wei­le viel zu gro­ßen Häu­ser zu fül­len, holt sich Gale­ria Dec­a­th­lon ins Haus. Miet­erträ­ge und Traf­fic sind die genann­ten Grün­de für die Ent­schei­dung. Wenn ich selbst kei­ne Wurst- und Käse­the­ke habe, kann ich das mit EDEKA machen. Aber Dec­a­th­lon?

„Mei­ne Herr­schaf­ten! Idio­ten zie­hen Idio­ten an!“, sag­te 1984 der Ver­kaufs­trai­ner Alfred Stiel­au-Pal­las auf dem Ver­kaufs­se­mi­nar von Mis­tral Surf­boards. Die Bot­schaft war kei­ne bil­li­gen „Idio­ten-Mar­ken“ ein­zu­kau­fen. Mis­tral war halt teu­er und die Rech­nung ging für sie auf. Das hält einer woken Gesell­schaft von heu­te natür­lich nicht mehr stand, die reflex­ar­tig klä­ren will, wo die Abgren­zung zum Idio­ten beginnt und es dar­über hin­aus kei­ne Idio­ten gibt oder man die­se zumin­dest anders nen­nen müs­se.

Im Grun­de legi­ti­miert die Han­dels­mar­ke die Arbeit der Ver­ti­ka­len. Sie berei­tet den Boden vor, auf dem die Saat gedeiht, die den Fach­han­del auf kurz oder lang rui­niert. Das dau­ert alles sei­ne Zeit, aber die Wir­kung ist fatal.

Jür­gen Wolf ist Grün­der und Mas­ter­mind von Home­boy. Er hob das Ska­­­­­­­te­­­­­­­wear-Label 1988 aus der Tau­fe und gehör­te damit zu den Stree­­­­­­t­­­­­­­wear-Pio­­­­­­­nie­­­­­­­ren in Deutsch­land. In den 90er Jah­ren erleb­te Home­boy einen rasan­ten Auf­stieg, in den ver­gan­ge­ne­nen Jah­ren war es fak­tisch vom Markt ver­schwun­den. 2015 hat Wolf die Mar­ke wie­der­be­lebt. Und star­tet mit sei­nem Sohn Juli­an damit durch.

Bei­trä­ge von Jür­gen Wolf