Die neue Handelswelt ist kompliziert und die Dynamik enorm. Kaum hat man sich damit abgefunden, dass das Internet nicht mehr weggeht oder gar eine Idee entwickelt, was man damit anfangen könnte, kommt einer mit der nächsten Idee um die Ecke. Wer gedacht hat, mit der Eröffnung eines Webshops sei der Neuzeit Genüge getan, muss sich von den Omnichannel-Propagandisten eines Besseren belehren lassen. Dabei war der Betrieb eines stationären Geschäfts allein auch schon eine komplexe Aufgabe. Seit geraumer Zeit heißt es, die Zukunft sei mobile und M‑Commerce der neue E‑Commerce. Das ist wohl so, auch wenn viele Entscheider in den Unternehmen ihr Smartphone immer noch hauptsächlich zum Telefonieren nutzen.
Um die digitale Revolution im Handel ging es gestern in München. Die Agenturgruppe Serviceplan und die Unternehmensberatung Hachmeister + Partner (h+p) hatten zum Executive Circle geladen. Es kamen gut 30 Unternehmer und E‑Commerce-Verantwortliche aus Handel und Industrie.
Die Einführung machte Klaus Harnack von h + p. Der Berater sieht die Branche vor einem Paradigmenwechsel: "Mit der Vertikalisierung hat die Industrie die Systemführerschaft übernommen. Mit der Digitalisierung bekommt jetzt der Kunde die Systemführerschaft." Es gehe darum, Organisation und Prozesse auf den Kunden auszurichten und die Kontaktqualität an den wichtigsten Touchpoints zu optimieren. Und das sind eben sehr viel mehr als früher. Der Handel hat laut Harnack aber keine Wahl. Er muss da sein, wo der Kunde ist. "Die Grenzen zwischen Leben und Shoppen verschwinden. Man will sich jederzeit und überall inspirieren, etwas erleben und konsumieren." Die Digitalisierung sei der Ausgangspunkt für eine substanzielle Veränderung des Konsumverhaltens. Für Harnack geht es deshalb nicht um E‑Commerce, sondern um ganzheitliche Digitalisierung, die nicht nur das Verkaufen, sondern auch die Kommunikation und den Service betrifft.
Der Unternehmensberater sieht den stationären Handel vor diversen Herausforderungen:
1. Wir bekommen einen wachsenden Wettbewerb um Frequenz.
2. Wir bekommen neue Ansprüche an die Wareninszenierung – das Store-Layout eines Retailers wie Uniqlo orientiert sich in seiner Klarheit und Übersichtlichkeit am gelernten Aufbau von Websites.
3. Verfügbarkeitslücken werden nicht verziehen – die Kunden kaufen keine Alternativangebote im Laden mehr, sondern das, was sie gesucht haben, woanders.
4. Der Zugang zum Kunden wird existenziell – in der Folge werden Hersteller Händler so wie Händler Hersteller werden. Anbieter werden Medien und Medien werden zu Anbietern.
5. Nicht zuletzt zeigt sich, dass die klassischen Organisationen den Anforderungen des Marktes kaum mehr gewachsen sind und insbesondere auf die Mitarbeiter Veränderungen zukommen und neue Rollen und Berufsbilder entstehen werden.
Der klassische USP großflächiger Bekleidungshäuser – die möglichst breite Auswahl – werde künftig kein Erfolgsgarant mehr sein, so Harnack. Sondern es gehe im Handel künftig um Lifestyle-Kompetenz und Geschmacksführerschaft.
+++++
Bitte lesen Sie dazu auch die kleine Profashionals-Reihe zum Thema Online Handeln:
Folge 1: Was, wenn es einmal 50% sind?
Folge 2: Neue Nachbarn im Global Village
Folge 3: Der Preis ist heiß
Folge 4: Der Sargnagel für den Land-Handel
Folge 5: Der Generalist gewinnt. Die Spezialisten auch.
Folge 6: Vom Wettbewerb auf den ‑Stufen zur Konkurrenz der Wertschöpfungsketten
Folge 7: Commerce, Content und Community sind die Innovationstreiber
*****
Wenn Sie Profashionals regelmäßig lesen und gut finden, freue ich mich über eine Weiterempfehlung an Kollegen und Freunde.