Jvr konfekt e

Naschzeug ohne Zuckerguss

Jeroen van Rooijen hat «Konfekt» probiert. Und «eine Art Anti-Praline» ausgemacht.
Jeroen van Rooijen

Der Mann hat Mut: Mitten in der härtesten Wirtschaftskrise seit fünfzig Jahren und in einer Zeit, in der die von der Pandemie paralysierte Zivilgesellschaft nur noch «Lockdown!» schreit, lanciert der Kanadier Tyler Brûlé ein neues, anspruchsvolles Luxusmagazin mit einem kuriosen Namen, Konfekt. Es versteht sich als feminines Pendant zu Brûlés eher maskulin-rationalem Magazin Monocle, dem Claim nach zu schließen widmet sich der Titel den Themen «Sharp Dressing, Drinking, Dining, Travel & Design».

«In with the new», verkündet das Cover der ersten Ausgabe von Konfekt – eine etwas unscharfe Ansage, die aber durchaus zum etwas uneindeutigen Cover passt, das mit drei Bildmotiven und verschiedenen Textblöcken bereits eine Art Inhaltsverzeichnis ist. Gutes Handwerk, köstliches Essen, unaufgeregte Mode – den Anspruch des Claims erfüllen die drei ausgewählten Schwerpunkte aber zuverlässig.

212 Seiten umfasst das 23x30 cm große Magazin – damit entspricht Konfekt weitgehend den Normen seines Genres. Der Einstieg in die Erstausgabe geschieht auch wie gewohnt: Zuerst überblättert man einige doppelseitige Luxusanzeigen (wobei jene der Schweizer Bank UBS überrascht!), bis man auf Seite 11 zum Editorial vorstößt. Letzteres ist verfasst worden von Sophie Grove, die seit elf Jahren bei Monocle arbeitet, zuletzt als Chefin der Pariser Depencance. Sie leitet nun die Konfekt-Redaktion, die in London und Zürich sitzt.

Sophie Grove schildert in ihrem Editorial – ohne schickes Foto und schwungvolle Signatur – die Initialzündung zum neuen Magazin und die Atmosphäre, in der es entstand. Man liest von lauschigen Abenden am Zürichsee, während derer gebadet, philosophiert und ein Entschluss gefasst wurde: Ein intelligentes, waches und modernes Magazin für ebensolche Frauen müsse es sein. Ein Heft für Leserinnen, die dem etwas doof gewordenen Genre der Lifestyle-Zeitschriften entwachsen sind. Ein Titel, der Tradition würdigt und das Neue erst nach gründlicher, kritischer Prüfung zum Thema macht. Konfekt ist «eine Art Gastgeberin, die wiederzusehen man sich freut», so Grove.

Das Inhaltsverzeichnis ist doppelt angelegt – einmal als Liste und einmal als fancy Doppelseite mit Europa-Grafik, die zeigt, wie weit der Horizont der Redaktion reicht (von Finnland bis Ägypten). Beim Blättern durch die Erstausgabe öffnen sich viele Wege. Man unternimmt mit dem Pariser Label Rier eine Reise zu Kunsthandwerkern im Südtirol, unternimmt eine Lustreise nach Madeira, shoppt in Wien, wandert mit Künstlerin Claudia Comte um Basel, schnuppert mit Sissel Tolaas in Berlin an eigenartigen Duftkreationen, kocht mit Richard Kägi ein fünfgängiges Menu und schiebt mit einer Handvoll Galeristen, Kreativer und Vordenker zu einem Mittagessen im Zürcher Hotel Kindle an, das als feinsinnige Konversation zur Zukunft angelegt ist.

Modisch wendet sich Konfekt an die erwachsene Frau mit Stil, die ohne Glasur und Zuckerguss auskommt – der Typus der Phoebe Philo, Old-Céline, Neo-Jil-Sander-Style. Eine Art «Anti-Praline». Die in Italien lebende Stylistin Martina Riebeck hat unter dem Motto «Cosy up» Strickmode für die individuelle Komfortzone inszeniert, Fritz Beck fotografierte Mäntel und Jacken und unter dem Motto «Good Evening» zeigt Stil-Chefin Marcela Palek, dass Festtagsmode auch schlicht und komfortabel sein kann. Auf einer Doppelseite lernt man ausserdem die Zürcher Modemacherin Claudia Bertini kennen, deren Kreationen «less is more» zelebrieren.

Fazit: Der Start von Konfekt ist durchaus geglückt. Der Ton stimmt, die Optik ist elegant, auch wenn ein bisschen wohldosierte Subversivität und eine echte Überraschung fehlen. Die Typografie und Gestaltung nimmt sich diskret zurück und überlässt grosszügig den Inhalten die Bühne. Der Mix aus Kurzfutter und längeren Artikel sorgt für eine angenehme Dramaturgie. Gelegentliche Papierwechsel bieten eine wertige Haptik, ein 15-seitiger deutschsprachiger Anhang macht das Heft auch für jene Leserinnen zugänglich, die kein Englisch sprechen.

Mit 32 Anzeigenseiten (davon sechs als Advertorial) dürfte das Magazin noch ein ganzes Stück von der Profitabilität entfernt sein, doch hat die Redaktion nun eine attraktive Visitenkarte in der Hand, um den derzeit furztrockenen Print-Anzeigenmarkt weiter zu beackern. Und genau das ist letztlich das, was an Konfekt doch ein bisschen enttäuscht: Dass das Magazin kein gänzlich neues Businessmodell wagt und so über kurz oder lang Gefahr läuft, in die gewohnten Konventionen und Abhängigkeiten seines Genres abzurutschen.

Schlagworte: