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Eine Oase der Unruhe

Condé Nast hat seinen neuerdings vierteljährlich erscheinenden Männertitel GQ überarbeitet. Die Absicht ist gut, das Ergebnis allerdings erst ein Etappenziel, stellt Jeroen van Rooijen fest.
Jeroen van Rooijen

Daran, wo eine Zeitschrift am Kiosk liegt, erkannte man früher auch ihr Standing im Markt: Mainstream-Blockbuster vorne in der Mitte, direkt beim Publikum; Spartenmagazine unten ganz hinten, jugendgefährdende Spezialformate darüber, nur mit Körpergröße über 175 cm zu erreichen. Ebendort, ganz oben, fand ich dieser Tage die neue GQ – Gentlemen’s Quarterly, das traditionsreiche Männermagazin aus dem Hause Condé Nast, einst DIE Referenz für Männer mit Stil. Die Kioskfrau hatte das neue Heft zwischen dem Schweizer Sex-Anzeiger, Schlüsselloch, Playboy und Praline eingereiht. Ganz skeptisch schielte Christoph Waltz vom GQ-Cover auf die nackten Tatsachen auf dem Titelblatt neben ihm. Soviel zum Standing, das GQ heute im Markt hat.

Es mag ein Fehler der ahnungslosen Fachfrau gewesen sein, dass sie das Männermagazin, in dem früher durchaus auch „Girls“ zu sehen waren, inzwischen aber schon sehr lange nicht mehr, bei den Herrenmagazinen einsortiert hatte. Da gehört es nämlich sicher nicht hin. Es müsste zwischen den Modemagazinen liegen, wo aber inzwischen an den meisten Kiosken für Männer kaum noch etwas erhältlich ist. Oder dann bei den typischen Männerthemen Autos, Flugzeuge, Eisenbahnen, Waffen oder Kampfsport.

Diese kleine, heitere Episode illustriert ein Stück weit, was das Dilemma von GQ ist: die meisten Männer lesen keine Modehefte. Sie informieren sich crossmedial und zunehmend online, sie stückeln sich ihre Welt aus verschiedensten Quellen zusammen. Das universelle „Leitmedium“ fehlt. Diese Lücke will GQ füllen. Deswegen spricht André Pollmann, Chief Creative Director von GQ Germany, im Editorial zum neu gestalteten Heft 1/2021 auch von einer „Oase, einem tiefen Quell“, der GQ sein will – quasi das Reservoir, aus dem der Wasserfall der digitalen Medienwelt gespeist wird. Ein schönes Bild und ein hoher Anspruch!

Während viele Verlage ihre Printprodukte ausdünnen, druckt GQ seine Inhalte nun auf ein neues, besseres Papier. 208 Seiten sind es mit der ersten Ausgabe – der Titel erscheint übrigens neuerdings vierteljährlich, ist also wieder das, was der Titel sagt: Ein „Quarterly“. Aktuell steht GQ bei einer Auflage von gut 37.000 Exemplaren, die schätzungsweise 460.000 Leser erreichen. Inhaltlich und formal sei das neue Heft „großzügiger, voller und tiefer“. Jedes Detail des Designs wurde von Art Directorin Jana Meier-Roberts überarbeitet, liest man. Auch personell gibt es News: die Führungstruppe wurde verkleinert – TV-Star Joko Winterscheidt, der vor Jahresfrist als „Chief Curiosity Officer“ an Bord kam, ist still und leise wieder ausgestiegen.

Also: Was bekommt Mann für sein Geld (8,50 Euro)? Der Reihe nach. Zuerst 16 Seiten Anzeigen von großen Modemarken (oh weh, Philipp Plein ist auch dabei), dann zehn Seiten Inhalt, Editorial und Impressum, gefolgt von 34 Seiten „Details“ (aktuelles Kurzfutter und News). Hemden-Hersteller Olymp hat zehn Seiten als Heft im Heft gebucht, dann folgt der Themenblock „Life“, mit Interviews, Porträts und Reportagen. Ein Highlight: Das lange Interview mit einem nicht gerade gut gelaunten Hollywood-Star Christoph Waltz, der auch das Cover der neuen GQ Germany ziert. Herrlich, wie er sich gegen die Fragen von Ulf Pape zu wehren weiß!

Ab Seite 115 beginnt das anzeigenrelevante Kapitel „Style“, wo Modechef Tobias Frericks unter dem Titel „Street Speed“ Mäntel und Sportswear kombiniert – ein bisschen absurd. Gute Idee, eigenartige Ausführung. Es folgen Einzelseiten zu Trends und Klassikern, eine Style-Kolumne, Service-Seiten zum Umgang mit Karos – und eines der schönsten Stücke des Heftes, ein 14-seitiges, ästhetisches Porträt des deutschen Balletttänzers Friedemann Vogel, fotografiert von Stefan Heinrichs. Toll, dass diese gehaltvolle Strecke durch keine Anzeige zerteilt wurde. Solcherlei Sorgfalt wurde dem nachfolgenden Kapitel der Uhren leider nicht zuteil.

Den Abschluß des neuen Heftes macht der „Guide“: Es geht um Autos, Gesundheit, Interior, Essen und Trinken sowie um Düfte. Überraschung 1: eine leicht giftige Kolumne namens „Womansplaining“ von Michèle Loetzner, die den Männern die Welt aus Sicht der Frau erklärt. Soviel Gender-Bewusstsein muss heute auch in einem Männermagazin sein. Überraschung 2: Die „Health“-Tipps sind auf festerem, mattem Papier gedruckt – warum? Vielleicht, weil ein gesunder, zufriedener Körper und Geist die wichtigste Basis aller Männlichkeit sind, wichtiger als jeder PS-starke Sportwagen und jedes noch so teure Cashmere-Jackett. Deswegen auch die – durchaus appetitlichen – Rezepttipps zum Selberkochen.

Ganz zum Schluss des Heftes, auf dem innen liegenden Umschlag, guckt uns dann noch einmal GQ-Markenchef André Pollmann an und fragt, wie das neue Heft nun gefällt. Wer antworten mag, kann online einen Fragebogen ausfüllen und dafür Weingläser oder Laptop-Taschen gewinnen. Man sucht also offensichtlich noch nach der finalen Form.

Fazit: Die Welt von heute ist eine andere als die, in der GQ seine besten Jahre hatte. Aber GQ Germany sucht durchaus beherzt seine neue Rolle. Konzeptionell, thematisch und schreiberisch ist das Heft sein Geld wert. Gestalterisch würde ich mir aber einen ganz andere Weg für die Zukunft wünschen, als nun eingeschlagen wurde. Abgesehen vom Cover und den beiden bereits erwähnten Themen (Waltz und Tanz) strotz das Heft von unnötigen Design-Gimmicks, bemühten Schriften und knalligen Farben. Eine Oase, ein tiefer Quell – müsste so etwas nicht viel Ruhe und Klarheit ausstrahlen, statt unnötige Aufregung zu verbreiten?

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