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Der Reiz von Berlin

XWenn die Fre­quenz in den Laden so wäre wie der Lauf die­se Woche in Ber­lin, dann hät­ten wir weni­ger Pro­ble­me. Man fragt sich fast schon, wo all die Leu­te her­ka­men, die sich auf den Mes­sen und diver­sen Ver­an­stal­tun­gen der Fashion Week her­um­trie­ben. Auf jeden Fall immer noch zu sel­ten aus dem Aus­land, lei­der. Da waren wir vor zehn Jah­ren, in den Anfangs­zei­ten von Bread & But­ter und Pre­mi­um, gefühlt schon mal wei­ter. Wenn es end­lich gelän­ge, die inter­na­tio­na­le Strahl­kraft der deut­schen Metro­po­le für die Mode­indus­trie zu mobi­li­sie­ren, dann hät­te Ber­lin eine Exis­tenz­be­rech­ti­gung, die übers blo­ße Beschnup­pern von Ware und Part­nern im Vor­feld von Düs­sel­dorf hin­aus­geht. Dar­an soll­ten die Ber­li­ner Macher, die deut­sche Indus­trie und – ja – auch die loka­le Wirt­schafts­för­de­rung arbei­ten. In der Haupt­stadt wird alles und jeder sub­ven­tio­niert, da kann man auch mal einen poten­zi­al­träch­ti­gen Wirt­schafts­zweig unter­stüt­zen.

Zugleich fragt man sich manch­mal, wer all die Sachen braucht, die auf Pre­mi­um, Pan­ora­ma, Seek, Bright, Show & Order und den ande­ren Platt­for­men ange­bo­ten wer­den. Dass trotz Dau­er­kri­se und rück­läu­fi­gem Mul­ti­la­bel-Busi­ness jede Sai­son immer noch so vie­le neue Labels auf­pop­pen, zeigt wie dyna­misch und lei­den­schaft­lich das Mode­ge­schäft nach wie vor auch von vie­len Machern betrie­ben wird, die nicht die Sup­p­ly Chain von H&M oder Indi­tex hin­ter sich haben. Lei­der gelingt es den wenigs­ten, mit ihrem Ange­bot aus dem modi­schen Ein­heits­brei her­aus­zu­ra­gen. Da unter­schei­den sich vie­le Mes­se­flu­re lei­der kaum von den Malls und Fuß­gän­ger­zo­nen der Innen­städ­te.

Viel­leicht ist das erhöh­te Ver­kehrs­auf­kom­men in Ber­lin auch ein Kri­sen­sym­ptom. Je schwe­rer der Markt, des­to grö­ßer die Not­wen­dig­keit zu Infor­ma­ti­on und das Bedürf­nis nach Kom­mu­ni­ka­ti­on. Wenn das so gewe­sen sein soll­te, wäre dies ein gutes Zei­chen – man gibt den Kampf nicht auf.

Die zum Mes­se­auf­takt bekannt­ge­wor­de­ne Geschäfts­auf­ga­be von Jaco­bi in Köln war in die­sem Zusam­men­hang so etwas wie eine trau­ri­ge Begleit­mu­sik. Das hat die Gemü­ter vie­ler Fach­händ­ler bewegt. Das Unter­neh­men war kei­ne Refe­renz­grö­ße im Markt, aber eben das letz­te gro­ße fami­li­en­ge­führ­te Haus in der Schil­der­gas­se und nach Han­sen und Sau­er der drit­te Ader­lass in der Dom­stadt bin­nen weni­ger Mona­te. Es ist der Abschluss einer jahr­zehn­te­lan­gen Ent­wick­lung: Mit Aus­nah­me von Mün­chen, wo Soli­tä­re wie Hirm­er, Loden­frey, Konen und Lud­wig Beck nach wie vor den Mode­han­del prä­gen, sind die Fuß­gän­ger­zo­nen der deut­schen Groß­städ­te heu­te prak­tisch zu 100 Pro­zent in Filia­lis­ten­hand.

Den Reiz von Ber­lin macht die Viel­zahl der Ver­an­stal­tun­gen aus – die Mes­sen und Aus­stel­lun­gen, die Schau­en und Awards, die Par­ties und Emp­fän­ge, die inspi­rie­ren­de Gas­tro­no­mie und die sehr leben­di­ge, sich schnell wan­deln­de Laden­sze­ne. Unter den B2B-Events her­vor­zu­he­ben ist wie­der ein­mal der Ber­li­ner Mode Salon. Hier wird die Mode gezeigt, die die Mer­ce­des Benz Fashion Week ger­ne auf dem Lauf­steg hät­te. Letz­te­re ent­wi­ckelt sich lei­der nicht zum Guten. Das Kauf­haus Jan­dorf ist eine coo­le Loca­ti­on, aber kein opti­ma­ler Rah­men für die Mode­schau­en. Kos­ten­grün­de mögen für die Orts­wahl gespro­chen haben, Pubi­kum und Desi­gnern tat man damit kei­nen Gefal­len. Mer­ce­des Benz, das wur­de gemun­kelt, prüft der­zeit sein Ber­li­ner Enga­ge­ment. Der Ver­trag mit Ver­an­stal­ter IMG läuft wohl dem­nächst aus. Als Gast­ge­ber der Fashion Par­ty mit Vogue, seit jeher ein Fix­ter­min der Mode­wo­che, stieg man die­ses Mal aus. Das Kade­We sprang dafür ein. Das Schau­en­spek­ta­kel hat es nie geschafft, Rele­vanz für den Ein­kauf zu ent­wi­ckeln und blieb ganz über­wie­gend eine kläg­li­che Simu­la­ti­on von Paris und Mai­land. Den­noch wür­de der Fashion Week ohne das medi­en­wirk­sa­me Event eine Facet­te feh­len.

Her­vor­zu­he­ben ist schließ­lich die von der Pre­mi­um initi­ier­te FashionTech-Kon­fe­renz. Unab­hän­gig von der Qua­li­tät der ein­zel­nen Inhal­te und der kom­mer­zi­el­len Rele­vanz vie­ler Ideen hat Ani­ta Till­mann intui­tiv ein Zukunfts­the­ma auf­ge­grif­fen, das zur Start up-Metro­po­le Ber­lin passt und das Poten­zi­al hat, lang­fris­tig ein USP der künf­ti­gen Mode­haupt­stadt zu wer­den.

Paris und Mai­land pfle­gen ihr Erbe. Ber­lin ent­wi­ckelt die Zukunft.

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