Tom Ford würde sich im Grabe umdrehen, wenn er nicht noch lebte. Alessandro Micheles Stil-Bruch war erneut Talk of the Town in Mailand und darüber hinaus. Nicht einmal Ikea konnte dem Gucci-Designer die Schau stehlen. Michele ("Es gibt keine Hässlichkeit auf der Welt") macht aus Fords einst heißem Bling Bling ein schräges Balla Balla. Wenn es nicht so auf so einen platten Kalauer hinausliefe, könnte man mutmaßen, es handele sich um eine Referenz an den neuen Gucci-CEO Bizarri. Wie auch immer – Michele liefert einen Kessel Buntes, an dem sich die Modejournalisten abarbeiten können. Was sie mehrheitlich begeistert tun, unterstützt von einer PR-Offensive der Italiener.
Die Einkäufer reagieren dagegen eher ratlos bis ablehnend. Wie sie es in solchen Fällen meistens tun. Aber darauf kommt es gar nicht mehr an. Der Wholesale verliert auch bei Gucci an Bedeutung, wie fast alle großen Designermarken setzt das Unternehmen zunehmend auf Direktvertrieb. Allein im vergangenen Geschäftsjahr wuchs die Zahl der Gucci-Stores um 30 auf über 500. Zudem trägt die Oberbekleidung gerade mal 12 Prozent zum Gucci-Geschäft bei. Und da sind die Parfum- und sonstigen Lizenz-Umsätze noch nicht einmal eingerechnet. Der Löwenanteil des Gucci-Business sind Accessoires, die Michele übrigens schon zu Frida Gianninis Zeiten verantwortete. Auf die Russinnen muss der Designer nun auch keine Rücksicht mehr nehmen, die fallen wegen Putins Politik als Kundengruppe einstweilen aus.
Was der Neue über den Laufsteg schickt, ist demnach weniger umsatzrelevant als imagebildend. Ein Relaunch war angesichts rückläufiger Erträge dringend nötig. Dass der Impuls so heftig ausfällt, zeigt auch, wie alarmiert das Kering-Management offenbar ist. Mit 3,5 Milliarden ist Gucci das Schwergewicht im Portfolio, da darf Francois Henri Pinault nichts anbrennen lassen. Sicher ist zudem: Mit bloß einer zeitgemäßen Interpretation von Fords Sexyness ist in der Aufmerksamkeitskonkurrenz der Marken kein Blumentopf zu gewinnen. Frida Giannini ist damit gescheitert. Als Abfindung durfte sie Patrizio di Marco mitnehmen.
Und sonst?
… Frequenzrückgang allerorten: Selbst auf dem Oktoberfest waren in der ersten Woche 10 Prozent weniger Besucher. Für ein solches Footfall-Minus hat der Einzelhandel fünf Jahre gebraucht. Der Bierkonsum ging allerdings lediglich um 2 Prozent zurück. Es wurde also mehr pro Kunde verkauft und der Durchschnittsbon ist wie eigentlich jedes Jahr gestiegen. Die Conversion Rate dürfte auf der Wies'n nach wie vor bei annähernd 100 Prozent liegen.
… macht sich Wolfgang Grupp nicht mehr zum Affen. Unser Freund Charlie hat ausgesorgt. Trigema-Fans müssen auf den Kult-Spot vor der Tagesschau verzichten. Im neuen Werbeclip geht es um Ökoverträglichkeit und natürlich um 100 Prozent Deutschland-Produktion. Wer hätte gedacht, dass Grupp nochmal der Modernste sein würde.
… hat zumindest Herbert Hainer von Trigema gelernt. Der Adidas-Chef denkt laut über Deutschland-Produktion nach. Wenigstens das Trikot der Fussball-Nationalmannschaft sollte hierzulande genäht werden, so Hainer in der Sport-Bild.
… tritt Ralph Lauren ab. Jedenfalls schreiben das die Zeitungen in ihren Nachrufen. Dabei konzentriert sich der 75jährige nur auf seine Rolle als Chairman. Und baut mit Stefan Larsson einen Nachfolger als CEO auf. Dass der bei H&M und Old Navy, also bei Billigheimern groß geworden ist, kritisieren nun manche Kommentatoren. Als käme es bei Ralph Lauren nicht auch hauptsächlich auf Branding-Kompetenz und Retail-Exzellenz an.
… ist Chris wieder aufgetaucht. Das Merino-Schaf war vor sieben Jahren entlaufen und wurde jetzt im australischen Busch von Wanderern gefunden. Mit über 40 Kilo Wolle am Leib war Chris am Ende seiner Kräfte. Soviel hat noch kein Schaf vor ihm getragen. Die lebensrettende Schur dauerte 42 Minuten.
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