Man hatte nicht viel erwartet vom Auftritt der Bundeskanzlerin gerade eben beim Deutschen Handelskongress. Und ist nicht enttäuscht worden. HDE-Präsident Josef Sanktjohanser hatte die Wünsche des Einzelhandels an die neue Bundesregierung in seiner Eröffnungsansprache gestern skizziert: Mindestlohn – ja, aber bitte nicht flächendeckend. Energiewende – faire Lastenverteilung und nicht Belastung der Haushalte zugunsten von privilegierten Unternehmen. Sozial- und Arbeitsmarktpolitik – keine Aufweichung der Agenda 2010-Reformen. Und Michael Otto hatte die Kanzlerin aufgefordert, bei der geplanten EU-Datenschutz-Reform ihren Einfluss im Sinne einer Neuregelung mit Augenmaß geltend zu machen.
Angela Merkel ging auf einige dieser Punkte ein, ohne etwas Neues zu versprechen: Energiewende – geht weiter. Bürokratieabbau – bleibt eine Aufgabe. Eurokrise – Solidarität ja, aber geknüpft an Reformanstrengungen. Mindestlohn – er kommt wohl, aber die Tarifautonomie soll erhalten bleiben. Sozial- und Arbeitsmarktpolitik – Regulierung im Sinne der Arbeitnehmer ja, aber nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen. Außerdem keine Steuererhöhungen und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, denn "der Handel soll seine Regale gut und rechtzeitig füllen können". Nicht so wie früher in der DDR, möchte man hinzufügen, aber das hatte ja damals nicht mit schlechten Straßen zu tun.
Nur kurz blickte die Kanzlerin von ihrem Manuskript auf und ließ vermeintlich einen Blick in die laufenden Koalitionsverhandlungen zu: "Man verbringt leider das halbe Leben damit, Schlechtes zu verhindern und kommt nicht dazu, etwas Gutes zu machen."
Den Ton hatte vor dem Auftritt der Kanzlerin David Bosshart vom GDI gesetzt: "Erwarten sie viel von sich selbst und möglichst wenig von der Politik. Sie werden so viel glücklicher leben."