Es ist schon bezeichnend, mit welch unterschiedlichen Problemen es die Manager von Karstadt und Kaufhof zurzeit zu tun haben. So haben die Kölner gerade Ärger mit der Kaninchenlobby. Im Frühjahr ging es um Felle, jetzt echauffiert man sich wegen der anscheinend nicht artgerechten Haltung der bei Kaufhof angebotenen Sonntagsbraten. Ob Kaufhof-Chef Lovro Mandac schon mal bei verlassene-pfoten.de, bei sweetrabbits.de oder beim kaninchentreff.de vorbeigeschaut hat? Er sollte sich lieber einen schönen Sommer machen.
In Essen geht es dagegen um definitiv relevante Themen. Die Arbeitnehmervertreter hatten für Mittwoch eine außerordentliche Sitzung des Karstadt-Aufsichtsrats beantragt, um Genaueres über die Zukunft ihres Unternehmens zu erfahren. Spätestens mit Bekanntgabe der Stellenabbaupläne ist die Skepsis in der Belegschaft gewachsen, dass es unter dem neuen Management wieder bergauf gehen wird. Ein Zusammenhang zwischen dem Kostenkürzungsprogramm und dem Ende nächster Woche auslaufenden Sanierungstarifvertrag scheint offensichtlich. So hatte sich die Gewerkschaft das bestimmt nicht vorgestellt, als sie Investor Nicolas Bergruen seinerzeit im Bieterwettstreit um Karstadt unterstützte.
Karstadt-Chef Andrew Jennings sah sich denn auch genötigt, seine Pläne in einer umfangreichen Presseerklärung zu erläutern. Er konkretisiert darin, was er an anderer Stelle bereits angekündigt hat. Er lässt ein paar Markennamen und Personalien purzeln, kündigt eine neue Werbekampagne an und nennt die Daten der Herbst-Eröffnungen. Zur aktuellen wirtschaftlichen Lage von Karstadt erfährt man nichts. "Ab sofort schreibt Karstadt schwarz", darf immerhin der neue Social Media-Berater und Ex-Schalker Hans Sarpei auf Twitter witzeln. Jennings signalisiert lediglich, der strategische Plan 'Karstadt 2015' komme voran. Gleichzeitig stimmt er die Öffentlichkeit auf einen langen Weg ein.
Was soll er auch sagen. Karstadt ist über ein Vierteljahrhundert lang heruntergewirtschaftet worden. Die Firma wird nie mehr zu alter Stärke zurück finden. Sondern Karstadt wird ein anderes Unternehmen werden. Das wird Jennings als CEO nicht mehr erleben. Er kann nur die Weichen richtig stellen. Ob seine Strategie aufgeht, weiß keiner. Es wird gute Gründe dafür geben, dass die vielen neuen Exklusivmarken bislang noch nicht in Deutschland erhältlich gewesen sind. Und das Investitionsprogramm mit vier größeren Umbauten und ein paar Facelifts ist angesichts des riesigen Modernisierungsstaus im Filialnetz bescheiden.
Dass bei Karstadt unter Jennings mehr passiert als zuvor, ist offenkundig, und wahrscheinlich stimmt alles in allem auch die Richtung. Die Frage ist, ob der Markt den Essenern die Zeit lässt. Mehr Tempo heißt aber mehr Geld für Investitionen. Das scheint Nicolas Berggruen nicht ausgeben zu wollen. An dieser Stelle könnte er beweisen, dass er wirklich ein langfristig orientierter Eigentümer ist. In der Presseerklärung heißt es etwas merkwürdig formuliert, "Management und Eigentümer von Karstadt fühlen sich 'Karstadt 2015' langfristig verpflichtet." Was denn nun: Der Strategie oder dem Unternehmen? Und fühlen sie es oder sind sie es? In seinen Gefühlen kann man sich ja schon mal täuschen.
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