In der interessierten Öffentlichkeit gilt seit langem als ausgemacht, dass das Warenhaus keine Zukunft hat. Für diesen Befund spricht vordergründig vieles – nicht zuletzt die Tatsache, dass der Marktanteil von Karstadt und Kaufhof in den letzten Jahren massiv gelitten hat, während kompetente Spezialisten auf der einen und preisaggressive Discounter auf der anderen Seite die Gewinner waren. Das "Alles unter einem Dach" hat dennoch nicht ausgedient. Diese Funktion übernehmen heute die Einkaufszentren. Über 400 Center gibt es mittlerweile in Deutschland, ungefähr so viele, wie es früher hierzulande einmal Warenhäuser gab. Außerdem ist man geneigt, von der Krise des einstigen Warenhausprimus Karstadt auf die Krise einer ganzen Betriebsform zu schließen. Mindestens in dem Maße, wie der Markt gegen Karstadt lief, war Missmanagement für die Misere verantwortlich. Und es ist noch nicht ausgemacht, dass es unter der Regie von Nicolas Berggruen zu einem Happy End in Essen kommt. Dass es neben Karstadt viele Kauf- und Warenhausunternehmen gab, die sich dem Markt perfekt anpassten und in neuer Form prächtig florieren, zeigen etliche ehemalige Kaufring-Häuser, zeigt ein Department Store-Format wie Breuninger, zeigt ein Unternehmen wie Kastner & Öhler.
Vergangene Woche besuchte ich das Kastner & Öhler-Stammhaus in Graz. Martin Wäg, der das Familienunternehmen gemeinsam mit Thomas Böck führt, zeigte mir das im vergangenen Jahr für sagenhafte 40 Mill. Euro umgebaute, wirklich großartige Haus: 40.000 m², davon 20.000 m² für die Mode, daneben 8000 m² Sport sowie ein hochwertiges Wohnen-Sortiment, Schuhe, Taschen, Parfumerie, im UG ein Eurospar-Lebensmittelgeschäft, ein DM-Drogeriemarkt, ein Friseur, ein Optiker bis hin zu Mister Minit – ein Warenhaus, würde man angesichts dieser Aufzählung sagen. Und doch käme keiner auf die Idee, Kastner & Öhler in Graz als solches zu bezeichnen, so elegant, kompetent und klar strukturiert, wie sich das Haus den Kunden zeigt. K&Ö hat früher eng mit Karstadt zusammengearbeitet, erzählte Wäg. "Bis vor 20 Jahren sind wir nach Essen gefahren, um zu lernen. Vor zehn Jahren haben wir uns gefragt, warum wir nach Essen fahren. Zuletzt sind wir gar nicht mehr hingefahren."
Kastner & Öhler konnte den Wandel vollziehen, weil hinter dem Unternehmen eine langfristig orientierte Familie steht und ein Management, das die Fähigkeiten und die Zeit hat, Veränderungen umzusetzen. Es spricht einiges dafür, dass Department Stores dieses Zuschnitts sogar eine Blaupause für die künftige Entwicklung mancher lokaler Platzhirsche sein können, die ihr Geschäft heute noch ausschließlich mit Mode machen.
Bei TextilWirtschaft Online gibt's Fotos von Kastner & Öhler