Minus 2 Prozent, die Bilanz der TW klingt weniger dramatisch als die Lage vielerorts ist. Der BTE spricht sogar nur von 1 Prozent weniger Umsatz. Tatsächlich war 2016 eines der härtesten Jahre fürs Modebusiness, an das selbst altgediente Branchenveteranen sich erinnern können. "Ende September hatten alle das Gefühl, der Untergang des Textileinzelhandels ist nah", zitiert die TW Katag-Chef Daniel Terberger. Gottseidank können Gefühle manchmal täuschen. Wenn viele am Jahresende umsatzmäßig noch mit einem blauen Auge davon gekommen sind, dann ist dies häufig auf exzessiven Rotstift-Einsatz zurückzuführen. Die Renditen sind im Keller. Und die Controller am Drücker. Die Ausgangslage für eine schwungvolle Orderrunde ist jedenfalls nicht besonders rosig. Kommende Woche in Berlin wird man die Sorgenfalten trotzdem wegzulächeln verstehen.
Die Zahlen zeichnen zugleich kein vollständiges Bild. BTE und TW beziehen sich auf das stationäre Geschäft, also schätzungsweise 80 Prozent des Marktes, dahinter steht freilich die überwältigende Mehrheit der Unternehmen und Macher. Wenn diese 80 Prozent 2 Prozent verloren haben, dann reichte den 20 Prozent Online Retailern im Schnitt ein 8 Prozent-Plus, um den Gesamtmarkt ins Plus zu heben. Wo man hinschaut, wächst das Online-Geschäft aber nach wie vor sogar zweistellig. Tatsächlich meldete das Statistische Bundesamt per Ende November ein aufgelaufenes Plus bei Textilien, Schuhen und Lederwaren von 0,9 Prozent, und der Dezember war bekanntlich kein Minus-Monat.
Von einem Wachstumsmarkt traut man sich dennoch nicht zu sprechen. Von einer nachlassenden Nachfrage nach Mode kann zugleich ebenso wenig die Rede sein. Auch ohne Erbsenzählerei ist offenkundig, dass wir es weniger mit konjunkturellen Problemen als mit massiven Kanalverschiebungen zu tun haben.
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Wohin das führt, ist aktuell in den USA zu besichtigen: Dort sorgen große Retailer gerade mit Filialschließungen für Schlagzeilen. Macy's macht landesweit 65 Warenhäuser dicht und streicht 10.000 Jobs. Sears schließt 150 Sears- und K‑Mart-Filialen. Und Limited gibt sein komplettes Stationärgeschäft mit 250 Läden und 4000 Mitarbeitern auf. 2016 waren bereits Aeropostale (über 1000 Stores), American Apparel (250 Geschäfte) und Sports Authority (460 Filialen) in die Knie gegangen.
Natürlich passiert das alles nicht ausschließlich wegen Amazon & Co, sondern ist vielfach Folge von überlebten Konzepten und jahrelangem Missmanagement. Die Online-Konkurrenz macht den Markt für die Stationären aber in rasantem Tempo enger und das Überleben für Underperformer schwerer. Amazon ist mittlerweile der Marktführer im US-Modehandel. Allein im Weihnachtsgeschäft landeten 4 von 10 online ausgegebenen Dollar in Seattle, wie gerade in Etailment zu lesen war. Mit großer Aggressivität stößt der Internet-Gigant in immer neue Geschäftsfelder vor. Vor zwei Jahren hatte man die Drohnen-Auslieferung noch als PR-Gag belächelt. Heute, wo DHL und andere Logistiker Pilotversuche mit den unbemannten Flugobjekten gestartet haben, nimmt man sogar die Meldungen von fliegenden Lagerhäusern Ernst.
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Jeff Bezos war schon bei ihm. Jetzt hat auch Jack Ma seinen Antrittsbesuch bei Donald Trump absolviert. Der künftige US-Präsident scheint ein großer Fan des Alibaba-Gründers ("a great, great businessman, one of the best in the world"). Ma enttäuschte Trump nicht und versprach, eine Million Jobs in den USA zu schaffen. Das heißt, streng genommen will nicht Alibaba die Arbeitsplätze schaffen, sondern das sollen US-Unternehmen tun, die über Mas Marktplatz nach China verkaufen sollen. So geht Plattformkapitalismus heute, und Ma zeigt sich – in Abwandlung von Oettingers Asiaten-Verdikt – als echtes Schlitzohr. Prompt hat gestern auch Jeff Bezos 100.000 neue Stellen bei Amazon angekündigt. Online-Tycon Ma hat sich übrigens gerade die chinesische Handelsgruppe Intime mit 29 Warenhäusern und 17 Einkaufszentren einverleibt. So viel zu den Zukunftsaussichten von Stationär.
Ebenfalls bei Trump war dieser Tage LVMH-Chef Bernard Arnault. Und vergangene Woche das Management von Conde Nast. Ob der neue Präsident ein gutes Wort für Gattin Melania eingelegt hat? Die wird von der US-Hochglanzpresse bekanntlich geschnitten. Vogue-Chefredakteurin Anna Wintour und andere Branchengrößen hatten im Wahlkampf Hillary Clinton unterstützt. Direkt nach der Wahl hat die US-Vogue demonstrativ Michelle Obama auf den Titel gehoben. Ein begeisterter Tweet von Stefano Gabbana, der sich darüber freute, dass die künftige First Lady an Silvester eines seiner Kleider trug, hat zuletzt noch für einen kräftigen Shitstorm gesorgt. Das wird sich legen, und die US-Modeindustrie die Chance eines Models als First Lady nicht ungenutzt lassen. Ein guter Diskussionsbeitrag dazu erschien gerade in der (Jeff Bezos gehörenden) Washington Post.
Nächste Woche wird Mrs. Trump ihren großen Auftritt haben, am 20. Januar bei der Vereidigung ihres Mannes. Für Vogue-Redakteur Andre Leon Talley gibt Melania jetzt schon die modische Richtung vor: "Stellt Euch ein auf schmale Taille, Sanduhr-Silhouetten und Bleistiftröcke."