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"Krise ist im Handel kein neuer Zustand"

Auf einen Kaffee mit... KATAG-Chef Daniel Terberger.

Wie schät­zen Sie die aktu­el­le Lage im Markt ein?

Deut­lich bes­ser als vor sechs oder acht Wochen. Es gilt die alte Regel: Liqui­di­tät vor Ertrag. Inso­fern war der Schlüs­sel­mo­ment für mich, dass es gelun­gen ist, über die Auf­sto­ckung der Bun­des­bürg­schaft auf 100 Pro­zent für Kre­di­te an klei­ne Mit­tel­ständ­ler die Liqui­di­tät vie­ler Ein­zel­händ­ler zu sichern. Zumin­dest 80 bis 90 Pro­zent der KATAG-Händ­ler kom­men damit liqui­di­täts­mä­ßig über die nächs­ten zwölf bis 18 Mona­te. Das hilft frei­lich denen nichts, die schon vor Coro­na ein Pro­blem hat­ten. Aber alle ande­ren Händ­ler, die auf Grund ihres hohen Eigen­ka­pi­tals kei­nes Kre­di­tes bedür­fen oder die ren­ta­blen Händ­ler, die jetzt über den Staat garan­tier­te Kre­di­te bekom­men, sind jetzt in der Lage, min­des­tens zwei Jah­re wei­ter­zu­ma­chen.

Aber ohne Ertrag wird es auf Sicht auch nicht wei­ter­ge­hen.

Natür­lich kommt es jetzt dar­auf an, Wege zu fin­den, die nach vor­ne wei­sen und wie­der Geld zu ver­die­nen. Das muss jeder Unter­neh­mer für sich beant­wor­ten. Nicht jeder wird dabei erfolg­reich sein, aber die Chan­ce ist jetzt für 90 Pro­zent der Händ­ler durch Hilfs­kre­di­te vor­han­den.

Vie­le Fir­men wer­den die­ses Jahr mit 20, 30, 40 Pro­zent weni­ger Umsatz aus­stei­gen. Man­che sind schon bei minus 5 in den roten Zah­len. Wo gibt es noch Poten­zi­al? Es ist ja nicht so, dass der Han­del nicht auch schon vor Coro­na kein Kos­ten­ma­nage­ment betrie­ben hät­te.

Selbst­ver­ständ­lich wur­de auch schon vor Coro­na gespart. Kri­se ist im Han­del kein neu­er Zustand. Coro­na wirkt da in ers­ter Linie als Kata­ly­sa­tor, der Ent­wick­lun­gen in bru­ta­ler Wei­se beschleu­nigt. Aber es gilt zugleich die alte Weis­heit, dass Spa­ren kein Geschäfts­mo­dell ist.

"Für manchen Mittelständler ist das Digitale jetzt zur echten Perspektive geworden"

Was also tun?

Für man­chen Mit­tel­ständ­ler ist bei­spiels­wei­se das Digi­ta­le jetzt zur ech­ten Per­spek­ti­ve gewor­den, zum Bei­spiel im Bereich Buchhaltung/Archivierungsprozesse, Mar­ke­ting über digi­ta­len Con­tent oder ähn­li­ches. Eini­ge haben auch in Win­des­ei­le ein E‑Com­mer­ce-Modell ange­dockt, das etwas Ent­las­tung und Sta­bi­li­tät auf der Umsatz­sei­te gebracht hat. Aber natür­lich gibt es auch vie­le Din­ge, die man sich jetzt ein­fach nicht mehr leis­tet: ein­zel­ne Stand­or­te und Lagen, der Part­ner­s­to­re, mit dem man zu wenig Geld ver­dient, Lie­fe­ran­ten, die nicht part­ner­schaft­lich und des­halb unren­ta­bel sind, und so wei­ter.

Haben loka­le Mit­tel­ständ­ler, die viel­fach in der eige­nen Immo­bi­lie sit­zen, womög­lich jetzt sogar bes­se­re Über­le­bens­chan­cen als so man­cher Filia­list, der die teu­ren City-Lagen nicht mehr bezah­len kann?

Schwer zu sagen. Die­je­ni­gen, die sagen, sie wüss­ten, wie es in zwölf Mona­ten aus­sieht, das sind die­je­ni­gen, die in zwölf Mona­ten wis­sen, war­um es nicht so gewe­sen ist. Aber ich sehe zumin­dest Ansatz­punk­te, die dem Mit­tel­stand struk­tu­rell hel­fen könn­ten.

Näm­lich wel­che?

Da ist zum einen die eige­ne Immo­bi­lie. Es war in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten sicher sinn­voll, Han­dels­ge­schäft und Immo­bi­li­en­be­sitz getrennt zu betrach­ten. Jetzt stellt sich oft her­aus, dass es gut war, die Per­spek­ti­ve, aber nicht das Eigen­tum zu tren­nen. Die Kon­gru­enz der Inter­es­sen ist damit ein­fach anders, als wenn man es mit einem Fremd­ver­mie­ter zu tun hat. Das hat sich in der aktu­el­len Kri­se in jeder Hin­sicht als Vor­teil her­aus­ge­stellt, und das wird vor­erst auch so blei­ben. Ein wei­te­rer Rie­sen-Vor­teil ist, dass der loka­le Kon­sum von den Kon­takt­be­schrän­kun­gen pro­fi­tie­ren wird. Die Leu­te kau­fen vor Ort und fah­ren nicht in die Metro­po­le. Nach mei­ner Wahr­neh­mung gibt es zudem auch eine neue Loya­li­tät gegen­über loka­len Anbie­tern. Die­se Kar­te kann man aus­spie­len. Aber natür­lich wird auf der ande­ren Sei­te ein Ama­zon immer bes­ser. Irgend­wann wird es auch in Erding same day deli­very geben, und damit wer­den neue Preis- und Ser­vice-Maß­stä­be gel­ten.

In der TW habe ich das schö­ne Zitat gele­sen, nach dem in der Bran­che zwar alle in einem Boot säßen, der Fach­han­del aber in einem Gum­mi­boot rude­re, wäh­rend die Indus­trie in der Luxus-Yacht unter­wegs sei.

Das mögen Ein­zel­ne so sehen. Die Indus­trie kann manch­mal zumin­dest den Online-Kanal mit den gro­ßen Markt­plät­zen bes­ser erschlie­ßen. Aber nur, wenn sie eine star­ke Mar­ke hat. Guc­ci kann das, Hugo Boss kann das, aber dann wird es schon eher dünn. Da sind man­che Mar­ken in ihrer Selbst­wahr­neh­mung wei­ter als die Kun­den sie sehen. Im Übri­gen begibt man sich mit den gro­ßen Online-Part­nern in ent­spre­chen­de Abhän­gig­kei­ten. Das Spiel, das frü­her Kar­stadt und Kauf­hof gespielt haben, wie­der­holt sich jetzt mit Zalan­do und Ama­zon. Die Volu­mi­na sind erst mal schön, aber irgend­wann ist es doof, wenn man nicht mehr Nein sagen kann.

"Die Krise hat gezeigt, dass wir die Interessen des mittelständischen Handels noch stärker vertreten müssen"

Das heißt, die Indus­trie soll­te ein Inter­es­se dar­an haben, dass es den Mit­tel­ständ­lern gut geht.

Ja, das soll­te so sein! Vie­le Indus­trie­part­ner han­deln auch so. Es gibt aber auch die­je­ni­gen, die nicht sehr stra­te­gisch den­ken und han­deln, zum Bei­spiel wenn sie einen Finanz­in­ves­tor im Kreuz haben, der bald sei­nen Exit plant. Wenn man von Top-Mar­ken absieht, steht ein mit­tel­stän­di­scher, lokal domi­nie­ren­der Fach­händ­ler in einer deut­schen Mit­tel­stadt stra­te­gisch auf siche­re­rem Grund als eine schein­bar star­ke Mit­tel­mar­ke, der der ren­ta­ble, direk­te Zugang zum End­ver­brau­cher fehlt.

Wir haben über den Markt gespro­chen. Wie geht es der KATAG? Wel­che Per­spek­ti­ven sehen Sie für Ihr Unter­neh­men?

Ich den­ke, dass die Posi­ti­on der KATAG an der Schnitt­stel­le zwi­schen Han­del und Indus­trie durch die Kri­se bestä­tigt wur­de und grund­sätz­lich einen Mehr­wert gezeigt hat. Zugleich haben wir aber auch gelernt, unse­re Leis­tun­gen zu hin­ter­fra­gen und neu zu gewich­ten. Das Feed­back unse­rer Part­ner ist dabei ent­schei­dend.

Was heißt das kon­kret?

Das Digi­ta­le wird wich­ti­ger als das Ana­lo­ge – digi­ta­le Ver­wal­tungs­pro­zes­se, digi­ta­ler Con­tent, digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on und damit schnel­le Ent­schei­dungs­pro­zes­se – das hat sicher­lich an Bedeu­tung gewon­nen. Finan­zi­el­le Sta­bi­li­tät hat sich auch und gera­de in Coro­na-Zei­ten als wei­ter wich­tig erwie­sen. Die Zen­tral­re­gu­lie­rung ist natür­lich für Han­del wie Indus­trie wich­ti­ger gewor­den. Im Waren­ge­schäft wird man sicher­lich noch stär­ker abwä­gen müs­sen, was der Markt braucht und was nicht. Da wer­den wir noch Kol­lek­tio­nen und Mar­ken berei­ni­gen müs­sen, das ist ganz klar. Sicher wird der Bereich poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on und Öffent­lich­keits­ar­beit noch an Bedeu­tung gewin­nen. Die Kri­se hat gezeigt, dass wir die Inter­es­sen des mit­tel­stän­di­schen Han­dels noch stär­ker ver­tre­ten müs­sen. Das koor­di­nier­te Han­deln auf unse­rer Platt­form in Form von ver­bind­li­chen Leit­li­ni­en, die den ein­zel­nen Unter­neh­men Ori­en­tie­rung bei der indi­vi­du­el­len Ent­schei­dung bie­ten, haben sich in der Kri­se als sehr wert­voll her­aus­ge­stellt.

Die Zah­lungs­ga­ran­tie hat Ihnen als KATAG-Inha­ber mit dem Shut­down doch bestimmt am meis­ten Kopf­zer­bre­chen ver­ur­sacht.

Ja, das war ein wich­ti­ger Punkt. Des­halb war die Ent­schei­dung über die 100 Pro­zent-Bun­des­bürg­schaft für nahe­zu alle KATAG-Händ­ler für mich ja auch der Schlüs­sel­mo­ment in der Kri­se. Die Zah­lungs­strö­me sind dann übri­gens sehr viel sta­bi­ler gewe­sen, als wie vor sechs Wochen geplant haben. Das ändert nichts dar­an, dass wir uns rigo­ros von den­je­ni­gen tren­nen, die man sonst viel­leicht noch irgend­wie durch­fi­nan­ziert hät­te. Ich rech­ne damit, dass wir in der Zen­tral­re­gu­lie­rung kurz­fris­tig etwa 10 Pro­zent der Part­ner auf­ge­ben müs­sen. Zum guten Teil haben wir dies bereits voll­zo­gen. Und dann wird es womög­lich noch­mal 10 Pro­zent geben, die mit­tel­fris­tig schei­tern wer­den, weil sie es nicht schaf­fen, wie­der ren­ta­bel zu arbei­ten und Kre­di­te zurück­zu­füh­ren. Die­ser Pro­zess wird in der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on sicher beschleu­nigt.

"Wer über Jahre gut gewirtschaftet hat, hat jetzt auch die Substanz, um diese Krise zu überstehen"

Wo nimmt die KATAG als Ver­bund­grup­pe denn dann ihr Wachs­tum her? Wenn Sie mal fünf Jah­re wei­ter­den­ken…

Uns wer­den neue Leis­tun­gen unse­rer Platt­form sowohl auf Händ­ler- wie auch auf Indus­trie­sei­te zu Wachs­tum ver­hel­fen. Es gibt außer­dem schon noch gro­ße Play­er im Markt, die nicht mit uns arbei­ten.

Die sind sicher­lich am ehes­ten an der Zen­tral­re­gu­lie­rung inter­es­siert. Ist es vor­stell­bar, dass Sie eines Tages auf das Waren­ge­schäft ver­zich­ten?

Natür­lich den­ken wir unter­neh­me­risch stän­dig über alles nach. Das ist auch unser Job. Die Ware ist aber eines von meh­re­ren beson­ders wich­ti­gen Kern­ge­schäf­ten. Die Kapi­tal­bin­dung ist aber schon enorm, damit lie­ße sich auch ande­res machen. Die Ware bleibt für uns wich­tig, weil es auch Part­ner gibt, für die das wich­tig ist. Aber wir wer­den das sicher neu jus­tie­ren.

Liegt hier ein Grund für den Abschied von Ange­li­ka Schind­ler-Oben­haus aus dem KATAG-Vor­stand?

Sie hat bei uns einen tol­len Job gemacht und für vie­le The­men den Weg nach vor­ne gezeigt. Neh­men Sie das The­ma Nach­hal­tig­keit. Oder auch den Ein­satz von Insta­gram. Jede Ver­än­de­rung bringt aber für bei­de Sei­ten die Chan­ce, neue Akzen­te zu set­zen.

2020 ist für vie­le jetzt schon ein ver­lo­re­nes Jahr.

Vom Ertrag her ist dies wahr­schein­lich rich­tig. Auch wenn eine Pro­gno­se sehr schwer ist, ope­ra­tiv haben wir sicher durch Son­der­ge­schäf­te im Bereich Mas­ken und bei den Betei­li­gun­gen eine Men­ge kom­pen­sie­ren kön­nen. Davon wer­den wir stra­te­gisch sicher erheb­lich pro­fi­tie­ren kön­nen.

Damit gehör­ten Sie zu den ver­mut­lich weni­gen Glück­li­chen.

Ich bin kei­nes­wegs sicher, aber die Chan­cen sind sehr intakt. Letzt­lich zäh­len jetzt auch die Ver­diens­te der Ver­gan­gen­heit, das Eigen­ka­pi­tal. Wenn ich über Jah­re gut gewirt­schaf­tet habe, dann habe ich jetzt auch die Sub­stanz, um die­se Kri­se zu über­ste­hen. Da bin ich mei­nem Vater und allen Vor­gän­gern sehr dank­bar, dass sie mir mit ihrer Vor­sicht und Spar­sam­keit eine gute Aus­gangs­la­ge ver­schafft haben.

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