Donald, Du gehörst ja zu den international renommierten Kreativen, bewegst Dich seit 30 Jahren in der Branche, hast Dir insbesondere mit Collabs einen Namen gemacht. Du kennst das Modebusiness also gut. Das hat Dich nicht abgeschreckt, mit ELHO selbst ins Bekleidungsgeschäft einzusteigen?
Nein. Das war eine spannende Chance. Das hat mich einfach sofort auf ganz vielen Ebenen begeistert.
Du bist Schweizer, von daher hast Du womöglich eine besondere Beziehung zum Skisport. Der gilt allerdings nicht gerade als Wachstumsmarkt. Stichwort: Klimawandel, Schneemangel.
Ach weißt Du, ich schaue gerne da hin, wo andere nicht so hinschauen. Das ist in der Mode eher selten, denn da rennen die meisten dem hinterher, was gerade angesagt ist. Ich habe damals überlegt, was könnte als Nächstes kommen, nach Athleisure. Ich war und bin felsenfest überzeugt, dass das eine Verbindung ist von Outdoor und Mode. Meine Partnerin Claudia Hofmann, die ja Designerin und Stylistin ist, und ich haben uns gefragt: Warum sieht eigentlich viele Outdoorbekleidung so schlecht aus? Die Farben tun weh, die Schnitte sind uninspirierend. Funktional ist es zwar super, aber warum kann das nicht trotzdem stylish aussehen?
Jetzt wollt Ihr es besser machen.
Ich habe vor Jahren sogar mal eine Präsentation für Jack Wolfskin gemacht, aus Eigeninitiative, und denen eine Collab vorgeschlagen, mit Balmain oder Gucci oder so. Der Marketingchef dort hat mir den Vogel gezeigt, von wegen ‚Wir sind Outdoor, nicht Mode‘. Zwei Jahre später kam Gucci & The North Face. Da fanden es dann plötzlich alle spannend.
Und wie kamt Ihr dann zu ELHO?
Das ist eine Marke mit einer unglaublichen Heritage und Seele, auch wenn die jetzt 25 Jahre lang geschlafen hat. Aber es gibt immer noch Menschen, die es kennen. Der Name ist positiv besetzt. Es schien uns jedenfalls viel erfolgsversprechender, auf eine Marke zurückzugreifen, die es bereits gab, als eine völlig neue zu erfinden.
Es geht um Performanceprodukte für den Alltag.
Das ist genau die Idee. Unser erster Fokus ist Performance. Die Produkte müssen am Berg funktionieren, im Schneesturm bei minus 20 Grad. Aber es geht ebenso um visionäres Design. Die Sachen sollen so cool aussehen, dass sie auch in der Stadt überzeugen.
"Das Desire, ELHO haben zu wollen, das baut man nicht mal über Nacht so auf, das braucht Zeit und nicht nur eine Saison. Wir wollen unsere Marke zudem protecten und machen nicht jeden Deal."
Claudia Hofmann und Du, Ihr macht ELHO nicht allein, sondern Ihr habt ein Team aufgebaut.
Wir sind ein kleines Team, das von Berlin und Zürich aus operiert. Product Development und Administration sind in der Schweiz, alle anderen Functions in Berlin. Wir sehen uns als Schweizer Marke, ganz bewusst. Ich selbst bin Schweizer, unser Ambassador Andri Ragettli, der Freestyle Ski Champion, ist Schweizer. Wir haben bewusst die Art Capsule mit dem Estate vom legendären Künstler Jean-Michel Basquiat gemacht, den ich aus meiner Zeit in New York kannte und mal mit ihm in der Schweiz war. Was viele nicht wissen, dass er regelmäßig in St. Moritz war.
Ursprünglich ist ELHO eine deutsche Marke.
Stimmt. Ich wusste das aber nicht. Ich dachte früher immer, das sei eine amerikanische Brand. Schon allein das iconic ELHO Logo sieht eher italienisch oder französisch aus.

Seit Oktober 24 seid Ihr nun am Markt. Wie ist die erste Wintersaison gelaufen?
Wir hatten einen guten Start. Natürlich haben wir da keine Vergleichserfahrung. Wir haben auf jeden Fall viel Aufmerksamkeit erhalten. Wir arbeiten im Vertrieb mit der Agentur Melagence zusammen, die ja auch Arc‘teryx Veilance vertreten. Wir sind in der ersten Saison schon in 20 Läden reingekommen, darunter Adressen wie Breuninger oder BSTN. Mir haben seither viele gesagt, das sei sehr outstanding für einen Newcomer.
Und wie ist das Feedback aus dem Handel, was den Abverkauf angeht?
Wir haben in einigen Läden gut verkauft, in anderen weniger. Das Desire, ELHO haben zu wollen, das baut man nicht mal über Nacht so auf, das braucht Zeit und nicht nur eine Saison. Wir wollen unsere Marke zudem protecten und machen nicht jeden Deal.
Auf die Zukunft gerichtet: Was wird die größte Challenge für ELHO?
Bekannt zu werden, und das ohne Riesen-Budget. Wir sind nicht Puma oder Adidas. Es geht darum, unsere Kunden zu finden und Conversion zu generieren. Unser Fokus ist D2C, weil wir da die Markenexperience besser kontrollieren können. Im Wholesale fragt man uns oft‚ seid Ihr Outdoor oder seid Ihr Mode?‘. Wir sind eben genau beides, das ist die Zukunft!
Kommunikation ist ja Dein Metier. Du wirst als Erfinder der Designer Collab-Idee gehandelt. Magst Du überhaupt noch auf Deinen Geniestreich Lagerfeld@H&M angesprochen werden?
Klar. Ich hatte damals meine Kreativagentur in Paris und machte Kampagnen für Chloé, Dior, Karl Lagerfeld. Irgendwann kam H&M, das war natürlich faszinierend. Vorher hat man meine High Fashion-Kampagnen eigentlich nur in Vogue und Harpers Bazaar gesehen. ‚Normale‘ Menschen haben das ja gar nicht zu Gesicht bekommen. Ich musste meiner Familie dann nichts mehr zeigen, sondern sie haben meine Kampagnen plötzlich überall gesehen, im Fernsehen und auf Plakatwänden, überall.
Wie kam es dann zu der Designer Collab-Idee?
Die klassische H&M‑Werbung zu machen, hat mich offen gesagt irgendwann mal etwas gelangweilt. Das waren halt immer Super-Models vor weißem Hintergrund, was für einen Art Director jetzt nicht so spannend ist. Ich wollte gerne mal etwas machen, wo die Leute nicht nur über den Namen des Super-Models reden, sondern über die Kleidung. Ich wollte, dass wir das viele Geld, das wir den Models bezahlen, einem Designer geben, der damit eine Kollektion macht.
"Mein Gesprächspartner bei H&M meinte, Lagerfeld redet doch gar nicht mit uns. Da sagte ich: ‚Aber er redet mit mir!‘ Karl hat dann keine zehn Sekunden gebraucht, um die Idee zu verstehen."
Wie fanden die Schweden das?
Es hat ein wenig gedauert, von wegen ‚Wir machen doch das Design‘. Aber nach ein paar Tagen hat mich der damalige Brand Manager zurückgerufen und gefragt: ‚Wie stellst Du Dir deine Idee genau vor?‘. Ich habe dann gesagt, es braucht einen großen Namen und habe Karl Lagerfeld vorgeschlagen. Mein Gesprächspartner bei H&M meinte, der redet doch gar nicht mit uns. Da sagte ich: ‚Aber er redet mit mir!‘ Karl hat dann keine zehn Sekunden gebraucht, um die Idee zu verstehen.
Fand er das einfach amüsant? Oder hat er sich bereits auf der ganzen Welt plakatiert gesehen?
Ich habe gefragt: ‚Karl, kennst Du H&M?‘. Und er meinte: ‚Klar, das tragen alle meine Assistenten‘. Er hat dann sofort gesagt: ‚Deine Idee ist genau die Zukunft. In Zukunft wird es nur noch High und Low geben.‘
Er hatte keine Angst, dass sein Image als exklusiver Designer beschädigt wird?
Nein. Er hat das strategisch gesehen. Er hatte High mit Chanel und Fendi. Und das hier war die Chance für Low. Er hat mir dann beim Rausgehen nachgerufen: ‚Donald, ich habe da noch eine Frage‘. Da habe ich gedacht: ‚Oje, jetzt ruft er bestimmt zehn Millionen oder so auf und dann fällt alles auseinander‘. Er wollte aber nur wissen, ob ich schon mit einem anderen Designer über die Idee gesprochen habe. Nein, und ich bin sicher, wenn ich damals Marc Jacobs oder Tom Ford gefragt hätte, dann hätten sie mich gefragt ‚Hat das schon mal jemand gemacht?‘. Und mir dann abgesagt. Karl aber war mutiger und sagte: ‚Super. Dann machen wir es‘.
Wahrscheinlich, weil er eh gemacht hat, was er wollte. Jeder andere hätte erstmal Herrn Arnault oder Herrn Pinault fragen müssen, und die hätten das untersagt.
Auf jeden Fall.
Jetzt sind über 20 Jahre vergangen. Ich glaube, ich muss Dich trotzdem nicht fragen, ob sich der Kniff nicht langsam totläuft?
Ich bin nach wie vor ein großer Verfechter von Collaborations, mehr denn je. Früher gab es globale Statement-Kampagnen, sechs sieben Motive, mit denen man die ganze Saison bestritten hat. Heute macht man das nicht mehr, das würde die Leute sofort langweilen.
Zumal alle auf die gleichen Models gegangen sind. Ich war vor Jahren mal in Peking. Da war die halbe Stadt mit Kate Moss plakatiert, die für drei verschiedene Marken geworben hat.
Richtig. Heute muss man zudem täglichen Content bieten. Das muss kosteneffizient sein. Aber über das tagtägliche Social Media-Futter redet keiner mehr. Das klickt man schnell durch. Worüber aber reden die Leute? Über Cavalli x Skims mit Kim Kardashian. Worüber reden die Leute bei Marc O’Polo?
Zum Beispiel über Toni Kroos.
Genau. Da kann mir keiner erzählen, dass das langweilig wird. Die Collabs sind die Statement-Kampagnen von heute. Es ist die effektivste Art um Aufmerksamkeit und Begehrlichkeit zu erzeugen. Früher gab es gute und schlechte Kampagnen, genauso ist das heute mit Collabs. Die Guten sind mega effektiv!
Auf welche andere Idee – neben Karl Lagerfeld & H&M bist Du besonders stolz?
Was gut geklappt hat, war David Beckham x H&M. Das war nicht nur für eine Saison, sondern hat über Jahre funktioniert. Es haben aber auch einige meiner Ideen nicht funktioniert. Ich habe mich zum Beispiel früh für K‑Pop begeistert und wollte die damaligen Superstars Big Bang unbedingt für H&M gewinnen, für eine weltweite Collab. Sie waren damals die Superstars, wurden ausgestattet von Chanel, Tom Ford und so weiter. Aber die Collab kam dann leider nicht zustande, weil zwei der fünf Sänger zum Militärdienst mussten.
"Zwei Namen zusammenbringen, das reicht nicht. Die Idee ist wichtig, das Produkt ist wichtig, das Timing ist wichtig."
Und welche Kollaboration hättest Du selbst gerne erfunden, weil sie Dich so beeindruckt hat?
Super fand ich Omega x Swatch. Darauf wäre ich gerne gekommen.
Die Omega-Leute fanden aber nicht so toll, dass es ihre Moon Watch auf einmal in Plastik gab. Ist halt derselbe Konzern.
Die Chanel-Leute fanden die Karl Lagerfeld x H&M‑Idee auch nicht so toll. Aber beide Seiten profitieren schlussendlich bei einer guten Collab davon.
Manche Anbieter versuchen aus einer Collab ein Dauergeschäft zu machen. Das geht entweder von den Stars aus – Kardashian & Co, alle Hiphop-Stars – oder Anbieter wie About You sind die Treiber mit Marken wie LeGer von Lena Gercke. Was hälst Du von Celebrity-Kollektionen?
Es gibt solche und solche. Der unglaubliche Erfolg von Moncler mit seinem Collab-System beweist doch alles! Es muss halt gut gemacht sein. About You kam seinerzeit zu uns, weil sie was Internationales machen wollten. Ich habe dann Kendall Jenner gewinnen können. Sie hat natürlich gekostet, aber es hat auch entsprechend gigantische Resonanz gebracht. Zwei Namen zusammenbringen, das reicht allerdings nicht. Die Idee ist wichtig, das Produkt ist wichtig, das Timing ist wichtig. Aber am wichtigsten ist die ausgeklügelte 360° Aktivierung. Früher war alles auf ein paar Monthlies ausgerichtet. Heute, mit Influencer und Social Media etc., ist das ungleich komplizierter und vielfältiger geworden.
Was hälst Du von Birkenstock & Lego, von Balenciaga & Ikea, von Moncler & Haribo?
Weiss nicht.
Die gibt’s noch gar nicht. Das sind Vorschläge von ChatGPT.
(Lacht)
Hast Du Sorge, dass KI einen Markenkommunikator wie Dich überflüssig machen könnte?
Wir benutzen KI natürlich auch bei unseren Arbeitsprozessen und ich finde das superspannend. Ich bin kein Digital Native, und froh, dass ich noch weiß, wie es vorher war. Ich denke, die menschliche Komponente wird immer wichtig bleiben, wenn es um Kreativität geht. Mich interessieren neue Sachen. Ich komme aus einer Erfinder-Familie. Mein Vater, mein Großvater waren Erfinder.
Tatsächlich? Was haben die erfunden?
Mein Großvater hat eine Jute-Spinnmaschine erfunden, die er auf der ganzen Welt installiert hat. Mein Vater hat einen Vliesstoff – Royalin – entwickelt, der damals vor allem in Krankenhäuser eingesetzt wurde. So erfinde ich auch immer gerne Sachen und überlege ständig, was kann ich neu machen, was kann ich anders machen?
"Die Modestadt Berlin hat meiner Meinung nach eine Riesen-Chance verpasst. Was Kopenhagen heute macht, hätte Berlin machen können: voller Fokus auf Nachhaltigkeit."
Du hast es eben schon mal angesprochen. Wie schaust Du auf die Entwicklung der Modemedien?
Ich war ja lange Jahre Directeur Artistique bei der Vogue in Paris. Da floss alle Energie in ein gedrucktes Heft, und wir haben mit den Besten der Besten zusammengearbeitet. Einmal im Monat hat man sich wie bei den Olympischen Spielen an den anderen gemessen, der italienischen Vogue, Harpers Bazaar und so weiter. Wenn da ein neues Model, ein neuer Fotograf, ein neuer Designer auftauchte, dann spürte man instinktiv: Da beginnt was Neues. Heute fehlt mir diese Autorität. Früher konntest Du eine halbe Stunde pro Monat am Kiosk verbringen und warst top up to date. Heute surfst Du von morgens bis abends im Netz und bist am Ende immer noch nicht schlauer. Oder schau Dir die Entwicklung bei den Modenschauen an. Es geht nicht mehr darum, was da gezeigt wird. Sondern die Influencer nutzen das Event nur noch zur Self-Promotion. Das finde ich schade. Aber ich will jetzt auch nicht der Alte sein, der über die Jugend schimpft. Mich interessiert wie gesagt, immer das, wo die anderen nicht so hinschauen.
Du hast in New York gelebt, lange in Paris gearbeitet und bist dann vor Jahren nach Berlin gezogen. In den Nullerjahren gab es dort einen vielversprechenden Aufbruch. Wie schaust Du heute auf die Entwicklung?
Ich liebe Berlin. Die Stadt wird allerdings leider immer teurer, aber nicht unbedingt besser. Es gilt nicht mehr ‚arm und sexy‘, sondern ‚teuer und unsexy‘.
Und die Modeszene?
Die Modestadt hat meiner Meinung nach eine Riesen-Chance verpasst. Was Kopenhagen heute macht, hätte Berlin machen können: voller Fokus auf Nachhaltigkeit.
Wobei Nachhaltigkeit bei der Fashion Week schon thematisiert wird.
Ja, aber Kopenhagen setzte alles auf die Nachhaltigkeit. Bei denen kommt die ganze Welt vorbei. Das hätte man in Berlin machen können und noch viel grösser. Das hätte man der Stadt auch abgenommen. Aber irgendwie hat Berlin versucht, ein neues Paris oder Mailand zu werden. Was niemals passieren wird.