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"KI ersetzt nicht das Denken"

"Unternehmen, die KI nicht nutzen, werden langfristig nicht konkurrenzfähig sein", sagt Dominic von Proeck im SUITS.Talk. Der Co-Gründer von Leaders of AI hilft Managern ins KI-Zeitalter. „Man muss als Führungskraft verstehen, dass einem KI nicht die Denkarbeit abnimmt.“

Alle Welt redet von Künst­li­cher Intel­li­genz. Zum Teil geht das auch ziem­lich durch­ein­an­der. Wor­über reden wir da?

KI ist eigent­lich ein alter Hut. Seit 70 Jah­ren wird dar­an geforscht. Einer brei­ten Öffent­lich­keit prä­sent ist das The­ma seit dem Launch von ChatGPT gewor­den. Das hat KI für alle zugäng­lich gemacht. Wer mit Whats­App umge­hen kann, kann auch die­se neue Art der KI bedie­nen. ChatGPT steht für eine gan­ze Gat­tung einer neu­en KI, und zwar der soge­nann­ten gene­ra­ti­ven KI, also Tech­no­lo­gie, die etwas für den Men­schen erstellt. Sei­en das Tex­te, sei­en das Bil­der, sei­en das Vide­os. Das hat für sehr viel Unru­he gesorgt, im posi­ti­ven wie in man­chen Aspek­ten auch im Nega­ti­ven.

Nun treibt gera­de die Tech-Sze­ne regel­mä­ßig eine neue Sau durchs Dorf. Wer redet heu­te noch vom Meta­ver­se? Nvi­dia und ande­re Tech-Akti­en sind gera­de abge­sackt. Kann es sein, dass die Anfangs­eu­pho­rie, die es um das The­ma KI gab, inzwi­schen wie­der nach­lässt?

Da hast du abso­lut recht, das ist in den letz­ten Mona­ten durch die Pres­se gegan­gen. Ein befreun­de­ter Autor hat gera­de eine Absa­ge von sei­nem Ver­lag für ein neu­es KI-Buch erhal­ten. Man möch­te das kurz auf Eis legen, um zu sehen, ob sich KI wirk­lich durch­setzt. Ich glau­be, wir haben uns selbst ein biss­chen kon­di­tio­niert in den letz­ten 18 Mona­ten, in denen ein KI-Tool nach dem ande­ren raus­ge­kom­men ist. Allein 2023 waren es über 4000. Selbst wir Exper­ten sind nicht in der Lage, das alles auf dem Schirm zu haben. Und ehr­li­cher­wei­se muss man sagen, dass KI von vie­len auch als Wun­der­pil­le ver­kauft wird. Das ist ein gro­ßes Pro­blem, denn es ist mit­nich­ten so, dass man zwei‑, drei­mal klickt und dann hat man plötz­lich 25 Pro­zent Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­rung. Aber mit die­ser Erwar­tungs­hal­tung pro­bie­ren Unter­neh­men Anwen­dungs­fäl­le aus und sind dann sehr schnell ent­täuscht. Wir sehen das ein biss­chen anders, weil wir tag­täg­lich mit­krie­gen, wie Unter­neh­men KI bereits effek­tiv ein­set­zen. Und was das Meta­ver­se angeht: Der größ­te Unter­schied zum Meta­ver­se ist, dass die Schü­ler ChatGPT nicht mehr her­ge­ben wer­den, weil das so fan­tas­tisch die Haus­auf­ga­ben löst.

Es gibt ja die The­se, dass Men­schen dazu nei­gen, die Aus­wir­kun­gen einer Tech­no­lo­gie anfangs zu über­schät­zen, auf lan­ge Sicht aber zu unter­schät­zen. Müs­sen sich alle Unter­neh­men zwin­gend mit KI aus­ein­an­der­set­zen?

Es gibt ein­fach einen rie­si­gen Wett­be­werbs­vor­teil. Unter­neh­men, die die­se Tools nicht nut­zen, wer­den lang­fris­tig nicht mehr kon­kur­renz­fä­hig sein. Nicht zuletzt kann KI eine Lösung gegen den Fach­kräf­te­man­gel sein bezie­hungs­wei­se die­sen wenigs­tens auch ein Stück weit abfe­dern hel­fen.

"ChatGPT und andere Tools sind wie ein Praktikant zu sehen, der frisch von der Uni kommt. Der muss geführt und an die Hand genommen werden."

Wir wol­len ja spe­zi­ell über KI im Manage­ment spre­chen. Denn das ist unser bei­der The­ma. Wel­che Rol­le spielt künst­li­che Intel­li­genz dort heu­te bereits?

Wir erle­ben Vor­stän­de, die sagen, du pass auf, ich habe in der FAZ gele­sen, Mar­ke­ting brau­chen wir nicht mehr, macht alles die KI, wir schmei­ßen die Leu­te raus, über­spitzt gesagt. Und auf der ande­ren Sei­te gibt es die­je­ni­gen, die sagen, ich habe das Inter­net über­lebt, KI brau­che ich mir jetzt auch nicht mehr antun, ich schaf­fe es auch so bis zur Ren­te. Und dazwi­schen gibt es ein rie­sen­gro­ßes Spek­trum an Mei­nun­gen und Ein­stel­lun­gen. Wir ste­hen am Anfang eines unfass­ba­ren Chan­ge-Pro­zes­ses. Die Her­aus­for­de­rung für Füh­rungs­kräf­te ist jetzt, die Mit­ar­bei­ter an die Hand zu neh­men und Ihnen Ori­en­tie­rung in Sachen KI geben zu kön­nen.

Was sind denn die künf­ti­gen Ein­satz­mög­lich­kei­ten und Poten­zia­le?

Gene­ra­ti­ve KIs wie ChatGPT und ande­re Tools sind eigent­lich wie ein Prak­ti­kant zu sehen. Der kommt frisch von der Uni, bringt metho­di­sches Wis­sen mit, kennt aber das Unter­neh­men noch nicht so gut, und hat viel­leicht noch nicht die Vor­stel­lung, wie wir sie haben für gewis­se Auf­ga­ben. Der muss geführt und an die Hand genom­men wer­den. Ähn­lich wie wir einem Men­schen Auf­ga­ben dele­gie­ren, so müs­sen wir auch den „Prak­ti­kan­ten“ KI trai­nie­ren. Der ist bei­spiels­wei­se in der Lage, gro­ße Men­gen von Daten, die wir im Unter­neh­men haben, zusam­men­zu­tra­gen und nutz­bar zu machen. Du kennst ja das Bon­mot: „Wenn wir wüss­ten, was wir im Unter­neh­men wis­sen, dann könn­ten wir drei­mal erfolg­rei­cher sein.“ Wir spre­chen auch von Chat­bots, die uns bei all­täg­li­chen Auf­ga­ben unter­stüt­zen. Das kön­nen Din­ge sein, wie Mee­tings, die von der KI auf­ge­zeich­net und auto­ma­tisch pro­to­kol­liert den Teil­neh­mern zuge­schickt wer­den.

So wie übri­gens unser Inter­view, das ich durch Fire­f­lies auf­neh­men und tran­skri­bie­ren las­se. Was frü­her vier oder fünf Stun­den gedau­ert hat, wer­de ich dadurch hof­fent­lich in einer oder zwei erle­di­gen kön­nen.

Genau. In unse­rem Unter­neh­men haben wir bei­spiels­wei­se die kom­plet­ten Social Media-Akti­vi­tä­ten – also alle Pos­tings auf Lin­ke­dIn, Insta­gram, Face­book bis hin zum News­let­ter – kom­plett auto­ma­ti­siert. Das wird von der KI pro­du­ziert, und unser Head of Mar­ke­ting schaut ledig­lich am Ende drauf, ob alles passt.

Das heißt kon­trol­lie­ren muss schon noch einer.

Natür­lich. Ein Prak­ti­kant muss auch geführt wer­den. Kei­ner wür­de eine von einem Ein­stei­ger for­mu­lier­te Pres­se­mel­dung unge­le­sen an die dpa raus­ge­ben. Ent­spre­chend sind Füh­rungs­kräf­te und die Füh­rungs-Skills gefrag­ter denn je.

Wie ver­än­dert KI die Art und Wei­se, wie Füh­rungs­kräf­te ihre Teams füh­ren?

Wenn man die Prak­ti­kan­ten-Meta­pher mal ver­stan­den hat, gar nicht mal so sehr. Wir wer­den Stück für Stück mehr in eine hybri­de Orga­ni­sa­ti­on lau­fen, in eine Koexis­tenz von Men­schen und künst­li­cher Intel­li­genz. Du kennst ja sicher die vier Ds der Auto­ma­ti­sie­rung. Die ste­hen für „dan­ge­rous“, „dear“, „dull“ und „dir­ty“. Es geht um Auf­ga­ben, die gefähr­lich sind, die zu teu­er sind, wenn sie ein Mensch macht, die in irgend­ei­ner Form schmut­zig sind oder die ein­fach total lang­wei­lig und Rou­ti­ne­auf­ga­ben sind. Dafür wird man künf­tig den KI-Prak­ti­kan­ten ein­set­zen.

"Wir müssen nach wie vor selbst wissen, wo wir hinwollen. Einzigartigkeit und Außergewöhnliches sucht man in der KI gerade noch vergebens."

Wie kann KI den krea­ti­ven Aspekt von Manage­ment för­dern oder hem­men?

Man muss als Füh­rungs­kraft ver­ste­hen, dass einem KI nicht die Denk­ar­beit abnimmt, son­dern dass die Tech­no­lo­gie ein span­nen­der Spar­rings­part­ner sein kann. Ich sit­ze auch oft abends da, wenn wir Stra­te­gien aus­ar­bei­ten oder neue Kon­zep­te erar­bei­ten, und gehe, nach­dem ich mir gro­be Gedan­ken gemacht habe, mit KI in den Aus­tausch, um mei­ne Ideen, mei­ne Her­an­ge­hens­wei­sen zu hin­ter­fra­gen. Aber die Grund­ideen soll­ten schon vom Men­schen kom­men. Wir müs­sen nach wie vor selbst wis­sen, wo wir hin­wol­len. Ein­zig­ar­tig­keit und Außer­ge­wöhn­li­ches sucht man in der KI gera­de noch ver­ge­bens.

Wel­che Kom­pe­ten­zen soll­ten Mana­ger ent­wi­ckeln, um in einer von KI gepräg­ten Zukunft erfolg­reich zu sein?

Wir bil­den jetzt seit Febru­ar letz­ten Jah­res Mana­ger aus im Umgang mit KI. Und wir haben fest­ge­stellt, dass die­je­ni­gen, die sehr gute Füh­rungs­kräf­te sind, auch beson­ders gut im Umgang mit den Tools sind. Denn was macht eine gute Füh­rungs­kraft aus? Zunächst kla­re Kom­mu­ni­ka­ti­on. Die sind sehr gut dar­in, Anfor­de­run­gen zu beschrei­ben, Auf­ga­ben zu dele­gie­ren, Feed­back zu geben. Und die sind sehr gut dar­in, Men­schen wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, so wie die KI wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den muss. Die KI macht auch nicht alles im ers­ten Schritt per­fekt. Es gibt zugleich immer noch Füh­rungs­kräf­te, die manch­mal ver­ges­sen, dass auch sie Teil des Ver­än­de­rungs­pro­zes­ses sind und die­sen nicht nur von oben steu­ern. Die müs­sen sie sich natür­lich eben­so mit der KI aus­ein­an­der­set­zen, um ein Gefühl für die Mög­lich­kei­ten zu ent­wi­ckeln.

Lus­tig, dass wir im Zusam­men­hang mit Manage­ment Skills jetzt über künst­li­che Intel­li­genz spre­chen, wo doch zuletzt von der stei­gen­den Bedeu­tung von emo­tio­na­ler Intel­li­genz die Rede war, nicht wahr?

Ja, und die bleibt wich­tig. Im Zeit­al­ter der KI geht es noch mehr als bis­her um Kol­la­bo­ra­ti­on. Auch dafür steht das K in KI. Die Stu­di­en­la­ge gibt uns auch im emo­tio­na­len Umgang mit der KI recht. Wenn man dem KI-Prak­ti­kan­ten Din­ge emo­tio­nal dar­legt und bei­spiels­wei­se sagt, es sei wahn­sin­nig wich­tig für den Erfolg unse­rer Abtei­lung oder für mei­nen Beruf oder es ist wich­tig, dass wir den Auf­trag behal­ten, dann kom­men auch bei der KI bes­se­re Ergeb­nis­se raus. Emo­tio­na­li­tät ist die Skill unse­rer Zeit.

Wel­che Her­aus­for­de­run­gen, um nicht Pro­ble­me zu sagen, bringt die Nut­zung von KI mit sich?

Das Offen­sicht­lichs­te, das in Deutsch­land ja seit jeher eine gro­ße Rol­le spielt, sind recht­li­che Fra­ge­stel­lun­gen: Daten­schutz und Urhe­ber­recht oder der Umgang mit Betriebs­ge­heim­nis­sen. Es muss im Unter­neh­men ganz kla­re Rege­lun­gen geben, wie die­se The­men gehand­habt wer­den. Dann tan­giert KI zudem ethi­sche Fra­ge­stel­lun­gen. Nicht alles, was tech­no­lo­gisch mög­lich ist, soll­te man auch tun. Wie trans­pa­rent gehe ich mit dem Ein­satz von KI um, zum Bei­spiel in Wer­be­kam­pa­gnen? Und natür­lich macht eine KI auch Feh­ler, so wie ein Prak­ti­kant Feh­ler macht. Wir dür­fen kein blin­des Ver­trau­en haben, dass die Tech­no­lo­gie immer rich­tig liegt.

"Wir bekommen eine andere Aufgaben- und Rollenverteilung in den Unternehmen. Dies wird alle Wissensarbeiter betreffen, egal auf welcher Hierarchieebene."

Dele­gie­ren wir nicht Ent­schei­dun­gen an die Tech­nik, was dazu ver­füh­ren könn­te, vor­her gar nicht selbst groß nach­zu­den­ken? Und lau­fen wir damit nicht Gefahr, das Den­ken zu ver­ler­nen?

Natür­lich. Es gehört Dis­zi­plin dazu, dass wir uns selbst erst­mal Gedan­ken über ein The­ma machen und die KI dann als Spar­rings­part­ner und Instru­ment nut­zen, etwas aus­zu­ar­bei­ten. Ich bin sicher, das wird sich von selbst ein­pen­deln. Wenn wir alles Den­ken der KI über­las­sen, dann wer­den wir in Mit­tel­mä­ßig­keit ste­cken blei­ben. Die­je­ni­gen, die das Bes­te vom Men­schen nut­zen und mit dem Bes­ten der KI kom­bi­nie­ren, wer­den sich durch­set­zen. Wenn mei­ne Mar­ke­ting­stra­te­gien aus­schließ­lich von der KI ent­wi­ckelt wer­den, dann kommt kein inno­va­ti­ver Genie­streich raus, son­dern dann blei­be ich bei dem, was schon mal da war. Ich glau­be also, das regu­liert der Markt.

Ver­stehst Du, wenn Mit­ar­bei­ter Angst haben, von KI ersetzt zu wer­den? Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te die Angst vor Arbeits­platz­ver­lus­ten auf­grund von KI min­dern?

Die­se Angst ist sehr aus­ge­prägt, und ich kann das total nach­voll­zie­hen. Ich glau­be, es ist ganz wich­tig, als Füh­rungs­kraft sei­ne Leu­te an die Hand zu neh­men, für Auf­klä­rung zu sor­gen, Wei­ter­bil­dun­gen zu machen, um ein gewis­ses Maß von Kom­pe­tenz auf­zu­bau­en. Und wenn die­ses Ups­kil­ling erfolgt ist, die Tools dann auch zu tes­ten und rum­zu­spie­len.

Was ist mit den Mana­gern selbst? Könn­te nicht irgend­wann auch der teu­re Mana­ger auf der mitt­le­ren Ebe­ne ersetzt wer­den?

Ich glau­be, wir müs­sen uns dar­über Gedan­ken machen, wel­chen Mehr­wert wir als Men­schen lie­fern wol­len und wel­chen Mehr­wert KI für uns lie­fert. Wir müs­sen die­se Dis­kus­si­on füh­ren, und wir müs­sen das dif­fe­ren­zie­ren für unter­schied­lichs­te Rol­len in der Orga­ni­sa­ti­on. Wir bekom­men eine ande­re Auf­ga­ben- und Rol­len­ver­tei­lung. Dies wird alle Wis­sens­ar­bei­ter betref­fen, egal auf wel­cher Hier­ar­chie­ebe­ne. Wenn die Geschich­te eines gezeigt hat, dann dass jede Form der Arbeits­re­vo­lu­ti­on – sei es die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on oder auch die Digi­ta­li­sie­rung  – eigent­lich nie zu weni­ger Arbeit geführt hat.

Ein schö­nes Schluss­wort. Ich weiß nicht, ob Du es bemerkt hast. Aber ich habe die Fra­gen für die­ses Inter­view von ChatGPT ent­wi­ckeln las­sen. Mit Aus­nah­me der wirk­lich intel­li­gen­ten Fra­gen natür­lich.

Red bull omr d mariusfaulhaberDomi­nic von Proeck ist Mit­grün­der von 'Lea­ders of AI'. Das Unter­neh­men bil­det Füh­rungs­kräf­te in ChatGPT & Co aus und berei­tet die­se auf die Ver­än­de­run­gen durch KI vor. Von Proeck hat bereits ein KI-Start­up im Bil­dungs­be­reich gegrün­det und ver­kauft. Er lehrt an der Leu­pha­na Uni­ver­si­tät und der Hoch­schu­le Fre­se­ni­us und enga­giert sich im Senat der Wirt­schaft in den Kom­mis­sio­nen für Bil­dung & For­schung und Digi­ta­le Zukunft. 

Lea­ders of AI ist Know­ledge-Part­ner von SUITS. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen dazu gibt es hier

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