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Was ist unsere Dubai-Schokolade?

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Jür­gen Mül­ler

Sams­tag, 23. Novem­ber. Temu wird zur­zeit ja für alles die Schuld gege­ben, was im Ein­zel­han­del schief­läuft. Jetzt rui­niert die chi­ne­si­sche Bil­lig­platt­form auch noch den Black Fri­day. "Wie­so auf Ende Novem­ber war­ten, wenn man bei Temu und Co jeder­zeit güns­tig shop­pen kann?" zitiert der Spie­gel IfH-Geschäfts­füh­rer Kai Hudetz. Ledig­lich 46% der Ver­brau­cher wol­len einer IfH-Stu­die die­se Woche auf Schnäpp­chen­jagd gehen, drei Pro­zent­punk­te weni­ger als noch vor einem Jahr.

Soll man sich als Fach­händ­ler mit Qua­li­täts­an­spruch wirk­lich dar­über ärgern, dass der Preis­ver­hau nicht mehr so zieht? Dass es weni­ger eine Fra­ge des Bezah­len­kön­nens als der Kon­sum­prä­fe­ren­zen ist, zei­gen die aus­ge­buch­ten Feri­en­flie­ger und voll beleg­te Hotels in den Ski­ge­bie­ten.

Oder der Run auf die Dubai-Scho­ko­la­de. Dass die­ser Hype durch Tik­to­ke­rin­nen aus­ge­löst wur­de, die die­se schlon­zig-crun­chy Pis­ta­zi­en­creme­scho­ko­la­de genuss­voll zwi­schen ihre über­pral­len Lip­pen schie­ben, ist ein wei­te­rer Beleg für die Macht von social media. Spie­gel-Kolum­nis­tin Sama­ra El Ouas­sil will dar­in eine Form unor­ches­trie­rer Gas­tro­di­plo­ma­tie Dubais sehen, Food­wa­shing gewis­ser­ma­ßen, das von den dor­ti­gen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ablen­ken soll. Das scheint doch eini­ger­ma­ßen weit her­ge­holt. Kom­mer­zi­ell gese­hen ist es eine rei­fe Leis­tung der Lindt-Leu­te, den Trend erkannt und schnell in die Rega­le gebracht zu haben. Zwei der ursprüng­lich 1000 Tafeln sind noch bei Kauf­land zu haben. Der Preis: 219 Euro.

Die Fra­ge, die sich Han­del und Indus­trie stel­len soll­ten, ist nicht: Wie geht es noch bil­li­ger? Son­dern: Was ist unse­re Dubai-Scho­ko­la­de?

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Mon­tag, 25. Novem­ber. War­um nur "Pro­jekt Tan­go"? Man stellt sich Dani­el Grie­der und René Ben­ko vor, ein­an­der übers Bör­sen­par­kett schie­bend, in per­fekt sit­zen­den Anzü­gen und tadel­lo­ser Hal­tung natür­lich. "Kri­mi­nal­tan­go" wäre der bes­se­re Titel gewe­sen, insi­nu­iert die öster­rei­chi­sche Kro­nen Zei­tung (Anmer­kung für alle Spät­ge­bo­re­nen: so heißt ein Film aus den 60er Jah­ren, mit Peter Alex­an­der in der Haupt­rol­le, immer­hin auch ein Öster­rei­cher). Die Bou­le­vard­zei­tung ent­hüllt ein Revol­ver­stück über Grie­ders und Ben­kos angeb­li­che Plä­ne einer "Fashion Invest­ment Group", die neben Hugo Boss auch ande­re Mode­un­ter­neh­men unter einem Dach ver­ei­nen soll­te, natür­lich mit Dani­el Grie­der als "Big Boss". Was gro­ße Egos halt so aus­he­cken, wenn sie in ihren Lech-Cha­lets abends am Kamin einen edlen Cognac schlür­fen.

Das ist an sich alles ja nicht ver­werf­lich, auch wenn es zur­zeit womög­lich bes­se­re Invests gibt als Mode­fir­men. Pro­ble­ma­ti­scher wäre, wenn sich der poten­zi­el­le Insi­der­ver­dacht bestä­tigt, den der Bericht der Kro­nen Zei­tung eben­falls auf­wirft: Grie­der soll Ben­ko im Vor­feld eines Inves­to­ren­tags vor­ab über Tei­le der Stra­te­gie infor­miert haben. Abge­se­hen davon, dass es natür­lich unglück­lich ist, dass er das offen­bar schrift­lich gemacht hat, wür­de es einen inter­es­sie­ren, wer sol­che Infor­ma­tio­nen leakt. Ob berech­tigt oder nicht – die "Affä­re" – aus­ge­rech­net mit dem nicht mehr salon­fä­hi­gen Ben­ko – nagt am Nim­bus der Licht­ge­stalt Grie­der.

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Diens­tag, 26. Novem­ber. Wer lie­fert eigent­lich die neu­en Dienst­an­zü­ge der Bun­des­wehr? Brio­ni? Kiton? 825 Mil­lio­nen will die Regie­rung in den kom­men­den acht Jah­ren für neue Out­fits aus­ge­ben, das sind über 4000 Euro pro Sol­da­tIn. Wir ken­nen da ein paar deut­sche Qua­li­täts­an­bie­ter, die das preis­güns­ti­ger hin­be­kom­men.

Die Moder­ni­sie­rung der Dienst­be­klei­dung sei bereits 2018 ent­schie­den wor­den, heißt es laut SZ aus dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um. 306 Mil­lio­nen Euro sei­en bereits ver­trag­lich gebun­den, aber noch nicht aus­ge­ge­ben, ein Antrag über die rest­li­chen 519 Mil­lio­nen ging jetzt, nach sechs Jah­ren im Haus­halts­aus­schuss ein. So geht wah­re Slow Fashion! Die Schnit­te der Uni­for­men stamm­ten noch aus den 80ern, begrün­det ein Minis­te­ri­ums­spre­cher das Vor­ha­ben gegen­über der SZ, es brau­che ein zeit­ge­mä­ßes Design, das auch geschlechts­spe­zi­fi­sche Anfor­de­run­gen erfül­le und beque­mer sei.

Wenn wir schon nicht kriegs­tüch­tig sind, sehen wir wenigs­tens gut dabei aus.

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