Passiert large

Trendsetter Trump

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Jür­gen Mül­ler

Wir Mode­leu­te soll­ten mal bes­ser still sein. Einer­seits echauf­fie­ren wir uns über die oppor­tu­nis­ti­schen Tech-Olig­ar­chen, die alle­samt den Ring des neu­en US-Prä­si­den­ten küs­sen und mit Geld und unter­wür­fi­gem Ver­hal­ten Trumps Gunst zu erwer­ben suchen. Gleich­zei­tig hal­ten wir selbst unse­re Fähn­chen in den neu­en Wind.

So haben die US-Mode­de­si­gner neu­er­dings kei­ne Pro­ble­me mehr, den Trump-Clan aus­zu­stat­ten. Ivan­ka Trump und Usha Van­ce tru­gen zur Inau­gu­ra­ti­on maß­ge­fer­tig­te Roben von Oscar de la Ren­ta, Mela­nia Trump Model­le von Adam Lip­pes und Her­vé Leger. „Wir wür­den nie die Gele­gen­heit aus­schla­gen, mit einer Füh­rungs­per­sön­lich­keit zu arbei­ten, nur auf­grund ihrer poli­ti­schen Gesin­nung“, so Oscar de la Ren­ta-CEO Alex Bolen in ent­waff­nen­der Offen­heit gegen­über der New York Times.

Vor acht Jah­ren waren die US-Desi­gner demons­tra­tiv auf Distanz zu dem prol­li­gen Pol­te­rer gegan­gen, und selbst noch im letz­ten Wahl­kampf posi­tio­nier­ten sich etli­che Akteu­re gegen Donald Trump und für Kama­la Har­ris. Weil sich 2016 kein Aus­stat­ter fand, muss­te die First Lady ihr hell­blau­es Kos­tüm noch bei Ralph Lau­ren von der Stan­ge kau­fen. Der Alt­meis­ter der US-Mode­sze­ne kann von Glück sagen, dass Trump ihm jetzt nicht am ers­ten Tag per Dekret die ‚Medal of Free­dom‘ wie­der aberkannt hat, die er kürz­lich von Prä­si­dent Biden ver­lie­hen bekam.

Schau­en wir also mal, ob Mela­nia Trump nun dem­nächst nicht doch noch auf einem Vogue-Cover auf­taucht. Auch deut­sche Medi­en freu­en sich schon auf die neue Top-Influen­ce­rin: „End­lich wie­der eine inspi­rie­ren­de First Lady“, schrieb die Welt bereits im Novem­ber.

Der Tussi-Style, den der 78jährige Trump präferiert, wird progressiven Modeleuten nicht gefallen. Damit feiert ein Frauenbild ein Comeback, das viele für überkommen hielten.

Mela­ni­as Auf­tritt am Mon­tag war indes eher irri­tie­rend. Die First Lady erschien in ihrem stren­gen Look wie zur eige­nen Beer­di­gung. Und mach­te böse Mie­ne zum bösen Spiel. „Sie scheint alle und alles zu has­sen“, kom­men­tier­te Jero­en van Rooi­jen in BLICK, „wahr­schein­lich auch ihren Mann“, den sie mit dem Zor­ro-Hut auf Distanz hielt. Tan­ja Rest (SZ) fand die­sen Auf­tritt auf sar­kas­ti­sche Wei­se pas­send: „Was das Mar­tia­li­sche die­ser spe­zi­el­len Inau­gu­ra­ti­on anging, traf er voll auf die Zwölf.“

Für Auf­se­hen sorg­te neben Mela­nia auch Jeff Bezos‘ Ver­lob­te Lau­ren San­chez, deren Bus­tier ins­be­son­de­re für Mark Zucker­berg ein Hin­gu­cker war. Und Ivan­ka Trump erin­ner­te die Macher von Diet Pra­da mit ihrem dun­kel­grü­nen Dior-Kos­tüm an die eis­kal­te Sere­na aus der gru­se­li­gen Dys­to­pie ‚Handmaid‘s Tale‘. Ein iro­ni­sches State­ment? Oder eher ein böses Omen?

Dass Mode­mar­ken in der Öffent­lich­keit ste­hen­de Per­sön­lich­kei­ten nut­zen, um Auf­merk­sam­keit für sich zu gene­rie­ren: geschenkt. Der Tus­si-Style, den der 78jährige Trump prä­fe­riert, dürf­te pro­gres­si­ven Mode­leu­ten indes nicht gefal­len. Damit fei­ert nicht zuletzt ein Frau­en­bild ein Come­back, das vie­le für über­kom­men hiel­ten. Zuletzt haben wir uns noch über die Trad Wifes in Insta­gram amü­siert, die im schi­cken Kleid am hei­mi­schen Herd Kuchen für ihre Liebs­ten backen. Jetzt wird das womög­lich für vie­le ein neu­es Leit­bild. Das 'Hot, Hot­ter, Dead'-Kleid, das Lui­sa Neu­bau­er die­se Woche auf dem Ber­li­ner Pes­se­ball trug, erscheint da irgend­wie out­da­ted.

"Die Trumps bau­en in den USA gera­de an einer neu­en Aris­to­kra­tie aus Geld und Gangs­tern, und in die­ser Welt wird jedes Ver­satz­stück der Kul­tur­ge­schich­te zum eige­nen Nut­zen umin­ter­pre­tiert", for­mu­liert es Jero­en van Rooi­jen tref­fend.

Der Zeitgeist ändert sich, und die Unternehmen sehen die Chance, kostentreibende Restriktionen im Zusammenhang mit Themen wie Sustainability oder Diversity abzuschütteln.

Der Back­lash betrifft nicht nur Style-Fra­gen, son­dern auch gesell­schafts­po­li­ti­sche The­men wie Diver­si­ty & Inclu­si­on, Nach­hal­tig­keit und Kli­ma­schutz. Die Sus­taina­bi­li­ty-Leu­te haben es wegen des gestie­ge­nen wirt­schaft­li­chen Drucks in den Unter­neh­men aktu­ell ohne­hin schon schwer, Gehör und Unter­stüt­zung zu fin­den. Trump blies in sei­ner Inau­gu­ra­ti­ons­re­de nun ganz offi­zi­ell zum Rück­zug. Meta und Ama­zon konn­ten vie­le ihrer D&I‑Initiativen gar nicht schnell genug abräu­men.

Wer geglaubt hat­te, dass die­ses Enga­ge­ment jemals mehr war als ein Lip­pen­be­kennt­nis und Zuge­ständ­nis an den Zeit­geist, der ist jetzt als naiv ent­larvt. Es ging natür­lich immer nur ums Geschäft. Der Zeit­geist ändert sich, und die Unter­neh­men sehen die Chan­ce, kos­ten­trei­ben­de Restrik­tio­nen abzu­schüt­teln.

Weil dies die Wett­be­werbs­po­si­ti­on der US-Unter­neh­men stärkt, wird der Druck auf die Poli­tik auch hier­zu­lan­de stei­gen, eine liber­tä­re­re Linie zu ver­fol­gen und zu dere­gu­lie­ren. Als "Kampf­an­sa­ge an die Still­stands­re­pu­blik Deutsch­land" wer­tet The Pio­neer Trumps Inau­gu­ra­ti­on Speech. Auch wenn der US-Prä­si­dent in dem Moment nicht an die wahl­kämp­fen­den Deut­schen gedacht haben wird: Das kann man so sehen.

Mit Ber­nard Arnault stand auch einer der füh­ren­den Mode­un­ter­neh­mer auf der Ehren­tri­bü­ne, gemein­sam mit sei­ner Frau Hele­ne sowie Toch­ter Del­phi­ne und Sohn Alex­and­re. Umfal­lertum kann man dem LVMH-Chef aller­dings nicht nach­sa­gen. Arnault war schon in der ers­ten Amts­zeit um ein gutes Ver­hält­nis zu Donald Trump bemüht und hat­te ihn zuletzt auch in Mar-a-Lago besucht. Nicht aus­zu­schlie­ßen, dass der Luxus-Krö­sus in den anste­hen­den Zoll­fra­gen mehr Gehör beim US-Prä­si­dent fin­det als die offi­zi­el­len EU-Ver­tre­ter.

Man soll­te all das nicht unter­schät­zen. Aber auch nicht über­schät­zen. Als die – natür­lich per­fekt im Trump-Look gestyl­te –  Coun­try­sän­ge­rin Car­rie Under­wood ‚Ame­ri­ca the Beau­tiful‘ sin­gen soll­te, war­te­te das Publi­kum in der Rotun­de des Capi­tols eine pein­li­che Ewig­keit auf die Musik­be­glei­tung. Die nicht kam.

Der Moment war von eini­ger Sym­bo­lik: Die Tech­nik ver­sag­te. Dabei hat­te Trump gera­de ange­kün­digt, den Mars erobern zu wol­len.

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