Passiert large

Shift mit Schwenzfeier. Mytheresa mit Belin. Lidl mit Strenesse Blue.

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Jür­gen Mül­ler

Die Kon­sum­kri­se for­dert wei­te­re Opfer. Die Inha­ber der Stadt-Par­fü­me­rie Pie­per müs­sen den Gang zum Amts­ge­richt antre­ten; 140 Filia­len ste­hen zur Dis­po­si­ti­on. Vor sechs Jah­ren hat­te man noch Hun­dert­jäh­ri­ges gefei­ert. Am Diens­tag ver­gan­ge­ner Woche hat auch die Motor­rad­zu­be­hör­ket­te Polo Insol­venz in Eigen­ver­wal­tung bean­tragt. Das Unter­neh­men betreibt 90 Läden in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz. Kauf­zu­rück­hal­tung, rück­läu­fi­ge Fre­quen­zen und stei­gen­de Kos­ten sind ein töd­li­cher Mix, wenn das Geschäfts­mo­dell eh unter Druck ist.

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Thi­mo Schwenz­fei­er ist 'back in the game'. Der Ex-Neonyt-Macher, zwi­schen­zeit­lich Mana­ger des Con­scious-Stores von P&C in Ber­lin, über­nimmt die Lei­tung des geplan­ten Shift-Able­gers in Offen­bach. Für die nie­der­län­di­schen Ver­an­stal­ter ein klei­ner Coup. Denn Schwenz­fei­er weiß nicht nur, wie Mes­se geht, son­dern ist nach wie vor gut in der Bran­che ver­netzt. Die Fach­pres­se wird das Event schon aus eige­nem Inter­es­se beför­dern.

Ob das für einen nach­hal­ti­gen Erfolg der neu­en Ver­an­stal­tung reicht? Es hat Grün­de, wes­halb es in Deutsch­land kei­ne Mes­se mehr gibt, auch struk­tu­rel­le. Die Order pas­siert in Düs­sel­dorf und in den loka­len Order­zen­tren. Trend­in­for­ma­ti­on bekommt man in Flo­renz, Ams­ter­dam, Kopen­ha­gen. Oder im Inter­net. Und als Com­mu­ni­ty Orga­ni­zer machen Unitex und Katag einen guten Job.

Doch war­ten wir's ab. Die Per­so­na­lie zeigt: Die Shift-Macher wol­len es wirk­lich wis­sen.

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Fran­cis Belin ist der neue CEO von Mythe­re­sa. Er berich­tet an sei­nen Vor­gän­ger und Lux­Ex­pe­ri­ence-Vor­stand Micha­el Kli­ger. Der Hol­ding-Chef hat mit dem ewig defi­zi­tä­ren und immer noch schrump­fen­den YNAP genug zu tun. Man kennt sich von McK­in­sey. Und dass Belin mal in Diens­ten von Groß­ak­tio­när Riche­mont stand, wird der Beru­fung auch nicht gescha­det haben. Der Mana­ger hat in Mann­heim stu­diert und danach fast sein gesam­tes Berufs­le­ben in Asi­en ver­bracht. Das zeigt auch an, wo der Online Retail­er die größ­ten Wachs­tums­po­ten­zia­le sieht. Für Belin wie für Ascĥheim beginnt jetzt defi­ni­tiv eine neue Pha­se.

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Einen ziem­li­chen Spa­gat in Sachen Glaub­wür­dig­keit leis­tet sich Stre­nes­se. Wäh­rend man die Wie­der­ge­burt der deut­schen Luxus­mar­ke zuletzt noch stan­des­ge­mäß im Kade­We fei­er­te, ver­kauft man Stre­nes­se Blue künf­tig bei Lidl. Das ist zwar "nur" die Zweit­mar­ke, und es han­delt sich über­wie­gend um Wäsche und Loun­ge­wear, die in der Main­line nicht im Vor­der­grund steht. Aber für die Dis­coun­ter­kund­schaft wird das kei­nen gro­ßen Unter­schied machen. "Luxus beim Dis­coun­ter", mel­det die BILD-Zei­tung in fet­ten Let­tern und freut sich über den "Knal­ler in der Mode­welt".

Ein "demo­kra­ti­sches Leucht­turm­pro­jekt für den gesam­ten Tex­til­markt", nennt Stre­nes­ses Lizenz- und Ver­triebs­part­ner KUPA die Koope­ra­ti­on in der TW pathe­tisch. "Sie ver­bin­det eine Desi­gner­mar­ke, indus­tri­el­le Tex­til­kom­pe­tenz und Reich­wei­te auf eine Wei­se, die es so noch nie gab."

Man möch­te hin­zu­fü­gen: Aus gutem Grund.

"Ohne Prä­senz kei­ne Rele­vanz", recht­fer­tigt Stre­nes­se-CEO Noro Hofe­rer den Schritt ges­tern im TW-Inter­view. Als för­de­re die Prä­senz auf dem Lidl-Wühl­tisch den Ver­kauf einer Mar­ke im Pre­mi­um-Fach­han­del…

Wie es aus­sieht geht es weni­ger dar­um, Stre­nes­se im alten Glanz wie­der­zu­be­le­ben, als die eins­ti­ge Pre­mi­um­mar­ke durch Lizen­zie­rung aus­zu­schlach­ten. Düf­te gibt es seit einem Jahr, Bril­len, Schu­he und Raum­düf­te sind in Pla­nung. Die­se Stra­te­gie ist im Hin­blick aufs Geld­ver­die­nen im Übri­gen völ­lig legi­tim. Hofe­rer hat schließ­lich nicht ganz unrecht: "Als rei­ne Luxus­mar­ke im klas­si­schen Pre­mi­um­ka­nal zu wach­sen, ist in den heu­ti­gen Märk­ten kaum noch ein gang­ba­rer Weg."