
Halloween hält für die französischen Einzelhändler dieses Jahr einen ganz besonderen Schrecken bereit. Im Pariser Marais eröffnet Shein eine erste stationäre Präsenz, auf 1000 m² im 6. Stock des BHV an der Rue de Rivoli, schräg gegenüber vom Pariser Rathaus. Manch einer in der Hauptstadt der Mode nimmt das als Provokation auf.
Was von BHV-Inhaber Frédéric Merlin als Frequenzbringer für seine Dachetage gedacht war, entwickelt sich deswegen zum PR-Desaster. Einzelhändler räumten aus Protest ihre Läden leer, um zu demonstrieren, was passiert, wenn sich die unfaire Online-Konkurrenz weiter breit macht. Über 100.000 Menschen schlossen sich einer Onlinepetition gegen Shein an. Die Pariser Bürgermeisterin distanzierte sich öffentlich. Sogar die BHV-Belegschaft legte für einen Tag die Arbeit nieder. Frédéric Merlin kann von Glück sagen, dass die Guillotine mittlerweile abgeschafft ist.
Schmerzen wird den Investor womöglich, dass sich auch eine Bank von ihm zurückzieht, weil das Geschäftsmodell von Shein ihren Werten widerspreche. In jedem Fall hat der BHV-Inhaber den französischen Furor gegen die chinesische Faster-Fashion-Konkurrenz unterschätzt. Der Senat hat unlängst eine Gesetzesvorlage der Nationalversammlung durchgewunken, die u.a. Werbeverbote und eine Umweltabgabe auf die Billigware aus Fernost vorsieht. Mindestens ebenso wie die Umwelt und die Näherinnen in China wird man mit diesen Maßnahmen die Einzelhändler in Frankreich schützen wollen.
Komischerweise fragt niemand, wie sich Läden in das Manufacturing2Consumer-Geschäftsmodell von Shein fügen. Dieses kann seine Stärken nämlich nur online wirklich ausspielen. Eine stationäre Präsenz macht allenfalls aus Marketinggründen Sinn. In diesem Fall wird man sich allerdings eine andere Publicity gewünscht haben.
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Zeigt uns jetzt Holland, wie Messe geht?
Da expandiert die Modefabriek mit ihrer Shift nach Deutschland. Kurioserweise nach Offenbach, eine Stadt, die bislang eher nicht für Modemessen stand. Aber das galt für Neu-Ulm und Bielefeld ja ebenso, bevor die Unitex und die Katag ihre Branchentreffen etablieren konnten. Am 24. und 25. Juni soll es soweit sein, sofern sich genug Aussteller finden.
Und während die Shift ihren deutschen Besuchern entgegenkommt, müssen die deutschen Sporthändler künftig nach Amsterdam fahren, wo ab 2026 die ISPO stattfindet.
Dass diese traditionsreiche Messe von einstigem Weltruf nach einem halben Jahrhundert München verlässt, ist ein Paukenschlag für die sportbegeisterte Bayern-Metropole. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die Verantwortlichen mit der Bekanntgabe der Verlegung bis nach der Olympiaabstimmung gewartet haben. Nichts sollte den Erfolg des von einem breiten städtischen Bündnis getragenen Votums gefährden.
Aber ist die Entscheidung wirklich eine Überraschung? Dass es mit der ISPO so nicht weitergehen konnte, hat sich seit Langem abgezeichnet. Vor Corona zählte die Veranstaltung noch 84.000 Besucher und 3000 Aussteller, seither haben sich diese Zahlen halbiert. Vor allem haben immer weniger relevante Brands das Geld für einen Messeauftritt aufbringen wollen. Spätestens als Tobias Gröber im Januar nach 28 Jahren seinen Abschied als ISPO-Chef erklärte, war klar, was die Stunde geschlagen hat.
Jetzt sollen es ein neues Konzept, ein neuer Ort, ein neuer Termin richten. Schau'n mer mal, würde Franz Beckenbauer sagen. Der britische Veranstalter Raccoon, der in dem Joint-venture mit der Messe München den Ton angibt, stellt günstigere Preise in Aussicht. Das ist schon mal eine gute Nachricht für die kostengeplagten Unternehmen.
Gegen den Markt wird man allerdings auch von Amsterdam aus nicht agieren können. Und die Sportartikelbranche hat neben aktuellen konjunkturellen Problemen ähnliche strukturelle Herausforderungen wie das Modebusiness: Die großen Marken, allen voran Adidas und Nike fokussieren in ihrer Kommunikation auf D2C. Vertikale Category Killer wie Decathlon nehmen dem Multilabelhandel rasant Marktanteile ab. Immer mehr Geschäft wandert ins Internet. Und die mächtigen Verbundgruppen Intersport und Sport 2000 haben mit ihren Ordermessen alternative Treffpunkte etabliert.
"Die Branche braucht eine Plattform, die Stimmen vereint, die Orte schützt, an denen wir uns bewegen, und die nächste Generation von Marken, Führungskräften und Unternehmen inspiriert", lässt sich Raccoon-CEO Mike Seaman in der TW zitieren. "Genau das wollen wir bieten." Für die Modeleute, die in den vergangenen Jahren Veranstaltungen wie die Bread & Butter, die Panorama oder die Premium zu Grabe getragen haben, dürfte das vertraut klingen.