Diese Woche ging eine Empörungswelle nach der anderen durch Gewerkschaften und Betriebsräte. Erst die Warnstreiks, die Verdi bei Kaufhof, H&M, Real und anderen Filialisten veranstaltete – das war noch weitgehend Tarifverhandlungs-Business as usual. Dann die Streik-Aktionen gegen Amazon, mit denen man auf die Skandalberichterstattung der ARD aufzuspringen versucht. Damit haben die PR-bewußten Verdi-Strategen immerhin ihre Kampagnenfähigkeit unter Beweis gestellt.
Es geht bei dem Streit nicht wirklich darum, ob Amazon ein Einzelhandel treibender Logistiker oder ein Logistikzentren betreibender Einzelhändler ist. Auch hat das nichts mit Old vs. New Economy zu tun. Amazon-Chef Ralf Kleber würde sich dem Einzelhandelstarifvertrag selbst dann nicht unterwerfen wollen, wenn dieser günstiger als der für Logistiker ausfiele. Hinter dem Konflikt stehen vor allem unterschiedliche Auffassungen zwischen bundesrepublikanischer und angelsächsischer Unternehmensführung über die Rolle von Sozialpartnerschaft.
Das hat sich auch beim dritten Fall dieser Woche, bei Karstadt gezeigt. Niemand anderes außer dem Briten Andrew Jennings hätte es gewagt, die Tarifbindung für das deutsche Traditionsunternehmen aufzukündigen. Ausgerechnet Karstadt! Ein Unternehmen, in dem die Gewerkschaften traditionell stark und – manche sagen – immer auch ein Teil des Problems waren, weil sie letztlich notwendigen Anpassungsprozessen im Weg standen. Karstadt war wie Kaufhof schon aus eigenem Interesse über Jahrzehnte stets in den Gremien aktiv und an Tarifgesprächen beteiligt. Im personalkostenintensiven Fachhandel hat die Dominanz der Großbetriebe häufig für Unmut gesorgt, weil diese sich die Abschlüsse eher leisten konnten. Diese Wettbewerbsverzerrung ist auch ein Grund für die insgesamt sehr geringe Tarifbindung im Textileinzelhandel.
Wenn Karstadt jetzt eine „Tarifpause“ einlegt, dann bedeutet das einerseits einen drohenden Machtverlust für die Gewerkschaft. Die wird dieses Terrain nicht kampflos aufgeben. Streikbedingte Umsatzeinbußen wären eine Katastrophe, hat Andrew Jennings vorsorglich verlauten lassen. Das zeigt zugleich die Not des Unternehmens, das zurzeit offenbar keinen guten Lauf hat. Einmal mehr erweist sich, dass Karstadt-Investor Nicolas Berggruen nicht daran denkt, Geld zuzuschießen. Er wird wissen warum. Statt Karstadt zu retten, schreibt er lieber Bücher, wie die Welt zu retten ist.
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Der Forum-Preis für Primark dürfte in der Branche auf ein zwiespältiges Echo stoßen. Das muss die TextilWirtschaft zunächst mal nicht kümmern. Bei der Vergabe der Forum-Preise ging es seit jeher nicht nur um außergewöhnlich erfolgreiche Unternehmen und Persönlichkeiten, sondern auch darum, auf wichtige Branchenveränderungen hinzuweisen. Das war bei der frühen Auszeichnung von H&M so, der 1985 von der Branche als minderwertiger Billigheimer wahrgenommen wurde und heute bekanntlich die Nummer 2 im Markt ist. Das war 2002 bei dem in Deutschland gerade durchstartenden Zara so, der für die zunehmende Internationalisierung des Marktes stand, wie für ein revolutionäres Geschäftsmodell, das die Branche verändern sollte. Umstritten war 1992 auch die Auszeichnung für Shopping Center-Entwickler ECE, der für viele in der Branche neue Möglichkeiten brachte, aber auch eine Bedrohung darstellte.
Jetzt also Primark, der mit seiner Billigst-Mode gerade einen Standort nach dem anderen aufmischt. Ob einem das gefällt oder nicht, es ist die Realität. Wenn es nur um wirtschaftlichen Erfolg ginge, hätte Kik den Preis übrigens schon lange verdient. Das ist gleichfalls ein Preisbrecher-Format und immerhin ein deutsches Unternehmen. Aber der Discounter bewegt sich mit seiner Armutsästhetik halt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des modisch interessierten Publikums. Anders als der gehypte Primark, der tatsächlich Category Killer-Potenzial hat.
Der Forum-Jury hätte bei der Wahl des Preisträgers zugleich bewußt gewesen sein müssen, dass sie sich auf vermintes Gelände begibt. Das ist durch die schrecklichen Ereignisse in Bangladesch denn auch prompt bestätigt worden. "Die wahren Fashion Victims liegen in Bangladesch begraben", schrieb eine Zeitung dieser Tage. Auch Primark-Klamotten waren unter den Trümmern. Arndt Brockmann hat in seiner deswegen nicht einfachen Laudatio die richtigen Worte gefunden: "Wir alle sind gefordert, unserer Verantwortung nachzukommen. Einer Verantwortung für diejenigen, die wettbewerbssichere Preise überhaupt erst möglich machen: Menschen in Ländern, in denen andere Werte, Standards und Gesetze gelten." Noch besser und ein anderes Signal wäre es gewesen, ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit auszuzeichnen.
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Und sonst? Führt Greg Karber sehr erfolgreich einen Feldzug gegen Abercrombie & Fitch. Ist es ein Gerücht, dass ein Hamburger Jeanslabel jetzt in Beust & Cursed umfirmiert. Trägt in Hollywood nicht nur der Teufel, sondern auch der Great Gatsby Prada. Wird man bei Angelina Jolie auf dem roten Teppich künftig noch genauer hinschauen.
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