Die Jubel-Zahlen aus den Unternehmen, die wir dieser Tage in der Zeitung lesen, stehen in einem merkwürdigen Gegensatz zur Euro-Untergangs- und Krisenstimmung, die die öffentliche Diskussion das ganze letzte Jahr, ja im Prinzip seit Ausbruch der Finanzkrise vor über vier Jahren bestimmen: Hermès steigert seinen Umsatz 2012 um 22,6% und wächst selbst im guten alten Europa um 15%. Hugo Boss eilt von Rekordergebnis zu Rekordergebnis: plus 14% beim Umsatz, plus 8% beim Gewinn in 2012. Deichmann meldet ein Plus von 7,4% und wächst sogar im rezessiven deutschen Schuhmarkt um 3,7%. Taschenanbieter Longchamp legt um 16% zu, die Valentino Fashion Group um 22%, Urban Outfitters 13%. Der Onlinehändler Yoox wächst um 29%, die T‑Shirt-Plattform Spreadshirt sogar um 42%. Selbst Puma, den man nach den Presseberichten der letzten Zeit kurz vor der Pleite wähnte, hat seinen Umsatz 2012 noch signifikant gesteigert, um über 8%. Der scheidende CEO Franz Koch musste gestern freilich einen Ergebniseinbruch verkünden, der insbesondere aufgrund von Sondereinflüssen zustande kommt. Dazu gehört u.a. die Schließung von 90 Läden. Die hat Koch zwar nicht eröffnet, er muss aber trotzdem gehen. "Im Sport würde man sagen, das war ein Foul", sagte der 33jährige in Anspielung auf die öffentliche Kritik seines Vorgängers Jochen Zeitz.
Und dann sind da natürlich noch die Wahnsinns-Wachstumszahlen, die der Bundesverband des Deutschen Versandhandels verkündet hat. Um mehr als ein Viertel (27,2%) wuchs das Online-Retailing und damit weitaus dynamischer als erwartet. Über 10 Mrd. Euro entfallen auf Bekleidung, ein Plus von 11,4%. Kürzlich hatten bereits die Amazon-Zahlen alle Branchenauguren verblüfft. Diese Woche wies die ARD auf die vermeintliche Kehrseite dieses Erfolges hin: Die Negativ-Berichterstattung in Panorama ("Ausgeliefert") hat kurzzeitig für Aufregung gesorgt, wird das Geschäft aber nicht tangieren.
Das rasante Wachstum der Online-Anbieter, aber auch der stramme Wachstumskurs vieler anderer Gewinner ist ein Indiz dafür, wie schnell sich der Markt zurzeit verändert. Der Verdrängungswettbewerb spitzt sich dramatisch zu. Denn das Marktvolumen für Bekleidung ist 2012 insgesamt weiter geschrumpft, zumindest in den gesättigten Märkten Westeuropas. Die Verlierer werden es Krise nennen.
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Wer Sonntagnachmittag nichts Besseres zu tun hat, sollte bei YouTube reinklicken. Bei der Unique Show kann man das Topshop-Event auf der London Fashion Week live aus unterschiedlichen Perspektiven miterleben. Aus der ersten Reihe, vom Laufsteg aus Sicht eines Models, und natürlich kann man über eine Buyer-App direkt einkaufen. Das Ganze läuft ab 16 Uhr hier.
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