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Amazon, Boss und die Stammabteilung

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Wie­vie­le Klei­der führt ein Mode­haus? Ein paar Dut­zend? Ein gro­ßes eini­ge Hun­dert? Neu­er­dings gibt es einen Anbie­ter, der hat 72.991 Klei­der im Sor­ti­ment! Ama­zon.

Der Online-Gigant ver­sucht seit gerau­mer Zeit, sich im Mode­busi­ness brei­ter zu machen. Bis­lang setz­te man dabei auf Bei­boo­te wie Zap­pos oder Shop­bop. Im ver­gan­ge­nen Jahr hat man im Hei­mat­markt mit einer groß­an­ge­leg­ten Wer­be­kam­pa­gne auch das Mut­ter­schiff als Mode­an­bie­ter posi­tio­niert. Jetzt ver­sucht Ama­zon mit einem rie­si­gen Klei­der-Ange­bot auch in Deutsch­land zu punk­ten. Das Grund­pro­blem, der feh­len­de Fashion-Appeal der Web­site, bleibt aller­dings das alte. Wegen der schie­ren Grö­ße, der Reich­wei­te und den tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten soll­te man die Ama­zon-Ambi­tio­nen den­noch ernst neh­men.

Dass das Online-Kauf­haus aus­ge­rech­net Klei­der für sei­ne Mode-Offen­si­ve nutzt, ver­wun­dert übri­gens nicht. Die TW hat gera­de eine Stu­die der Agen­tur Shop­ma­cher zitiert, nach der „Klei­der“ der mit Abstand am häu­figs­ten getipp­te Begriff bei der Mode­su­che im Inter­net ist. Ama­zon ist der Ers­te, der sowas weiß. Die gene­ri­sche Suche spie­le im Netz ins­ge­samt aber immer weni­ger eine Rol­le, so die Stu­die, dafür such­ten die Kun­den zuneh­mend nach Mar­ken. Das ist kei­ne so gute Nach­richt für die Mul­ti­la­bel-Anbie­ter im Web.

Dazu passt die Bot­schaft von Hugo Boss-Chef Claus-Diet­rich Lahrs auf dem TW-Forum: „Auf Sicht wer­den wir uns mit Boss aus der Stamm­ab­tei­lung ver­ab­schie­den.“ Hugo Boss ist dem Umsatz nach heu­te schon über­wie­gend Retail­er, und das Unter­neh­men wird es künf­tig noch viel mehr sein. Mit allen Vor­tei­len im Hin­blick auf die Ver­hand­lungs­po­si­ti­on im Who­le­sa­le.

Lahrs Bot­schaft wird in den Ohren der zahl­reich ver­sam­mel­ten Ein­zel­händ­ler pro­vo­kant geklun­gen haben. Durch sei­ne Mar­ken­bril­le betrach­tet hat er natür­lich Recht. Und das ist auch gar nicht schlimm. Denn die tra­di­tio­nel­le Stamm­ab­tei­lung ist ohne­hin ein Aus­lauf­mo­dell. Auf teu­ren Innen­stadt-Ver­kaufs­flä­chen kapi­tal­in­ten­si­ve Lager­hal­tung im gro­ßen Stil zu betrei­ben, erweist sich im Wett­be­werb mehr und mehr als unwirt­schaft­lich. Die waren­grup­pen­ori­en­tier­te Stamm­ab­tei­lung spricht Bedarfs­käu­fer an, von denen es immer weni­ger gibt. Außer­dem läuft das Geschäft mit Bedarfs­ar­ti­keln wie Hem­den, Strick, Strümp­fen und T‑Shirts zuneh­mend über ande­re Kanä­le. Über Dis­coun­ter und Lebens­mit­tel­ein­zel­händ­ler. Über den Preis. Über das Inter­net. Wo Ama­zon jetzt die welt­größ­te Klei­der-Stamm­ab­tei­lung betreibt.

Der Fach­han­del kann die­ser Kon­kur­renz nur Life­style-Kom­pe­tenz ent­ge­gen­set­zen. Und die besteht dar­in, spe­zi­fi­sche Ange­bo­te für klar defi­nier­te Ziel­grup­pen zu machen, und die­se Ange­bo­te im Laden attrak­tiv und anre­gend, also im Bedarfs­zu­sam­men­hang (und nicht wie bei der Stamm­ab­tei­lung im Beschaf­fungs­zu­sam­men­hang) zu prä­sen­tie­ren. Nicht 1000m² Anzü­ge nach Grö­ßen sor­tiert im 3.OG und 500m² Hem­den im Erd­ge­schoss, wo man vor lau­ter For­men und Des­sins und Ärmel­län­gen und Kra­gen­wei­ten nicht das fin­det, was man sucht, geschwei­ge denn eine Idee bekommt, was man noch brau­chen könn­te. Son­dern auf 1500m² geball­te Busi­ness-Kom­pe­tenz – vom grau­en Tra­vel Suit bis hin zum maß­ge­schnei­der­ten Nadel­strei­fen-Anzug, gleich dane­ben eine über­schau­ba­re Aus­wahl geschmack­vol­ler Hem­den, dazu die rich­ti­gen Schu­he und Akten­kof­fer und war­um nicht auch ein preis­güns­ti­ger Orga­ni­zer oder ein tol­les Han­dy? Um nur mal ein Bei­spiel zu machen.

An sich ist das alles nichts Neu­es (und Boss macht es in sei­nen Läden ja genau so). Die For­de­rung nach einer kla­ren Ziel­grup­pen­fo­kus­sie­rung ist schnell hin­ge­schrie­ben. Die Umset­zung schei­tert in der Pra­xis lei­der all­zu häu­fig an orga­ni­sa­to­ri­schen Zwän­gen und men­ta­len Blo­cka­den. Aber der Han­del hat kei­ne ande­re Wahl. Sei­ne Sor­ti­ments­po­li­tik kann sich nicht in der Dis­tri­bu­ti­on von Mar­ken erschöp­fen, son­dern muss sich an Sti­len, an Anläs­sen, an The­men, an den Kun­den aus­rich­ten. Was, wenn nicht das, ist sei­ne Auf­ga­be und Exis­tenz­be­rech­ti­gung?

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Wenn Sie Pro­fa­shio­nals regel­mä­ßig lesen und gut fin­den, freue ich mich über eine Wei­ter­emp­feh­lung an Kol­le­gen und Freun­de.

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