
Manchmal kommen Nachrichten zur rechten Zeit. Am Mittwoch waren es die Wirtschaftsweisen, die Deutschland für 2026 ein Wachstum von 0,9 Prozent prognostizieren. Man wird bescheiden, aber immerhin. Donnerstagfrüh beschloss das EU-Parlament eine deutliche Entschärfung des Lieferkettengesetzes. Und am Abend dann die Meldung, dass die Billigimporte aus China künftig zollpflichtig werden sollen. Die Politiker, die auf dem Handelskongress in Berlin ihren Auftritt hatten – darunter der Bundeskanzler und die Wirtschaftsministerin – hätten Vollzug melden können.
Doch die Reden der Verbandsfunktionäre waren da schon geschrieben. HDE-Präsident Alexander von Preen sprach pointiert von "Sabotage am Binnenmarkt" und "unterlassener Hilfeleistung für den Mittelstand". "Wo ist der versprochene Aufschwung geblieben? Wir sehen ihn nicht!" Wenn es gelänge, den Ankündigungen Aktionen folgen zu lassen, wäre viel gewonnen.
Und es stimmt ja auch. In den Kassen der Unternehmen herrscht seit Monaten Baisse. Die Bürokratie bleibt eine kostentreibende 'pain in the ass'. Und Shein und Temu werden bis 2028 weiterhin vier Milliarden Pakete pro Jahr zollfrei in die EU schicken, wenn nicht doch noch – was in Brüssel angedacht ist – eine frühere Lösung realisierbar ist.
Deswegen sind die Forderungen des HDEs nach Entlastungen bei der Stromsteuer und den Lohnnebenkosten und die Ablehnung eines politisch festgelegten Mindestlohns ebenso gerechtfertigt wie die nach der Beseitigung von bürokratischen Fesseln und unfairem Wettbewerb.
"Wer sagt denn, dass die Zukunft nicht besser sein kann als die Vergangenheit?"
Dass die Politik einer der Adressaten des Handelskongresses war, verstellt etwas den Blick darauf, dass es nicht die Regierung ist, die für die Geschäfte der Unternehmen verantwortlich ist. Es ist eine Binse: Aber statt den Schwarzen Peter der Konjunktur und den verbesserungswürdigen Rahmenbedingungen zuzuschieben, muss jeder zunächst auch an der eigenen Firmenkonjunktur arbeiten. Schließlich steht uns neben der aktuellen Konsumkrise die nächste Disruption ins Haus.
Und das war das zweite große Thema des Kongresses: die KI-Revolution, die neue Herausforderungen bringt, aber auch neue Möglichkeiten bieten wird. "Diese Disruption wird schneller und stärker sein als seinerzeit beim Aufkommen von E‑Commerce", so die einhellige Meinung auf dem Podium.
Den erfrischendsten Auftritt in Berlin legte Petra Scharner-Wolff hin. Dabei darf man davon ausgehen, dass auch für die Otto Group bestimmt nicht alles rund läuft. Das Einzige, was die neue CEO beklagte, war indes das "Moll im Saal". Zukunft brauche Zuversicht. "Wer sagt denn, dass die Zukunft nicht besser sein kann als die Vergangenheit?"
Am Ende ließ sich der HDE-Präsident von einem starken Auftritt des Bundeskanzlers überzeugen, dessen Ankündigung vom "Herbst der Reformen" er eingangs noch in Zweifel gezogen hatte. "Der Herbst ist eingezogen."