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Moll im Saal

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Jür­gen Mül­ler

Manch­mal kom­men Nach­rich­ten zur rech­ten Zeit. Am Mitt­woch waren es die Wirt­schafts­wei­sen, die Deutsch­land für 2026 ein Wachs­tum von 0,9 Pro­zent pro­gnos­ti­zie­ren. Man wird beschei­den, aber immer­hin. Don­ners­tag­früh beschloss das EU-Par­la­ment eine deut­li­che Ent­schär­fung des Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes. Und am Abend dann die Mel­dung, dass die Bil­lig­im­por­te aus Chi­na künf­tig zoll­pflich­tig wer­den sol­len. Die Poli­ti­ker, die auf dem Han­dels­kon­gress in Ber­lin ihren Auf­tritt hat­ten – dar­un­ter der Bun­des­kanz­ler und die Wirt­schafts­mi­nis­te­rin – hät­ten Voll­zug mel­den kön­nen.

Doch die Reden der Ver­bands­funk­tio­nä­re waren da schon geschrie­ben. HDE-Prä­si­dent Alex­an­der von Preen sprach poin­tiert von "Sabo­ta­ge am Bin­nen­markt" und "unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung für den Mit­tel­stand". "Wo ist der ver­spro­che­ne Auf­schwung geblie­ben? Wir sehen ihn nicht!" Wenn es gelän­ge, den Ankün­di­gun­gen Aktio­nen fol­gen zu las­sen, wäre viel gewon­nen.

Und es stimmt ja auch. In den Kas­sen der Unter­neh­men herrscht seit Mona­ten Baisse. Die Büro­kra­tie bleibt eine kos­ten­trei­ben­de 'pain in the ass'. Und Shein und Temu wer­den bis 2028 wei­ter­hin vier Mil­li­ar­den Pake­te pro Jahr zoll­frei in die EU schi­cken, wenn nicht doch noch – was in Brüs­sel ange­dacht ist – eine frü­he­re Lösung rea­li­sier­bar ist.

Des­we­gen sind die For­de­run­gen des HDEs nach Ent­las­tun­gen bei der Strom­steu­er und den Lohn­ne­ben­kos­ten und die Ableh­nung eines poli­tisch fest­ge­leg­ten Min­dest­lohns eben­so gerecht­fer­tigt wie die nach der Besei­ti­gung von büro­kra­ti­schen Fes­seln und unfai­rem Wett­be­werb.

"Wer sagt denn, dass die Zukunft nicht besser sein kann als die Vergangenheit?"

Dass die Poli­tik einer der Adres­sa­ten des Han­dels­kon­gres­ses war, ver­stellt etwas den Blick dar­auf, dass es nicht die Regie­rung ist, die für die Geschäf­te der Unter­neh­men ver­ant­wort­lich ist. Es ist eine Bin­se: Aber statt den Schwar­zen Peter der Kon­junk­tur und den ver­bes­se­rungs­wür­di­gen Rah­men­be­din­gun­gen zuzu­schie­ben, muss jeder zunächst auch an der eige­nen Fir­men­kon­junk­tur arbei­ten. Schließ­lich steht uns neben der aktu­el­len Kon­sum­kri­se die nächs­te Dis­rup­ti­on ins Haus.

Und das war das zwei­te gro­ße The­ma des Kon­gres­ses: die KI-Revo­lu­ti­on, die neue Her­aus­for­de­run­gen bringt, aber auch neue Mög­lich­kei­ten bie­ten wird. "Die­se Dis­rup­ti­on wird schnel­ler und stär­ker sein als sei­ner­zeit beim Auf­kom­men von E‑Commerce", so die ein­hel­li­ge Mei­nung auf dem Podi­um.

Den erfri­schends­ten Auf­tritt in Ber­lin leg­te Petra Scharner-Wolff hin. Dabei darf man davon aus­ge­hen, dass auch für die Otto Group bestimmt nicht alles rund läuft. Das Ein­zi­ge, was die neue CEO beklag­te, war indes das "Moll im Saal". Zukunft brau­che Zuver­sicht. "Wer sagt denn, dass die Zukunft nicht bes­ser sein kann als die Ver­gan­gen­heit?"

Am Ende ließ sich der HDE-Prä­si­dent von einem star­ken Auf­tritt des Bun­des­kanz­lers über­zeu­gen, des­sen Ankün­di­gung vom "Herbst der Refor­men" er ein­gangs noch in Zwei­fel gezo­gen hat­te. "Der Herbst ist ein­ge­zo­gen."