Den Modehändlern geht es wie den Milchbauern. Es gibt ihr Produkt im Überfluss und die Abnehmer wollen nur noch Dumpingpreise bezahlen. Das geht manchen an die Substanz. Der Unterschied zu den Milchpreisopfern ist freilich, dass der Staat für die Zeros und Pohlands keine 100 Millionen locker macht. Immerhin erbarmt sich der Spiegel, indem er dem „Kampf um den Kleiderschrank“ ein paar Seiten in seiner aktuellen Ausgabe einräumt. Angesichts der Negativmeldungen aus der deutschen Modeindustrie war diese Zusammenfassung überfällig. Strenesse? „Pleite.“ Tom Tailor? „In der Abwartsspirale.“ Gerry Weber? „Mit dem Gründer gealtert.“ Esprit? „Unklar, wofür die Marke steht.“ Hugo Boss? „Zurück auf dem Boden der Tatsachen.“ In der nächsten Spiegel-Ausgabe erfahren wir hoffentlich etwas über Sterbehilfe.
Woran soll man überhaupt noch glauben? Das Manager-Magazin setzt in seiner aktuellen Ausgabe nämlich noch eins drauf und erklärt H&M zum Krisenfall und Auslaufmodell. Die Autorin belegt ihre Hasstirade mit Analysteninformationen (rückläufige Flächenproduktivitäten, schrumpfende Margen, Ertragsminus im 1. Quartal, Kursverfall). Und sie garniert das Ganze mit Expertenmeinungen: „H&M hat einen der schwächsten Onlineauftritte im europäischen Modehandel“, verrieten ihr etwa die Digital Natives von der Berenberg Bank. Es kommt halt immer darauf an, wen man fragt.
Mir fallen spontan die Marktforscher von Interbrand ein, die H&M nach Amazon, Nike und Louis Vuitton 2015 auf Platz 4 der wertvollsten globalen Modemarken geratet haben, ein gutes Stück vor Zara übrigens und mit positiver Tendenz. Oder die Kunden, die H&M wegen Olivier Rousteing die Bude eingerannt haben und im Herbst alle als Kenzo-Tiger herumlaufen werden. Oder die Familie, die rund 40% des mit 48 Milliarden Euro bewerteten Unternehmens hält – die Perssons haben allein für das vergangene Jahr über 650 Millionen Euro Dividende eingestrichen.
Aber natürlich darf sich niemand auf dem Erfolg der Vergangenheit ausruhen. Die schwächelnde Nachfrage nach Mode hat nicht zuletzt demographische Gründe, wie gestern in einem interessanten Beitrag bei Bloomberg nachzulesen war. Danach kaufen 60% der Frauen (in USA) heute weniger Kleidung als noch vor einer Dekade. Was schlicht eine Frage des Alters ist. Während etwa zwei von drei Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren mindestens einmal im Monat shoppen gehen, ist es in der Zielgruppe ab 55 nur noch jede Vierte.
Apropos Alter: In dem Haus in Berlin-Charlottenburg, wo Wolfgang Joop sein Atelier betreibt, hat’s gebrannt. „Ich bin nicht mit Zigarette ins Bett“, verrät er jetzt im Exklusiv-Interview mit OK! (seit gestern am Kiosk!). Er sei gar nicht dagewesen, sondern ausgegangen. Was die Jugend am Freitagabend in Berlin halt so treibt.