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Meet in Italy

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Jür­gen Mül­ler

Es ist immer wie­der fas­zi­nie­rend zu sehen, wie sehr die Mode­bran­che dem eige­nen schö­nen Schein erliegt. Drau­ßen ist Dau­er-Kri­se, ja die Welt sor­tiert sich auf dra­ma­ti­sche Wei­se neu, Poli­tik und Wirt­schaft ste­hen vor gewal­ti­gen Ver­än­de­run­gen. Geld­ver­die­nen war für Han­del und Indus­trie 2024 zum wie­der­hol­ten Male eine enor­me Her­aus­for­de­rung, aktu­ell schü­ren Regie­rungs­wech­sel in USA und in Deutsch­land die Unsi­cher­heit.

In Flo­renz war die­se Woche von all dem wenig zu spü­ren. Es war auf dem Pit­ti Uomo eigent­lich wie immer, jeden­falls vor­der­grün­dig: Strah­len­de Aus­stel­ler, rum­me­li­ge Hal­len, posen­de Pea­cocks, gro­ßes Hal­lo bei den vie­len Side-Events und in den Trat­to­ri­en der Stadt, Absa­cker im Gil­li. Klar, eine Mes­se ist eine Ver­kaufs­ver­an­stal­tung und damit auf gute Lau­ne ange­legt. In Zei­ten wie die­sen sind die­se Platt­for­men indes nicht nur Trend­la­bor, Bran­chen-Treff­punkt und Com­mu­ni­ty Orga­ni­zer, son­dern min­des­tens in glei­chem Maße Moti­va­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen. Die­sem Zweck ist der Pit­ti Uomo mal wie­der voll gerecht gewor­den. Es war wie ein Kurz-Urlaub von der Kri­se.

Flo­renz gibt mit sei­ner Heri­ta­ge und sei­nem Flair einen ein­zig­ar­ti­gen Rah­men ab, gera­de für die Män­ner­mo­de, die mehr noch als die DOB von Spe­zia­lis­ten lebt, die es gera­de in Ita­li­en noch mas­sen­haft gibt. Scha­de, dass die Womens­wear kei­nen ver­gleich­ba­ren Ort hat. In der Bran­che wird zur­zeit vie­les in Fra­ge gestellt. Die­se ein­zi­ge wirk­lich glo­bal rele­van­te Mode­mes­se soll­ten Han­del und Indus­trie indes pfle­gen.

Klar ist, die Ver­ti­ka­li­sie­rung des Mark­tes wird auch die Mens­wear betref­fen. Der Pro­zess ver­läuft lang­sa­mer als in der DOB, wo die schnel­le Trend­ad­ap­ti­on erfolgs­ent­schei­den­der ist und die Coor­di­na­tes-Kol­lek­tio­nen eher D2C-fähig sind als die Pro­dukt­spe­zia­lis­ten der Män­ner­mo­de, jeden­falls sta­tio­när. Aber Zara & Co sind auch hier auf dem Vor­marsch, Mas­si­mo Dut­ti muss den Qua­li­täts­ver­gleich mit Pre­mi­um-Mar­ken nicht scheu­en, Uni­q­lo lie­fert ordent­li­che und preis­güns­ti­ge Basics, im Who­le­sa­le groß­ge­wor­de­ne Mar­ken wie Hugo Boss machen inzwi­schen eben­falls zwei Drit­tel ihres Geschäfts in eige­nen Kanä­len, und neue Anbie­ter ver­su­chen es in der Regel zunächst im Direkt­ver­trieb.

In dem Maße, wie D2C und ver­ti­ka­le Filia­lis­ten Markt­an­tei­le gewin­nen, ver­liert das auf den Mes­sen prä­sen­te Mul­ti­la­bel-Busi­ness an Bedeu­tung. Die­se struk­tu­rel­le Ver­än­de­rung müs­sen die Pit­ti-Macher lang­fris­tig mehr fürch­ten als die kon­junk­tu­rel­le Schwä­che, die der­zeit auch ita­lie­ni­sche Her­ren­mo­de­an­bie­ter erfasst hat. 2024 schlug mit minus 3,6 Pro­zent zu Buche. Grün­de für die Bran­chen­ver­tre­ter auf der Pit­ti-PK, eine stär­ke­re Unter­stüt­zung des Staa­tes ein­zu­for­dern, die die­ser offen­bar auch zu leis­ten bereit ist. Mode hat in Ita­li­en schließ­lich einen ähn­li­chen Stel­len­wert wie hier­zu­lan­de die Auto­mo­bil­in­dus­trie. Das Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um heißt dort „Minis­te­ri­um für Unter­neh­men und 'Made In Ita­ly'“.

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