
Während die Einzelhändler in Deutschland klagen, dass die Kunden wegbleiben, reiben sie sich in Guangshou und Shanghai die Hände. Jeder Fünfte in Deutschland hat laut einer aktuellen YouGov-Befragung Weihnachtsgeschenke bei Shein, Temu & Co gekauft. Gefragt ist vor allem Bekleidung. Die Hälfte der Käufer gibt mehr als 100 Euro bei den chinesischen Plattformen aus. Bei den dortigen Preisen bleibt da kein Platz mehr unterm Weihnachtsbaum.
Ein erklecklicher Teil der Verbraucher ist skeptisch, was die Qualität, Gesundheitsrisiken und fehlende Sicherheitsstandards angeht, so die Studie. Nicht wenige haben zudem ethische Bedenken. Bei der GenZ fürchten gar 50%, dass im Hinblick auf Umwelt und Arbeitsbedingungen bei Shein & Co nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Das nehmen sie aber buchstäblich in Kauf. Und die Plattformen spielen ihren Wettbewerbsvorteil voll aus, indem sie für hiesige Anbieter geltende, preistreibende Regularien unterlaufen.
Es wird höchste Zeit, dass die EU wenigstens die Zollfreiheit abschafft und die chinesischen Plattformen wie alle anderen Anbieter in Haftung nimmt. Das wäre ein guter Vorsatz für 2026, der auch wirklich umgesetzt werden sollte.
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Die Kleiderschränke sind voll, ja. Aber sie waren schon mal voller, wenn man Greenpeace glauben darf. Durchschnittlich 95,3 Teile hat in Deutschland jeder im Schrank, so eine aktuelle Befragung von 1000 Konsumenten. Vor zehn Jahren waren es 89,9. Ist das aus Sicht des Modehandels jetzt eine gute Nachricht?
Fünf Milliarden Kleidungsstücke hängen in deutschen Kleiderschränken, ein Drittel davon bleibt ungetragen. Der Trend gehe zur Kurzlebigkeit, so Greenpeace, immer mehr Kleidung werde schneller aussortiert als früher. „Die Modebranche produziert Kleidung in einem Tempo, das buchstäblich untragbar ist.“ Deshalb bräuchten wir in Deutschland ein „Anti-Fast-Fashion-Gesetz“: eine Sonderabgabe auf Billigmode und ein Werbeverbot, auch auf Social Media.
Ob dies Fehlkäufe verhindern würde? Es würde sie allenfalls noch ärgerlicher machen.
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Die italienische Luxusindustrie steht in Sachen Lieferketten seit längerem unter Beobachtung. Anfang Dezember erhielten 13 Unternehmen Besuch von der Polizei, darunter Prada, Versace, Dolce & Gabbana, Gucci, Missoni, Ferragamo und Coccinelle. Aufträge dieser Brands waren bei Subunternehmen gefunden worden – von Chinesen betriebene Fabriken in Italien, gegen die wegen Arbeitsrechtsverstößen ermittelt wird. Es drohen Zwangsmaßnahmen, die die Justiz dieses Jahr bereits bei Loro Piana, Armani und anderen eingeleitet hat.
Solche Schlagzeilen sind natürlich Gift für das Image von Luxury Brands, die ihre hohen Preise eben auch mit handwerklicher Qualität rechtfertigen. Und sie legitimieren in den Augen vieler Konsumenten womöglich zudem den Einkauf bei Billiganbietern, nach dem Motto 'Sind eh alles Betrüger und Ausbeuter'. In Italien, wo das Subcontracting seit vielen Jahren gängige Praxis ist, wundert einen allenfalls, dass die Behörden das Problem offenbar erst jetzt angehen. BoF berichtet heute Früh von mafiösen Strukturen und organisierter Kriminalität. Von den rund 7000 Firmen, die sich allein in Prato angesiedelt haben, sind 4400 chinesisch. Ein Gutteil der rund 230.000 in Italien lebenden Chinesen arbeitet wahrscheinlich in der Textilbranche.
Vielleicht sollte man statt von 'Made in Italy' ehrlicherweise von 'Made by Chinese' sprechen.
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Die EU entschärft ihr Lieferkettengesetz, bevor es in Kraft tritt. Eine bemerkenswerte Volte angesichts der jahrelangen aufgeregten Streitereien um CSDDD, CSRD, ESRS, CBAM, LkSG oder wie die Werke der Bürokraten noch so alle heißen. Der Druck aus den Mitgliedsstaaten war zu groß geworden.
Diese verkaufen das jetzt als großen Sieg. "Wirklich ein großartiger Tag für Europa", so EU-Rats-Verhandlungsführer Morten Bødskov. Die Unternehmen könnten sich nun auf ihr eigentliches Kerngeschäft konzentrieren, anstatt sich mit Papierkram zu beschäftigen. "Das kann und wird zu einem grüneren Europa beitragen." Meint Bødskov, dass wegen des ausbleibenden Papierkrams jetzt weniger Bäume gefälllt werden müssen? Es ist schon kurios, wie sich Politiker für die Beseitigung von Problemen, die sie selbst zu verursachen vorhatten, feiern lassen.
Werden die Nachhaltigkeitsmanager jetzt alle ihren Job verlieren? Nicht so schnell! Zunächst mal müssen der EU-Rat und das Europäische Parlament formal zustimmen, dann wird es ohnehin bis 2029 dauern, bis das Ganze umgesetzt ist. Die Richtlinie in der verschärften Form bleibt für rund 1500 Großunternehmen bestehen, alle anderen müssen sich jetzt mit wieder neuen Regeln beschäftigen.
Auch wenn die NGOs nun verständlicherweise schäumen, ist es trotzdem gut, dass das drohende Bürokratiemonster abgeräumt wird. Nicht nur, dass übertriebene Reglementierungssucht die EU von ihren Bürgern entfremdet und radikalen Parteien Auftrieb verschafft; die Vorstellung, die Europäer könnten mit ihrer Wirtschaftskraft und juristischen Mitteln die ganze Welt verbessern, war seit jeher allzu idealistisch. Das kann man beklagen. Aber in einer Welt, wo zunehmend das Recht des Stärkeren gilt, sollte man sich nicht auch noch selbst schwächen.