Freitag, 10. Juli. Die Chinesen kommen! Investoren aus dem Reich der Mitte sorgen heute für Schlagzeilen bei gleich zwei marktstarken Playern der deutschen Modeindustrie.
Okay, im Fall von Tom Tailor waren die Chinesen längst da. Fosun übernimmt jetzt mit der Tom Tailor GmbH den überlebensfähigen Kern des Tom Tailor-Konzerns. Das Sorgenkind Bonita wurde bereits im Juni in die Insolvenz geschickt. Nebenbei entledigt sich der chinesische Hauptaktionär der börsennotierten Holding.
Was kurzfristig die beste Lösung scheint und – zusammen mit einer 100 Millionen-Bund-Länder-Bürgschaft – den Fortbestand des Unternehmens sichert, war für den Investor rückblickend kein gutes Geschäft: Ende 2013, das letzte Jahr vor Fosuns Einstieg in Hamburg am 30. Juli 2014, war der Konzern rund 430 Millionen Euro wert. Zum Zeitpunkt der Zerlegung am 9. Juni diesen Jahres waren es noch knapp 40 Millionen. Mit dem Verkauf der operativen Tochterfirma ist die Aktie endgültig zum Penny Stock geworden.
Sieht man sich die übrigen Engagements von Fosun im Modebereich an – neben Tom Tailor hält der chinesische Mischkonzern Mehrheitsbeteiligungen an Wolford, Lanvin, Caruso und St. John – bleibt die Investment-Strategie der Chinesen reichlich unklar.
Ominös auch der zweite Fall: Die Investmentgesellschaft North Point Talent Ltd. aus Hongkong hat sich 12,74% an Esprit gesichert. Und verlangt im gleichen Zug den Kopf von CEO Anders Kristiansen und CFO Johannes Schmidt Schultes, um die eigenen Leute installieren zu können. Der Aktienhandel wird deswegen zeitweise ausgesetzt, und auf Betreiben des neuen Großaktionärs soll demnächst eine außerordentliche Hauptversammlung stattfinden.
Unklar ist, was der Investor will und wer dahinter steht. North Point Talent ist als Firma erst vor etwas über einem Jahr eingetragen worden. Angeblich steht ein chinesisches Family Office dahinter. Ansonsten gibt Google keine Auskunft. Das Eingreifen des neuen Großaktionärs trifft Esprit jedenfalls in einem extrem kritischen Moment. Mitten in der Insolvenz und der angekündigten radikalen Sanierung den Chef auszutauschen, sorgt für noch mehr Unruhe und könnte übel für das Unternehmen ausgehen.
Die beiden Fälle sind womöglich nur die Vorboten einer anrollenden Übernahmewelle. Auch wenn sich die PEs in der Vergangenheit nicht selten eine blutige Nase bei ihren Ausflügen in die Modebranche geholt haben – durch die Corona-Krise sind viele Unternehmen geschwächt und billig zu bekommen. Leichte Opfer für kapitalstarke Finanzinvestoren.
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Dienstag, 14. Juli. Die Bundesregierung macht Ernst und kündigt das Lieferkettengesetz für Anfang 2021 an. Damit sollen Unternehmen ab 500 Mitarbeiten für die Einhaltung ökologischer und sozialer Mindeststandards in den internationalen Beschaffungsmärkten haften. Die Details sind noch nicht bekannt, aber die Verbände laufen schon einmal Sturm dagegen.
Auf der einen Seite schreibt das Gesetz lediglich fest, was ohnehin selbstverständlich sein sollte. Und indem es für alle gleichermaßen verbindlich ist, beseitigt es Wettbewerbsnachteile der Anständigen, die sich die Sicherstellung von Sozial- und Umweltstandards etwas kosten lassen und ihre Ware deswegen häufig nicht so günstig anbieten können wie die Preisbrecher, die auf Menschenrechte und die Umwelt pfeifen. Auf der anderen Seite schafft das Gesetz neue Wettbewerbsnachteile, nämlich der deutschen Industrie gegenüber der internationalen Konkurrenz. Deshalb sollte die Bundesregierung eine mindestens europäische Regelung anstreben.
Perspektivisch wird ein Lieferkettengesetz weiter Sand ins Getriebe der internationalen Arbeitsteilung streuen. Von dieser Arbeitsteilung haben nicht nur die hiesigen Unternehmen, sondern auch die Menschen in den Entwicklungsländern profitiert. So beteiligt sich die deutsche Politik aus wohlmeinenden Gründen an der von Trump & Co aus ganz anderen Motiven angestoßenen Deglobalisierung.
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Mittwoch, 15. Juli. „Wir wollen nicht online einkaufen“, skandieren Brühler Bürger vor dem dortigen Kaufhof. In Frankfurt unterschreiben 13.000 eine Petition gegen die Karstadt-Schließung. An etlichen GKK-Standorten gehen Menschen für den Erhalt „ihres“ Warenhauses auf die Straße. Wären sie nur mal öfter rein gegangen.