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Die vierte Welle

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Jürgen Müller

Die vierte Welle kommt nicht überraschend, allenfalls in ihrer Wucht. Die Experten haben die Entwicklung lange vorausgesagt. Die Politik für ihr offenkundiges Versagen zu kritisieren, ist indes müßig. Die Regierung ist abgewählt, wenn auch aus anderen Gründen. Die Ampel hätte jetzt die Chance, es besser zu machen. Es sieht nach den gestrigen Beschlüssen nicht danach aus. Fast wünscht man sich für den 6. Dezember eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Antrittsrede des neuen Bundeskanzlers. Aber Olaf Scholz ist kein Churchill. Mal sehen, ob seine Wähler wirklich die Führung bekommen, die sie bestellt haben.

Dass angesichts von Tod und Leid jetzt Rufe nach einer allgemeinen Impfpflicht laut werden, verwundert nicht. Bis alle 25 Millionen Ungeimpften durchinfiziert sind, werden noch viele Winter vergehen. Das können wir uns nicht leisten. Ein Impfzwang dürfte indes kaum durchsetzbar sein. Aber in jedem Fall wird der Druck auf die Ungeimpften steigen, mit Kontaktbeschränkungen und beim Geldbeutel. Das ist im Interesse der Allgemeinheit auch richtig so. Auch wenn man bei einer rationalen Risikoabwägung zu keinem anderen Ergebnis kommen kann, als sich impfen zu lassen, scheinen die Bedenkenträger mit Vernunftsappellen nicht mehr aus ihrer Trotzecke zu bekommen sein.

Eine erneute großflächige Schließung von Läden soll es, wenn es nach der Ampel geht, nicht geben. Auch weil der Einzelhandel, nach allem, was man nach 18 Monaten weiß, im Unterschied zur Gastronomie und Großveranstaltungen kein Übertragungsort für das Virus ist. Dass es in einzelnen Bundesländern nicht trotzdem dazu kommt, ist allerdings nicht auszuschließen. Es ist unklar, was die Länderparlamente ab einer Hospitalisierungsrate von 9 entscheiden werden. Zudem sollen die gestrigen Beschlüsse Mitte Dezember überprüft werden. Auf regionaler Ebene sind harte Kontaktbeschränkungen daher sehr wahrscheinlich. Das zeigt die Entwicklung in Österreich. Dort gilt ein Lockdown für Ungeimpfte, und es wird bereits über eine allgemeine Ausgangssperre gesprochen. Auch in Sachsen plant die Regierung einen „harten Wellenbrecher“. 

So müssen sich die Unternehmen auf einen weiteren harten Winter einstellen. Schon 2G ist Gift fürs Geschäft, für die Frequenzen und die Umsätze. Wenn es kein Blutbad im Einzelhandel geben soll, wird die neue Regierung um eine Verlängerung von Überbrückungshilfen und Kurzarbeitsregelungen nicht herumkommen.

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Und sonst?

…hat Wolfgang Joop im Spiegel in dandyhafter Pose von vermeintlich guten alten Zeiten geplaudert, von einer Modewelt, die „so wunderbar frivol und frigide war und mit Models – gelinde gesagt nicht allzu respektvoll umgegangen sei. Nach einem gigantischen Shitstorm ruderte er zurück und bat um Entschuldigung für die verklärenden Aussagen. Diese seien im Kontext deplatziert gewesen.

…wird die Sportmesse ISPO vom bisherigen Januar-Termin auf November vorgezogen. Auch eine Reaktion auf die aktuellem Corona-Verwerfungen, die die Unternehmen zu früheren Dispositionen zwingen, so Messechef Tobias Gröber in der TW. „Ende Januar, zwei Wochen nach der letzten Orderdeadline, säßen wir auf einem irrelevanten Termin.“  Was heißt das eigentlich für den Reigen der Modemessen?

…von wegen neues Modesystem: Eigentlich wollte Alessandro Michele sich ja von „abgetragenen Saisonritualen“ befreien. Jetzt zeigt Gucci nach kurzer Abstinenz wieder in Mailand. Und will sogar von zwei auf vier Schauen gehen. Es ist nicht Corona, die die Kreativen zum Hakenschlagen bringt, sondern der nachlassende Glanz der Marke, der nach mehr Spektakel verlangt.

…lud Prada gestern zum Investorentag. Unabhängig zu bleiben ist nicht das erste Ziel, das wir im Auge haben, so Patrizio Bertelli gegenüber BoF, der mit Miuccia Prada Verkaufsabsichten stets bestritt. Man kann auch ein kleineres Stück von einem größeren Kuchen besitzen. Die Stabübergabe an den gemeinsamen Sohn Lorenzo Prada ist in den nächsten drei Jahren geplant.

…verleiht Highsnobiety dem Züricher Flughafen Credibility. Gemeinsam eröffnet man einen Store. Und zeigt potenziellen Highsnobiety-Investoren, wo weiteres Wachstumspotenzial für das Online-Magazins steckt.

…eine unkonventionelle Personalie: So soll Rose Bike-Inhaber Markus Diekmann jetzt den P&C-Eigenmarken D2C-mässig aufs Fahrrad helfen.

…Wann hat man jemals einen C&A-Manager auf einem Branchenpodium erlebt? Da musste wohl erst eine Managerin kommen. Am 8. Dezember tritt Giny Boer beim Modehandelskongress der TW auf. Eine gute Gelegenheit, das „einfachere, unkompliziertere Betriebsmodell“ zu erklären, von dem in der letzten Pressemitteilung die Rede ist, die zu heftigem Rauschen im Blätterwald geführt hat. Spekulationen, es würden bis zu 100 Häuser und die Brüsseler Zentrale geschlossen, hat C&A dementiert.