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Ein Fest für die Community

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Jür­gen Mül­ler

Auch nach dem vier­ten Mal ist immer noch erstaun­lich, was sich in Ulm eta­bliert hat. Über 2200 Bran­chen­pro­fis – Unter­neh­mer, Ein­käu­fer und Ver­triebs­ver­ant­wort­li­che – kamen die­se Woche zum unitex Fashion­Fes­ti­val. Deut­lich mehr als beim letz­ten Mal. Die drei Hal­len waren voll belegt, das Rah­men­pro­gramm muss­te in eine Extra-Hal­le und das Lunch in ein Außen­zelt ver­legt wer­den. Eine Mode­mes­se, und das in Ulm! Wer lan­ge genug dabei ist, ver­spür­te beim Gang über das Gelän­de ein leich­tes Deja-vu, wenn nicht gar CPD-Vibes.

Tat­säch­lich ist das Fashion­Fes­ti­val eher die Simu­la­ti­on einer Mes­se. Jeden­falls einer Mes­se, wie die Bran­che sie kennt. Es geht in Ulm nicht um Ware oder Trend­in­for­ma­ti­on und schon gar nicht ums Ordern. Da ist schon der Ter­min vor. Der Main­stream-Markt funk­tio­niert längst nach ande­ren Geset­zen, und so ist es nur kon­se­quent, das Gan­ze nicht Mes­se, son­dern Fes­ti­val zu nen­nen. Ein Ort für ein fröh­li­ches Meet & Greet, ein Anlass, zu dem eine Com­mu­ni­ty sich begeg­net. So soll es nicht weni­ge Teil­neh­mer geben, für die die Par­ty der Höhe­punkt ist. Die­ses Mal hat­te man mit Jan Delay und Vanes­sa Mai zwei Star-Acts auf­ge­bo­ten.

Wer weiß, ob es das Fashion­Fes­ti­val ohne Coro­na gege­ben hät­te. Die unitex-Macher haben vor drei Jah­ren dar­auf gesetzt, dass das Bedürf­nis von Ein­zel­händ­lern und Lie­fe­ran­ten, sich nach den Lock­downs wie­der phy­sisch zu begeg­nen, nach der Pan­de­mie extrem groß sein wür­de. Ber­lin war zu die­sem Zeit­punkt vor­bei, und in Düs­sel­dorf ver­hin­dern die Show­rooms einen gro­ßen, gemein­schaft­li­chen Auf­tritt. Mit der Coro­na-Kri­se hat die Indus­trie zudem den klei­nen und mit­tel­stän­di­schen Fach­han­del wie­der­ent­deckt. Der ist dank staat­li­cher Hil­fe nicht sel­ten bes­ser als vie­le Groß­be­trie­be durch die Pan­de­mie gekom­men. Und dies ist die Kli­en­tel der unitex, deren Haupt­ge­schäft die Zen­tral­re­gu­lie­rung zwi­schen den 800 ange­schlos­se­nen Han­dels­part­nern und 650 Lie­fe­ran­ten ist. So nutz­ten Xaver und Ger­hard Albrecht ihre Chan­ce und schwan­gen sich erfolg­reich zum Com­mu­ni­ty Orga­ni­zer auf. Neben­bei sorg­ten sie dafür, dass ihre ver­gleichs­wei­se klei­ne Unitex als gewich­ti­ger Fak­tor in der Bran­che wahr­ge­nom­men wird. In die­ser Form macht das nur noch die Katag mit ihrem Mar­ken­tag.

Natürlich wäre eine einzige große Messe theoretisch effizienter. Das hat die Branche aber selbst verbockt.

Der Erfolg die­ser Ver­an­stal­tun­gen zeigt, wie wich­tig der Bran­che Kom­mu­ni­ka­ti­on und Aus­tausch gera­de in schwie­ri­gen Zei­ten ist. Ledig­lich die Ver­triebs­leu­te in der Indus­trie bekla­gen die Fül­le an Ver­an­stal­tun­gen – im April der Katag-Mar­ken­tag in Bie­le­feld, letz­te Woche das TW-Forum, die­se Woche Ulm, kom­men­de Woche die Katag-Chef­ta­gung in Bie­le­feld. Dazu kom­men die Mes­sen in Flo­renz, Kopen­ha­gen und Ams­ter­dam. Und Düs­sel­dorf gibt es ja auch noch, dort geht es end­lich ums Ver­kau­fen.

Natür­lich wäre eine ein­zi­ge gro­ße Mes­se theo­re­tisch effi­zi­en­ter. Das hat die Bran­che aber selbst ver­bockt, und dazu wird es in Deutsch­land ziem­lich sicher auch nicht mehr kom­men. Zu zer­split­tert ist der Markt, in dem das Mul­ti­la­bel-Geschäfts­mo­dell nur noch den klei­ne­ren Teil aus­macht. Zu sehr trans­for­miert sich die­ses Geschäfts­mo­dell mit­tels digi­ta­ler Tools immer mehr in Rich­tung Sys­tem­ge­schäft. Zu unter­schied­lich sind die Inter­es­sen der Akteu­re – der Aus­stel­ler und Besu­cher, der DOB und HAKA, der Ver­an­stal­ter und der Lokal­po­li­tik, die im Mes­se­ge­schäft eben­falls mit­re­det. Zu wan­kel­mü­tig ist aber auch die Men­ta­li­tät der Mode­leu­te, die regel­mä­ßig Neu­es wol­len und gleich­zei­tig Kos­ten spa­ren müs­sen. Was es jedem Inves­tor schwer macht, ein nach­hal­tig funk­tio­nie­ren­des Busi­ness auf­zu­bau­en.

So bleibt der Indus­trie nichts ande­res übrig, als wei­ter­hin die Rei­se­bud­gets zu stra­pa­zie­ren. Der Han­del reist nach Flo­renz, Paris, Kopen­ha­gen oder Düs­sel­dorf. Und eben auch nach Ulm und Bie­le­feld.

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4 Antworten zu “Ein Fest für die Community

  1. Das Unitex Fashion Fes­ti­val #uFF25 hat gezeigt, dass unse­re Bran­che doch von den per­sön­li­chen Kon­tak­ten lebt…Gerade wenn’s mal nicht so läuft… es ist und bleibt „peo­p­le Busi­ness“. Und direkt mit­ein­an­der spre­chen ist alle­mal bes­ser und nach­hal­ti­ger als Mails schrei­ben. Und sym­pa­thi­scher sowie­so. Ich habe vie­le Händ­ler getrof­fen, die eine natio­na­le Mes­se ver­mis­sen, Flo­renz ist nice, aber man­chem auch zu auf­wen­dig. Und auch die Dar­stel­lung in Ulm mit ein­heit­li­chen Stand­grös­sen wur­de sehr geschätzt. Gar nicht zu spre­chen vom Cate­ring und den Show­acts und inter­es­san­ten Vor­trä­gen. Gro­ßes Kino und Dank an die Ver­ant­wort­li­chen der Unitex für die­ses Enga­ge­ment 🙏👍🙌

  2. …es ist das alte Lied, wel­ches wir sin­gen. Klar drängt die Ver­ti­ka­li­sie­rung den gan­zen Fashion Han­del in die Digi­ta­li­sie­rung. Wir haben das auf dem TW Forum gehört: Fashion Cloud holt noch einen Pro­zent­punkt mehr raus.
    Wir müs­sen uns aber ste­tig vor Augen hal­ten, dass der Mensch begeis­tert wer­den will. Das gilt nicht nur für den End­ver­brau­cher, son­dern auch für die Mit­glie­der der Bran­che. Ohne das Fei­ern der eige­nen Bran­che, kön­nen wir unse­re Kun­den nicht begeis­tern. Der Mensch ist seit Uhr­zei­ten ein Geschich­ten­er­zäh­ler. Der Erfolg des Fashion Fes­ti­vals in Ulm zeigt gera­de, dass das Pen­del
    dabei ist zurück zu schwin­gen.
    Die Händ­ler star­ten gera­de wie­der ihre Suche nach ech­ten Mar­ken. Das ist auch die ein­zi­ge Chan­ce des mit­tel­stän­di­schen Han­dels im Kampf gegen die ver­ti­ka­len Teu­fel.

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