
Auch nach dem vierten Mal ist immer noch erstaunlich, was sich in Ulm etabliert hat. Über 2200 Branchenprofis – Unternehmer, Einkäufer und Vertriebsverantwortliche – kamen diese Woche zum unitex FashionFestival. Deutlich mehr als beim letzten Mal. Die drei Hallen waren voll belegt, das Rahmenprogramm musste in eine Extra-Halle und das Lunch in ein Außenzelt verlegt werden. Eine Modemesse, und das in Ulm! Wer lange genug dabei ist, verspürte beim Gang über das Gelände ein leichtes Deja-vu, wenn nicht gar CPD-Vibes.
Tatsächlich ist das FashionFestival eher die Simulation einer Messe. Jedenfalls einer Messe, wie die Branche sie kennt. Es geht in Ulm nicht um Ware oder Trendinformation und schon gar nicht ums Ordern. Da ist schon der Termin vor. Der Mainstream-Markt funktioniert längst nach anderen Gesetzen, und so ist es nur konsequent, das Ganze nicht Messe, sondern Festival zu nennen. Ein Ort für ein fröhliches Meet & Greet, ein Anlass, zu dem eine Community sich begegnet. So soll es nicht wenige Teilnehmer geben, für die die Party der Höhepunkt ist. Dieses Mal hatte man mit Jan Delay und Vanessa Mai zwei Star-Acts aufgeboten.
Wer weiß, ob es das FashionFestival ohne Corona gegeben hätte. Die unitex-Macher haben vor drei Jahren darauf gesetzt, dass das Bedürfnis von Einzelhändlern und Lieferanten, sich nach den Lockdowns wieder physisch zu begegnen, nach der Pandemie extrem groß sein würde. Berlin war zu diesem Zeitpunkt vorbei, und in Düsseldorf verhindern die Showrooms einen großen, gemeinschaftlichen Auftritt. Mit der Corona-Krise hat die Industrie zudem den kleinen und mittelständischen Fachhandel wiederentdeckt. Der ist dank staatlicher Hilfe nicht selten besser als viele Großbetriebe durch die Pandemie gekommen. Und dies ist die Klientel der unitex, deren Hauptgeschäft die Zentralregulierung zwischen den 800 angeschlossenen Handelspartnern und 650 Lieferanten ist. So nutzten Xaver und Gerhard Albrecht ihre Chance und schwangen sich erfolgreich zum Community Organizer auf. Nebenbei sorgten sie dafür, dass ihre vergleichsweise kleine Unitex als gewichtiger Faktor in der Branche wahrgenommen wird. In dieser Form macht das nur noch die Katag mit ihrem Markentag.
Natürlich wäre eine einzige große Messe theoretisch effizienter. Das hat die Branche aber selbst verbockt.
Der Erfolg dieser Veranstaltungen zeigt, wie wichtig der Branche Kommunikation und Austausch gerade in schwierigen Zeiten ist. Lediglich die Vertriebsleute in der Industrie beklagen die Fülle an Veranstaltungen – im April der Katag-Markentag in Bielefeld, letzte Woche das TW-Forum, diese Woche Ulm, kommende Woche die Katag-Cheftagung in Bielefeld. Dazu kommen die Messen in Florenz, Kopenhagen und Amsterdam. Und Düsseldorf gibt es ja auch noch, dort geht es endlich ums Verkaufen.
Natürlich wäre eine einzige große Messe theoretisch effizienter. Das hat die Branche aber selbst verbockt, und dazu wird es in Deutschland ziemlich sicher auch nicht mehr kommen. Zu zersplittert ist der Markt, in dem das Multilabel-Geschäftsmodell nur noch den kleineren Teil ausmacht. Zu sehr transformiert sich dieses Geschäftsmodell mittels digitaler Tools immer mehr in Richtung Systemgeschäft. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Akteure – der Aussteller und Besucher, der DOB und HAKA, der Veranstalter und der Lokalpolitik, die im Messegeschäft ebenfalls mitredet. Zu wankelmütig ist aber auch die Mentalität der Modeleute, die regelmäßig Neues wollen und gleichzeitig Kosten sparen müssen. Was es jedem Investor schwer macht, ein nachhaltig funktionierendes Business aufzubauen.
So bleibt der Industrie nichts anderes übrig, als weiterhin die Reisebudgets zu strapazieren. Der Handel reist nach Florenz, Paris, Kopenhagen oder Düsseldorf. Und eben auch nach Ulm und Bielefeld.