Das Bekleidungsangebot in Deutschland schrumpft, meldete kürzlich der BTE. Das liest sich irgendwie alarmistisch, von einem Notstand sind wir aber natürlich weit entfernt. 3,75 Milliarden Bekleidungsteile seien in Deutschland 2021 verfügbar gewesen, hat der Verband ausgerechnet. Das seien zwar 650 Millionen Teile weniger als 2018. Statistisch gesehen entfielen auf jeden der gut 83 Millionen Einwohner aber immer noch 45 neue Bekleidungsstücke, die der Einzelhandel an den Mann bzw. die Frau zu bringen hatte.
Selbst wenn in der Erhebung jede Socke und Unterhose eingerechnet ist, ist das eine gigantische Zahl, die illustriert, wo viele Probleme der Bekleidungsbranche ihren Ausgangspukt haben. Wenn der Rückgang des Überangebots wenigstens auf eine verbesserte Planung und ein optimiertes Supply Chain Management der Unternehmen zurückzuführen wäre, könnte man von einer guten Nachricht sprechen. Tatsächlich dürfte die rückläufige Inlandsverfügbarkeit im vergangenen Jahr vor allem die Folge von Lieferproblemen und ‑ausfällen wegen Corona sein.
Der Markt ist auch im dritten Pandemie-Jahr in Aufruhr. Sortimentsentscheidungen waren noch nie so komplex wie in der laufenden Orderrunde. Wegen der diversen Lockdowns fehlt den Unternehmen die Planungsgrundlage. Der Vergleich mit dem Ausnahmejahr 2021 taugt nicht. 2019 ist die bessere Referenz, aber da war die Welt noch eine andere. Die Folgen des Ukraine-Krieges erschweren wiederum die Prognosen. Die Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln drücken auf das Konsumklima. Bei Bekleidung wird wahrscheinlich gespart werden. Das HDE-Konsumbarometer ist seit Monaten im Keller. In der gesamten Eurozone hat die Verbraucherstimmung im Juli ein Rekordtief erreicht, wie die EU-Kommission am Mittwoch mitteilte. Und was die anrollende Corona-Herbstwelle fürs Geschäft bringen wird, ist ungewiss. Momentan tangiert Covid massiv die ohnehin ausgedünnten Belegschaften. Management heißt dieser Tage in vielerlei Hinsicht: Fahren auf Sicht.
Mehr denn je gilt, dass die profillose Mitte keine Zukunft hat.
Aber mit Kompass. Denn auch strategisch gibt es Entwicklungen zu berücksichtigen. Konsumpräferenzen haben sich rasant geändert. Mehr denn je Menschen kaufen im Internet. Selbst wenn der Online Retail zurzeit wieder Marktanteile abgibt, haben sich die Kanäle nachhaltig verschoben, für Stationär wird weniger vom Kuchen bleiben. Das DMI spricht von einer Polarisierung des Modekonsums: Die Leute kleiden sich entweder radikal bequem im Alltag oder radikal anlassbezogen. Sie konsumieren entweder slow und nachhaltig oder ultra-fast, entweder richtig billig oder richtig teuer. „Dort wo früher die modische Mitte war, ist inzwischen nichts mehr.“ Ganz so dramatisch muss man das wahrscheinlich nicht sehen. Mehr denn je gilt aber, dass die profillose Mitte keine Zukunft hat.
Wenn sich das Multilabel-Business in diesen Tagen in Düsseldorf trifft, werden all diese Überlegungen eine Rolle spielen. Und mehr denn je werden sich die Gespräche ums Pricing drehen. Die Preise müssten streng genommen kräftig steigen, was der Markt indes auf breiter Front nicht zulassen wird. So lagen die Preise für Bekleidung laut Destatis im Juni lediglich um 0,4% über dem Vorjahr, während die allgemeine Inflationsrate bei 7,6% lag. Das hängt natürlich auch mit Abschriften zusammen, die aber laut BTE weniger hoch seien als üblich. Die Restbestände an aktueller Ware lägen unter dem sonst üblichen Wert, so der Verband am Montag. Klar: Es wurden schließlich – siehe oben – 650 Millionen Teile weniger geliefert.