Samstag, 2. Dezember. Über die ich-bezogene und angeblich arbeitsscheue Gen Z ist viel geschrieben und noch mehr geredet worden. Zum modischen Style dieser Generation gab es dagegen vergleichsweise wenig zu lesen. Vielleicht liegt das auch daran, dass die meisten, die sich professionell mit Mode beschäftigen, diesen Look nicht mehr verstehen.
Oder gar nicht mehr verstehen wollen. „Es wirkt befremdlich, mit Trekkingwear, Sportbrille und Wanderschuhen durch die Fußgängerzone zu stapfen, wo doch die einzige Anhöhe, die wir erklimmen, die Rolltreppe des Uniqlo ist“, schreibt Carlott Bru heute in der SZ. „Oder die riesigen Kleidungsstücke, die an allen herumwabern: unförmige Sweatshirtjacken, Stonewash-Jeans, Jogginghosen, Seventies-Lederjacken. Wieso muss alles so aussehen, als wäre es auf der Straße aufgesammelt worden?“
Möglicherweise geht es darum, den Eltern eins auszuwischen und sich abzugrenzen, spekuliert die 20jährige Autorin. Die gute alte Mode-Rebellion also. Es ist in der Tat ein Look, in dem Über-30jährige schnell mit Obdachlosen verwechselt werden könnten, zumindest, wenn man keinen Blick für Vintage-Design hat und in Crocs keine zweite Ebene zu erkennen vermag.
Bru hat eine weitere Erklärung, warum ihre AltersgenossInnen tragen, was sie tragen: „Wir sind noch jung. Wir sollten nicht all diese Verantwortung tragen müssen. Und doch lastet sie auf uns: die Weltuntergangsstimmung. In Form von Tech-Wear, mit der wir auch eine Zombie-Apokalypse überleben könnten. Mit verspiegelten Brillen, hinter denen man die Angst nicht sieht. Einem Diesel-Gürtel, dessen dickes Logo zur Not auch als Schlagring fungieren könnte. Weiten Klamotten, die alles abwehren und von uns weghalten. Kleidung, die aussieht, als wäre uns alles egal. Weil wir uns wünschen, es wäre so.“
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Montag, 4. Dezember. Mode wird indes nicht nur auf Flohmärkten gesucht, sondern vor allem im Internet. Laut Lyst suchen die KundInnen in diesem Jahr am Allermeisten nach der Marke Miu Miu, Platz 1 bei den Logos belegt Loewe, Trendthemen Nummer 1 sind Hot Pants und transparente Schuhe, der beliebteste Sneaker ist der Samba von Adidas. Tasche des Jahres die Shoulder Bag von Uniqlo. An die hat womöglich auch Carlott Bru gedacht, bevor sie die Rolltreppe erklommen hat.
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Dienstag, 5. Dezember. „EU einigt sich auf Vernichtungsverbot für unverkaufte Kleidung“, meldet dpa. Der Applaus von grünen Lobbyisten und weiter Teile der Öffentlichkeit ist dem Europaparlament gewiss. Und die Modebranche steht erneut als ressourcenverschwendende Veranstaltung am Pranger. Es gibt diese Praxis zweifellos. Unvergessen der Auftritt von Philippe Schaus beim TW-Forum 2007. Der damalige Louis Vuitton-Chef wies zur Verblüffung des Branchenpublikums völlig selbstverständlich darauf hin, dass man überzählige Taschen lieber vernichte, bevor man die Preise reduziere. Was schließlich der Marke schaden würde.
Vermutlich haben die Autoren der Ökodesign-Verordnung andere Unternehmen als Louis Vuitton im Sinn. Es ist zugleich eine ordentliche Portion Symbolpolitik im Spiel. Denn es ist höchst unklar, wieviel unverkaufte Kleidung pro Jahr in der EU tatsächlich vernichtet wird. Das Problem ist angesichts der Gesamtmenge an gehandelter Bekleidung vermutlich sehr gering. Kein Unternehmen, das vom Verkauf von Ware lebt, wird diese mutwillig vernichten. Überproduktion durch eine möglichst nachfragegerechte Planung zu vermeiden, liegt im wirtschaftlichen Interesse der Firmen, dazu braucht es keine neuen Vorschriften. Wenn die geplante Ökodesign-Verordnung in Kraft tritt, müssen große Unternehmen jedes Jahr offenlegen, wie viele unverkaufte Produkte sie aussortieren und warum. Diese zusätzliche Bürokratie treibt lediglich Kosten und Preise.
Dass, wie sich ein CDU-Europaabgeordneter zitieren lässt, amerikanische und chinesische Anbieter von der Regelung ebenso betroffen seien, ist natürlich ein Witz. Wer schickt schon seine Fehlkäufe an Shein zurück. Diese Ware wird von den Kunden direkt selbst entsorgt. Einfuhrzölle auch für Kleinstmengen aus China wären deshalb nicht nur wettbewerbspolitisch angesagt, sondern womöglich auch ökologisch effektvoller. Aber mit komplizierten Zollthemen lässt sich beim Publikum halt nicht so schön punkten.
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Mittwoch, 6. Dezember. Es ist natürlich Zufall, aber einen Tag nach der Meldung zur Ökodesign-Verordnung kündigt Zara den Roll-out seiner Pre-owned-Plattform an. Diese wird In Deutschland zum 12. Dezember freigeschaltet. Kunden können dort Zara-Ware untereinander verkaufen, als Spende abholen lassen und zur Reparatur geben. Natürlich hätte man gerne gewusst, wie das Secondhand-Angebot in den Testmärkten Großbritannien und Frankreich angenommen wurde, wieviele Kunden das tatsächlich und in welchem Umfang nutzten. Aber ein PR-Effekt geht in jedem Fall davon aus. Jeder sieht, dass Zara sich über den Erstverkauf seiner Produkte hinaus kümmert und nicht Fast Fashion, sondern Lasting Fashion sein möchte.
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Donnerstag, 7. Dezember. Ab Januar wird Amazon in den USA die Provisionen für Marktplatz-Verkäufe von Billigmode unter 20 Dollar drastisch senken: von derzeit 17 auf dann 5 und 10%. Der Online-Gigant lässt damit die Muskeln spielen gegenüber Shein, der bekanntlich ebenfalls Marktplatzambitionen hat. Zugleich öffnet Amazon damit die Schleusen für noch mehr Fast Fashion.
Aber dass Amazon für Konsumzurückhaltung eintritt, um Ressourcen zu schonen, wäre ja auch verlogen. „Wir fühlen uns unserem Planeten verpflichtet und investieren intensiv in Umwelt- und Klimaschutz“, heißt es auf der Nachhaltigkeits-Website des Konzerns. „Davon profitiert auch unser Geschäft mit unseren Kund:innen und die Regionen, in denen wir tätig sind.“ Dort gibt es übrigens auch detaillierte Infos zu Amazons Umgang mit Retouren: „Nur als letzten Ausweg schicken wir Produkte zur energetischen Verwertung. Das ist für uns die am wenigsten attraktive Option, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich.“