Neue Läden sind immer auch ein Signal an den Markt. In guten Zeiten sind sie Ausweis von Innovationskraft und Verkörperung von Vorwärtsstrategien. Doch in Zeiten wie diesen sind Store Openings manchmal auch eine Art Lebenszeichen. Und ein Beleg dafür, dass ein Unternehmen noch an die eigene Zukunftsfähigkeit glaubt.
Nun haben dieser Tage gleich mehrere „Sorgenkinder“ aus dem Textileinzelhandel mit neuen Store-Formaten für Schlagzeilen gesorgt. So hat C&A im niederländischen Leidschendam ein 2350 m² großes „Lernlabor“ eröffnet. Das ist nicht etwa ein Weiterbildungsangebot für die Kundschaft, sondern ein Pilotstore, in dem das Unternehmen neue Präsentationskonzepte testet: mit attraktiverer Wareninszenierung, neuer Wegeführung, einem veränderten Licht- und neuem Sound- und Duftkonzept sowie Kassen, die zum „Service Desk“ umfunktioniert wurden. Die Kund:innen würden eingeladen, sich emotional auf die Marke C&A einzulassen, heißt es in der Pressemitteilung. Ob die sich auch einlassen wollen? Lässt man den Marketingsprech beiseite, ist eine Weiterentwicklung angesichts der tristen Realität an vielen POS sicher sinnvoll.
Die Erkenntnisse aus dem „Lernlabor“ sollen sukzessive auf die anderen Filialen übertragen werden. Von denen es freilich immer weniger gibt. C&A hat in den vergangenen drei Jahren etliche seiner einst 1400 Filialen in Europa geschlossen, insgesamt wohl eine dreistellige Zahl. Das ist im Übrigen keine Ausnahme. Auch H&M und Inditex haben ihre Filialportfolios kräftig bereinigt. Anders als die Schweden und Spanier kämpfen die Brenninkmeijers indes seit drei Jahrzehnten ein Rückzugsgefecht. Der 340 Millionen-Verlust der deutschen Gesellschaft im Coronajahr 2020/21 war heftig. Aber auch im Geschäftsjahr vor der Pandemie hatte C&A bereits 95 Millionen versenkt. Die neue CEO Giny Boer ist angetreten, mit ihrem „One C&A“-Plan das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen. Und das meiste Geld lässt die Kundschaft trotz Online-Boom halt immer noch in den Kassen der Läden. Die können gar nicht attraktiv genug sein.
Angesichts des jahrelangen Niedergangs sind ein radikaler Strategieschwenk und ein Neuanfang für Esprit vielleicht alternativlos. Offen ist freilich, ob die Kundschaft in Amerika und Asien auf ein Comeback der Marke gewartet hat.
Zweites Beispiel: P&C. Während in Düsseldorf der Abbau von 350 Arbeitsplätzen verkündet wird, eröffnet das Unternehmen in Berlin seinen Conscious Store. Parallel dazu sickern Expansionspläne in Italien durch. Das 3000 m² große Haus in Berlin ist lange angekündigt und noch länger geplant. 60 Mitarbeiter wurden dafür eingestellt.
Dass man diese Eröffnung trotz Schutzschirmverfahren nicht abgeblasen hat, unterstreicht die Aussage, dass das Filialnetz von der laufenden Restrukturierung wenig tangiert und der Verkaufsbetrieb weiterlaufen soll mindestens so sehr, wie man seine Nachhaltigkeitsambitionen herausstellen möchte. Es ist in jedem Fall ein innovativer Ansatz für ein großflächiges Filialunternehmen. Wie ernst es P&C damit meint, ob die Düsseldorfer nachhaltige Labels wie Lanius oder Knowledge Cotton Apparel weiter ordern, wenn die Flächenproduktivitäten unter dem gewohnten Niveau bleiben sollten oder ob dann irgendwann nur noch das grüne & im P&C‑Logo bleibt, wird sich gerade unter dem aktuellen wirtschaftlichen Druck schnell erweisen.
Last but not least hat auch Esprit einen Eindruck von seinem neuen Ladenauftritt gegeben. Der Popup-Store im Memphis-Look ist Zurück in die Zukunft at its best. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte die Marke damit für Aufsehen gesorgt. Dass der neue Laden in New York steht und nicht in Düsseldorf, Berlin oder München, zeigt, wohin die neuen chinesischen Eigentümer mit der Marke wollen. Offenbar nicht mehr vorrangig in die Sortimente der deutschen Einzelhändler. Diese haben sich auch von sich aus bereits vielfach abgewendet. Deutschland stand mal für über die Hälfte des Esprit-Umsatzes, zuletzt war es kaum mehr ein Drittel. In gut zehn Jahren hat Esprit insgesamt Dreiviertel seines Umsatzes verloren und fast 12.000 seiner ehemals gut 14.000 Arbeitsplätze abgebaut. Im Geschäftsjahr 2022 schrieb man Verluste in Höhe von umgerechnet 80 Millionen Euro, und der Umsatz sank um 15 Prozent auf umgerechnet rund 840 Millionen Euro, den niedrigsten Stand seit 20 Jahren.
Bislang hat man nicht dem Eindruck, als hätten die neuen Eigentümer den Niedergang aufhalten können. Stattdessen eröffneten sie ein neues Design-Headoffice in New York und einen „Digital Hub“ in Amsterdam. Die Top-Entscheider sitzen in Hongkong und nicht mehr in Ratingen, wo immer noch wesentliche Teile der Organisation in der 100.000 m² großen Ex-Zentrale arbeiten. Angesichts des jahrelangen Niedergangs sind ein radikaler Strategieschwenk und ein Neuanfang für die Marke vielleicht alternativlos. Offen ist freilich, ob die Kundschaft in Amerika und Asien auf ein Comeback von Esprit gewartet hat.