„Wir haben einen Fehler gemacht. Es wird dauern, Ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Aber wir werden alles dafür tun.“ Sie haben ordentlich Kreide gefressen in der Kommunikationsabteilung von Adidas, wo normalerweise ein cooler Investor Relations-Jargon gepflegt wird. „Sie sind von adidas enttäuscht. Deshalb möchten wir uns bei Ihnen in aller Form entschuldigen", zitiert die TW aus einem vom Adidas-Team unterzeichneten Brief. Der Text soll ganz verwischt gewesen sein von den Tränen, die beim Schreiben vergossen wurden…
Mal abgesehen davon, dass man sich streng genommen nicht selbst entschuldigen, sondern lediglich andere um Entschuldigung bitten kann, sollte die Öffentlichkeit nicht der einzige Adressat sein. Erst recht sollten die PR-Profis ihren Chef um Entschuldigung bitten, weil sie erst so spät den richtigen Ton getroffen haben. Aber das ist jetzt natürlich sehr spitzfindig – der Kotau wird helfen, Adidas aus der Schusslinie zu nehmen.
Obwohl zurzeit etliche Filialketten ihre Mietzahlungen ausgesetzt haben, ist der Schwarze Peter bei Adidas hängen geblieben. Das ist die Kehrseite des globalen Ruhms und wirtschaftlichen Erfolgs, den sich die Herzogenauracher erarbeitet haben. Kasper Rorsted, zuletzt vom Manager Magazin zum „Manager des Jahres“ gekürt, hatte noch vor wenigen Tagen Rekordergebnisse und Milliardengewinne verkündet und die Marke damit auf maximale Fallhöhe gebracht. Natürlich haben die Politiker, die sich in Talkshows und Twitter über den Zahlungsstopp entrüstet gezeigt haben, diesen Elfmeter verwandelt. Schließlich muss der Staat sicherstellen, dass nicht Nothilfe bekommt, wer es nicht nötig hat. Da kam ihnen das Adidas-Exempel gerade recht. Die Entrüstung ist bei der Bevölkerung, die sich vor dem Hintergrund der Wohnungsmisere nicht mal eben so die Miete auszusetzen traut, auf fruchtbaren Boden gefallen.
Dabei hat Kasper Rorsted lediglich liquiditätsschonende und kostensenkende Maßnahmen exekutiert, die nach dem Corona-Stützungspaket der Regierung möglich erschienen. Das war für einen seinen Aktionären verpflichteten CEO geradezu zwingend. Dass die Regierung bei der Streichung des Kündigungsrechts wegen Zahlungsverzugs weniger die Großunternehmen mit tausenden von Filialen als vielmehr die in Not geratenen Familien und Kleinbetriebe im Blick hatte, darf indes angenommen werden. Ebenso wie dass viele Konzerne vor dem Hintergrund der geänderten Rechtslage schlicht ihre Marktmacht ausspielen.
Es ist ja nicht so, dass auf der anderen Seite durchweg kleine Gewerbetreibende sitzen, für die das Haus in der Fußgängerzone die Altersversorgung darstellt. Die Filialisten haben es vielfach mit milliardenschweren Immobilienkonzernen zu tun, die wirtschaftlich mächtiger sind als sie selbst. Die Gewichte haben sich freilich schon vor Corona vielerorts in Richtung Mietermarkt verschoben; Filialisten wie H&M und Inditex haben erfolgreich auf günstigere Konditionen gedrängt. Das Virus birgt nun die Sprengkraft, die Machtverhältnisse im Handelsimmobilienmarkt disruptiv und nachhaltig zu verändern.
Aber nicht alles, was gesetzlich legal ist, ist auch moralisch legitim. Das zeigt sich auch bei den Steuervermeidungspraktiken der US-Digitalkonzerne. Adidas hat unterschätzt, dass der Reputationsschaden bedeutend höher sein würde als die Mietkosten, die man vermeiden wollte.
Die Corona-Krise verändert das gesellschaftliche Klima wie der Klimawandel das Wetter. Die Sensibilität für unsolidarisches Verhalten ist gewachsen. In der Krise rücken die Menschen zusammen und haken sich zumindest gefühlt unter. Davon zeugen die zahlreichen Initiativen und neu entstehenden Kommunikationsplattformen in den sozialen Netzwerken.
Belohnt wird in diesen Zeiten, wer Verantwortung auch für andere übernimmt. Wie Chanel, das verkündet, keine Kurzarbeit für die 8500 Beschäftigten beantragen zu wollen, um die Staatsfinanzen nicht zu belasten. Wie Stefan Leewe von Opus, der Ware nicht ausliefert, um die Liquidität seiner Handelskunden zu schonen. Oder wie Armedangels-Mitgründer Martin Höfeler, der gestern verkündet hat, keine Aufträge bei seinen Produktionspartnern zu stornieren. Weil er sie auch nächstes Jahr noch braucht.