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Zara ist 50

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Jür­gen Mül­ler

Es ist die Woche der run­den Geburts­ta­ge. Gui­do Maria Kret­schmer fei­er­te am 11. Mai sei­nen Sech­zigs­ten. Wir gra­tu­lie­ren.

Und Lin­da! Lin­da Evan­ge­lis­ta wur­de einen Tag davor eben­falls 60! Wie die Zeit ver­geht. „Free­dom“ ist uns vor Augen und klingt uns in den Ohren, als sei es ges­tern gewe­sen.

Das Super­mo­del der 80er Jah­re, das damals nach eige­ner Aus­sa­ge für unter 10.000 Dol­lar mor­gens gar nicht erst auf­stand, hat die­ser Tage mal wie­der einen Auf­tritt: beim 50. Geburts­tag von Zara.

Lin­da Evan­ge­lis­ta wird von Ste­ven Mei­sel in Sze­ne gesetzt, zusam­men mit 49 ande­ren "Icons". Das ist nicht nur ein bom­bas­ti­scher Auf­schlag, son­dern auch ein schön men­scheln­der Kon­trast zur Kon­kur­renz, die sich neu­er­dings ja ger­ne mit KI-gene­rier­ten Models brüs­tet. Dass Män­ner in der Kam­pa­gne kei­ne Rol­le spie­len – geschenkt. Diver­si­ty ist bekannt­lich auf dem abstei­gen­den Ast.

Aber las­sen wir die Frot­ze­lei­en. Es ist ein phä­no­me­na­les Unter­neh­men, das sich hier fei­ert. Am 9. Mai 1975 eröff­ne­te Aman­cio Orte­ga in La Coru­na den ers­ten Zara-Store. Er leg­te damit den Grund­stein für das welt­größ­te Mode­un­ter­neh­men. Der Indi­tex-Kon­zern ist heu­te in 214 Län­dern der Erde prä­sent und beschäf­tigt 160.000 Men­schen. Orte­ga hat es damit zu unfass­ba­rem Reich­tum gebracht. In der For­bes-Top Ten sind ansons­ten nur Tech-Mil­li­ar­dä­re aus den USA (und Ber­nard Arnault) gelis­tet.

Ich bin dem Zara-Grün­der nicht begeg­net, als ich 1999 für die TW in Art­eixo war, wo Indi­tex sei­nen Sitz hat. Die Otto Group, damals Joint-ven­ture-Part­ner der Spa­ni­er, hat­te uns die Tür zu dem extrem ver­schlos­se­nen Unter­neh­men auf­ge­macht. Vor der Deutsch­land-Pre­mie­re ging es dar­um, Zara im Arbeit­neh­mer­markt und bei Ver­mie­tern bekannt zu machen. Zudem wer­den die Indi­tex-Öffent­lich­keits­ar­bei­ter bereits den Bör­sen­gang 2001 im Hin­ter­kopf gehabt haben.

So zeig­te man mir in den zwei Tagen alles, was ich sehen woll­te. Mit Aus­nah­me der Abtei­lung, wo die Schau­fens­ter vor­be­rei­tet wur­den. Die Mode der nächs­ten Ver­kaufs­pha­se war das best­ge­hü­te­te Geheim­nis. Ich habe genug erfah­ren, um anschlie­ßend neun TW-Sei­ten voll­zu­schrei­ben, was damals in der Busi­ness­be­richt­erstat­tung noch nicht vor­ge­kom­men war. "Zaras Zeit" stand auf dem Titel. Das war Befund und Pro­gno­se zugleich. Denn schon damals war klar erkenn­bar, was für eine Kon­kur­renz dem Fach­han­del in Deutsch­land und anders­wo erwach­sen war.

Unter dem Schlagwort "Zusammen Zara" haben Handel und Industrie versucht, vertikale Partnerschaften zum Laufen zu bringen. Das Modell ist indes nicht so leicht zu kopieren wie die Mode.

Indi­tex hat sei­nen Umsatz seit­dem auf 38,6 Mil­li­ar­den Euro mehr als ver­drei­ßig­facht, davon bleibt fast ein Fünf­tel als EBIT hän­gen. Die Pro­fi­ta­bi­li­tät hat sich in den ver­gan­ge­nen 25 Jah­ren ver­dop­pelt. Aus den damals 739 Läden wur­den 5563 Stores in 98 Län­dern. Dazu kommt der Online-Ver­trieb, der inzwi­schen gut ein Vier­tel der Erlö­se ein­bringt. Der Kon­zern deckt die kom­mer­zi­ell rele­van­ten Markt­seg­men­te mit unter­schied­li­chen Brands ab – Filia­lis­ten wie Bersh­ka, Pull & Bear, Stra­di­va­ri­us, Oysho oder Mas­si­mo Dut­ti – wobei Zara immer noch für 70 Pro­zent des Geschäfts steht.

Das Geschäfts­mo­dell ist viel­fach beschrie­ben wor­den. Unter dem Schlag­wort "Zusam­men Zara" haben Han­del und Indus­trie ver­sucht, ver­ti­ka­le Part­ner­schaf­ten zum Lau­fen zu brin­gen. Das Modell ist indes nicht so leicht zu kopie­ren wie die Mode. Die eigent­li­che Leis­tung besteht dar­in, dass die Spa­ni­er ihr Kon­zept ste­tig aktua­li­siert haben und dabei ihrer DNA treu geblie­ben sind. Daten­ba­sier­tes Arbei­ten, aus­ge­hend vom POS und gleich­zei­tig hohe krea­ti­ve Frei­heit im Design. Ein über­ra­gen­des Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis im Pro­dukt, dem auch die aktu­el­len Kos­ten­stei­ge­run­gen nichts anzu­ha­ben scheint. Fle­xi­ble Pro­duk­ti­on und leis­tungs­fä­hi­ge Logis­tik. Tech­no­lo­gie über­all, wo es sinn­voll ist. Maxi­ma­ler Auf­wand dort, wo die Kun­den kau­fen. Die schöns­ten Läden bau­en nicht mehr die Desi­gner­mar­ken, son­dern auch Zara und Mas­si­mo Dut­ti. Der Online-Auf­tritt ist sogar noch spek­ta­ku­lä­rer. Last but not least ist es dem Unter­neh­men schein­bar mühe­los gelun­gen, ein naht­lo­ses Omnich­an­nel-Ein­kaufs­er­leb­nis zu rea­li­sie­ren. Neu­er­dings setzt man auch auf Collabs, z.B. mit Ste­fa­no Pila­ti, Kate Moss oder And Wan­der, die vor allem auf das modi­sche Pro­fil der Mar­ke ein­zah­len.

So hat Zara geschafft, wovon alle ande­ren Mode­mar­ken reden: sei­ne Kun­den zu Fans zu machen.

Wie geht es wei­ter mit dem Kon­zern? Natür­lich müs­sen auch Zara & Co mit kon­junk­tu­rel­len Schwan­kun­gen umge­hen. Als glo­bal play­er ist man dem Trump­schen Zoll-Wahn­sinn eben­so aus­ge­setzt wie alle ande­ren Markt­teil­neh­mer. Und natür­lich bean­spru­chen die preis­ag­gres­si­ven Wett­be­wer­ber aus Chi­na ein zuneh­mend grö­ße­res Stück vom Kuchen. Soll­te manu­fac­tu­ring to con­su­mer mal im gro­ßen Stil rele­vant wer­den, ist Indi­tex mit sei­ner Pro­duk­ti­ons-Infra­struk­tur zugleich bes­tens auf­ge­stellt. Sus­taina­bi­li­ty bleibt eine Her­aus­for­de­rung. Das ver­ti­ka­le Geschäfts­mo­dell, wie es der Kon­zern mit gro­ßer Expe­ri­men­tier­freu­de per­ma­nent wei­ter­ent­wi­ckelt, hat indes kei­ne sicht­ba­ren Schwä­chen.

Es spricht aus heu­ti­ger Sicht also nichts gegen wei­te­re 50 Jah­re. Wir gra­tu­lie­ren jetzt schon mal.

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