Du hast eine beeindruckende Karriere gemacht. Geboren in einem kleinen Dorf im Schweizer Wallis. Gestartet bei Vivienne Westwood, dann Stoffdesign bei Fabric Frontline, Head of Design bei Esprit und Creative Director bei MCM, Produkt-Geschäftsführer bei Liebeskind. Danach der Wechsel ins Sportliche als Chefkreativer von Mammut, Burton und jetzt CEO bei Jet Set. Du hast in London gelebt, in Zürich, in Düsseldorf, Berlin, Seoul und Vermont in den USA. Jetzt bist Du zurück in der Schweiz. Bist Du endlich angekommen?
Ja, ich glaube schon. Ich denke, dass das wirklich mein letzter Gig wird. Mein Ziel war immer, mit 55 aus der Corporate-Welt auszusteigen, vielleicht noch ein, zwei Beratungsmandate im Jahr, aber mehr Fokus aufs Leben. Meine Work-Life-Balance sieht anders aus als bei den meisten: 25, 30 Jahre hardcore Work und dann hoffentlich noch 30 Jahre gesundes Life.
Hast du lange überlegen müssen eigentlich, als man dir das Angebot gemacht hat?
Das Kapitel Burton war für mich abgeschlossen. Ich hatte bereits ein Angebot aus England auf dem Tisch als mich Philippe Gaydoul anrief. Wir kennen und schätzen uns seit vielen Jahren. Er lud mich zum Abendessen ein, was eigentlich nichts Überraschendes war, weil wir das eh regelmäßig gemacht hatten. Da sprach er mich auf Jet Set an. Er hatte die Marke 2010 übernommen, aber seither wenig Fortune. Er meinte, hey, wir haben alles versucht, vielleicht wäre es besser, zu schließen, aber ich glaube, wenn es noch einer schaffen kann, dann bist du das. Ich kenne und liebe die Marke Jet Set seit langem und ich glaube an das Potenzial. Ich finde auch gut, nicht für ein großes PE zu arbeiten, sondern für ein family owned Business. Es hat alles dafür gesprochen. Mit Jet Set kann ich meine Leidenschaften Sport und Mode verbinden wie bei keiner anderen Brand.
So bist Du jetzt CEO. Eine ungewöhnliche Entwicklung für einen gelernten Modedesigner.
Das stimmt. Mein Interesse an der Business-Seite wurde damals bei Esprit geweckt. Da ging es unter Christoph Auhagen darum, die Marke mit Esprit Collection höherwertig zu positionieren. Ich war als Jungspund Teil des Projektteams und habe gemerkt wie viel interessanter die Business-Seite ist.
Man wünscht sicherlich vielen Unternehmen mehr Mut und Kreativität. Gleichzeitig sind Kreative nicht unbedingt diejenigen, die die Eigenschaften mitbringen, die es zur Führung eines Unternehmens eigentlich braucht. Wie gehst Du damit um? Was sind Dinge, die Du lernen hast müssen?
Ich glaube, dass bei mir left brain und right brain ganz gut zusammenspielen und ich Verständnis für beide Seiten mitbringe.
Als gelernter Designer hast Du sicherlich ein besonderes Verhältnis zum Produkt. Und in der Branche dreht sich traditionell ja gerne alles um das Produkt. Das ist mancherorts vielleicht auch das Problem. Sollte nicht eher der Kunde im Mittelpunkt stehen?
Definitiv. Ich rede oft von outside in versus inside out. Viele Kreative sind so überzeugt von ihren Ideen und denken inside out, nach dem Motto: das wird dann schon funktionieren. Heute kommt man aber nicht darum herum, outside in zu denken und erstmal auf die Kundenbedürfnisse zu schauen. Nichtsdestotrotz muss das Produkt natürlich am Ende halten, was es verspricht. Der Markt ist überflutet. Wir brauchen keine neuen Produkte per se. Es geht eher darum, als Marke seinen USP zu finden. Als Jet Set sind wir in einer Nische. Wir wollen the cherry on the cake sein.

Nun haben sich ja, das hast du eben schon angedeutet, an der Revitalisierung von Jetset schon einige versucht. Warum ist es nicht gelungen?
Es wäre vermessen, jetzt zu schauen, was in der Vergangenheit vielleicht versäumt wurde. Ich habe die Brand übernommen, wie sie war, und habe die Stellschrauben identifiziert, an denen wir jetzt schnell drehen müssen, um zum Ziel kommen.
Welches Ziel?
Ich habe einen Drei-Jahresplan aufgestellt. Am 7. März habe ich die Strategie vor dem Board präsentiert, die wurde verabschiedet, und jetzt haben wir eine klare Marschrichtung. Ich schaue lieber in die Zukunft als darüber zu grübeln, was meine Vorgänger gemacht haben.
Was steht denn drin in Deinem Drei-Jahresplan?
Es geht um Fokus. Zunächst mal in der Distribution. Wir haben Kleinstmengen überall auf der Welt hingeliefert. Jetzt wollen wir uns zunächst auf die Schweiz, Deutschland und Österreich konzentrieren. Die Schweiz ist unser Hauptmarkt. Natürlich haben wir Nordamerika im Blick, wo wir bekannt sind. China ist nicht im Businessplan, aber durch mein Know-how und mein Netzwerk geht da möglicherweise auch so etwas. Wir haben unsere Vertriebsstruktur entsprechend neu aufgestellt. In Europa arbeiten wir mit der Top-Agentur Brama, in den USA mit Andrea Westerlind zusammen, die in der Outdoor-Szene fast schon eine Celebrity ist. Neben ihrer Agentur hat sie auch fünf Stores.
Das heißt, Ihr hattet ein Vertriebsproblem? Gab es nicht auch ein Produktproblem?
Am Ende spielt vieles zusammen. Die Vertriebsstrategie war sicher ein Thema. Je enger sich die Schlinge um den Hals zieht, umso panischer wird man, und geht Deals ein, die man besser sein lässt. Die Consignment Deals habe ich sofort eingestellt. Das hat Umsatz gekostet, aber wir haben den Markt jetzt erstmal bereinigt. Von der Kollektion, die jetzt ins Sell-in gehen wird, sind wir massiv überzeugt.
Okay.
Jet Set war ja einzigartig. Was Gründer Kurt Ulmer in den 70ern hat auf die Beine gestellt hat, das war revolutionär, das hat innovativ geknallt. Damals gab es die geilen Anzüge von Bogner mit den ganzen Embroideries, und es gab Jet Set. Wer was auf sich etwas gehalten hat auf der Skipiste, der hat die eine oder die andere Brand gewählt. Wir haben all das im Archiv. Da gibt es auch Fotos von Lady Diana über Gianni Versace bis zu Jack Nicholson und Paris Hilton in Jet Set-Outfits. Diese Einzigartigkeit ist über die Jahre leider verloren gegangen. Jet Set wurde zu sehr Mainstream und everyones darling. Wir haben die Kollektion massiv verkleinert. Auch da gilt: Fokus. Jedes Teil wird einzigartig. Neben der Skibekleidung machen wir auch eine Sommerkollektion. Kurt Ulmer hat auch immer Wasser gemacht. Wir sprechen in Zukunft von Snow Couture und Snow Avantgarde, und wir sprechen Water Couture und Water Avantgarde.
Also weniger Produkte für den Parkspaziergang am Sonntag, sondern für die Piste und den Strand?
Ja. Die Performance ging über die Jahre ein bisschen verloren. Wir wollen die echte Alternative zu den Fashion Brands sein, die jetzt alle in den Schnee wollen.
Balenciaga, Moncler…
Moncler ist schon auch Performance. Aber mit der „Genius“ Kollektion sind die stark auf der Fashion-Seite und kaum erschwinglich. Ich meine, 4000 Euro plus für eine Jacke…
Billig war Jet Set aber auch nie. Darf es bei dem Namen auch gar nicht sein.
Richtig. Aber wir haben auch da unsere Hausaufgaben gemacht. Wir hatten uns aus dem Markt rausgepreist. Also habe ich runtergepreist. Wir hatten auch nicht wirklich eine Preisstruktur, es gab keine Einstiegspreislagen, es lag alles irgendwie zwischen 1600 und 2000. Künftig gibt es auch Fleeceteile für 390 Euro und coole Midlayer für 690 Euro, und dann die Einstiegs-Puffer, eine coole Jacke für 890 Euro.
"Die Aufgabe ist es, in drei Jahren Breakeven zu erreichen. Das ist kein Hexenwerk."
Was steht denn als Zielsetzung in Deinem Businessplan?
Die Aufgabe ist es, in drei Jahren Breakeven zu erreichen. Das ist kein Hexenwerk. Wir sind ja eine kleine Firma mit nur zwölf Leuten in Zürich. Wir müssen sauber arbeiten, die Prozesse und Kosten im Griff behalten.
Und dann wird die Firma verkauft?
Da musst Du Philippe Gaydoul fragen. Ein Exit ist aus meiner Sicht aber kein Thema. Jet Set ist nach meiner Einschätzung definitiv ein Liebhaber-Projekt von ihm, sonst wäre die Marke schon lange verkauft worden, wie die anderen Modemarken auch. Da steckt sehr viel Herzblut drin und der Glaube und der Wunsch, dass das eine Perle werden kann.
Wo siehst du die größte Challenge, wenn es darum geht, zu wachsen? Die Konjunktur hilft kurfristig ja nicht. Und langfristig ist der Skisport wegen des Klimawandels zumindest in den Alpen auch kein Wachstumsfeld. Tangiert Euch das? Oder sagt Ihr Euch, egal, wir sind in der Nische, und es wird immer Leute geben, die Geld haben und Skifahren?
Mit der Wasserkollektion stellen wir uns ja saisonunabhängiger auf. Dann haben wir auch noch Blue System, die Denim Linie, die wird auch revived. 2026/27 kommen wir mit einer super-knackigen Sweat- und Denim- Linie. An der momentanen Marktsituation nagen natürlich alle. Ich sehe es auch als Opportunity. Der Markt dreht sich und ist vielleicht auch offen für innovative Alternativen.
Du hast eben auch von den USA gesprochen. Macht euch Trumps Zollpolitik nicht Sorgen? Die Schweizer Uhrenindustrie jammert ebenso, Rolex lädt Donald Trump bei den US-Open in seine Loge.
Das ist im Moment sogar ein Vorteil für uns. Wir sind Made in Italy, das heißt wir haben im Moment on top lediglich 8 Prozent Zoll, während Vietnam-Produzenten 13 Prozent on top hat, China 23 Prozent on top. Und wir shippen aus Deutschland und fakturieren aus dem EU-Raum.
Jet Set ist die kleinste Firma, in der Du bislang gearbeitet hast.
Absolut. Da mache ich viele Dinge selber, die ich die letzten 20 Jahre nicht habe machen müssen. Ich habe zuvor noch nie eine PowerPoint Präsentation gemacht, das musste ich mir erstmal anlernen.
Für so Sachen gibt es ja jetzt KI.
Ich find‘s mega spannend und habe den Einstieg noch keinen Tag bereut.
"Was mir im Modebusiness ein bisschen fehlt, ist Bescheidenheit. Auch das Eingestehen, hey, wir retten jetzt nicht wirklich die Welt."
Was steht in den nächsten Monaten an?
In 2026 kommt ein zweiter Flagship Store. Der erste ist in St. Moritz. Dann werden wir mit Snow Avantgarde bei der Laax Open ins Snowboarden einsteigen. Da kenne ich mich von Burton her natürlich aus und weiß, wie man diesen Markt disrupten kann.
Momentan ist viel Unsicherheit im Markt zu spüren, klar, auch durch die Konsumkonjunktur. Es gibt zudem strukturelle Themen, mit denen wir es zu tun haben. Stichworte Digitalisierung, Nachhaltigkeit. Wie schaut jemand wie Du, mit Deinem Erfahrungshorizont in die Zukunft?
Was mir im Modebusiness ein bisschen fehlt, ist Humbleness und Bescheidenheit. Auch das Eingestehen, hey, wir retten jetzt nicht wirklich die Welt. Klar, schöne Dinge kreieren, das hilft den Menschen auch in schlechten Zeiten. Aber vielleicht sollten wir uns in der Industrie selbst nicht so wichtig nehmen, vielleicht auch ein bisschen die Gier auf die Seite legen und uns auf das fokussieren, wofür wir eigentlich da sind: das Bedürfnis der Menschen zu bedienen, anderen zu gefallen.
Würdest du als Designer, der es zum CEO geschafft hat, jungen Leuten empfehlen, Modedesign zu studieren, überhaupt in dieses Business einzusteigen?
Ja. Wenn sie daran glauben, werden sie auch authentische Arbeit liefern. Es wird immer einen Nutzen geben. Wenn mein Sohn Banker werden wollte, würde ich ihm wahrscheinlich eher davon abraten, als wenn er Designer werden wollte.