Jet set margelist

"Wir wollen the cherry on the cake sein"

Adrian Margelist ist seit zehn Monaten CEO von Jet Set. Was sind seine Pläne für die Schweizer Luxury Ski Brand? Wie ist es, als gelernter Designer an der Spitze eines Unternehmens zu stehen? Wie blickt der 49jährige Kosmopolit auf die Zukunft des Modegeschäfts?

Du hast eine beein­dru­cken­de Kar­rie­re gemacht. Gebo­ren in einem klei­nen Dorf im Schwei­zer Wal­lis. Gestar­tet bei Vivi­en­ne West­wood, dann Stoff­de­sign bei Fabric Front­li­ne, Head of Design bei Esprit und Crea­ti­ve Direc­tor bei MCM, Pro­dukt-Geschäfts­füh­rer bei Lie­bes­kind. Danach der Wech­sel ins Sport­li­che als Chef­krea­ti­ver von Mam­mut, Bur­ton und jetzt CEO bei Jet Set. Du hast in Lon­don gelebt, in Zürich, in Düs­sel­dorf, Ber­lin, Seo­ul und Ver­mont in den USA. Jetzt bist Du zurück in der Schweiz. Bist Du end­lich ange­kom­men?

Ja, ich glau­be schon. Ich den­ke, dass das wirk­lich mein letz­ter Gig wird. Mein Ziel war immer, mit 55 aus der Cor­po­ra­te-Welt aus­zu­stei­gen, viel­leicht noch ein, zwei Bera­tungs­man­da­te im Jahr, aber mehr Fokus aufs Leben. Mei­ne Work-Life-Balan­ce sieht anders aus als bei den meis­ten: 25, 30 Jah­re hard­core Work und dann hof­fent­lich noch 30 Jah­re gesun­des Life.

Hast du lan­ge über­le­gen müs­sen eigent­lich, als man dir das Ange­bot gemacht hat?

Das Kapi­tel Bur­ton war für mich abge­schlos­sen. Ich hat­te bereits ein Ange­bot aus Eng­land auf dem Tisch als mich Phil­ip­pe Gay­doul anrief. Wir ken­nen und schät­zen uns seit vie­len Jah­ren. Er lud mich zum Abend­essen ein, was eigent­lich nichts Über­ra­schen­des war, weil wir das eh regel­mä­ßig gemacht hat­ten. Da sprach er mich auf Jet Set an. Er hat­te die Mar­ke 2010 über­nom­men, aber seit­her wenig For­tu­ne. Er mein­te, hey, wir haben alles ver­sucht, viel­leicht wäre es bes­ser, zu schlie­ßen, aber ich glau­be, wenn es noch einer schaf­fen kann, dann bist du das. Ich ken­ne und lie­be die Mar­ke Jet Set seit lan­gem und ich glau­be an das Poten­zi­al. Ich fin­de auch gut, nicht für ein gro­ßes PE zu arbei­ten, son­dern für ein fami­ly owned Busi­ness. Es hat alles dafür gespro­chen. Mit Jet Set kann ich mei­ne Lei­den­schaf­ten Sport und Mode ver­bin­den wie bei kei­ner ande­ren Brand.

So bist Du jetzt CEO. Eine unge­wöhn­li­che Ent­wick­lung für einen gelern­ten Mode­de­si­gner.

Das stimmt. Mein Inter­es­se an der Busi­ness-Sei­te wur­de damals bei Esprit geweckt. Da ging es unter Chris­toph Auha­gen dar­um, die Mar­ke mit Esprit Coll­ec­tion höher­wer­tig zu posi­tio­nie­ren. Ich war als Jung­spund Teil des Pro­jekt­teams und habe gemerkt wie viel inter­es­san­ter die Busi­ness-Sei­te ist.

Man wünscht sicher­lich vie­len Unter­neh­men mehr Mut und Krea­ti­vi­tät. Gleich­zei­tig sind Krea­ti­ve nicht unbe­dingt die­je­ni­gen, die die Eigen­schaf­ten mit­brin­gen, die es zur Füh­rung eines Unter­neh­mens eigent­lich braucht. Wie gehst Du damit um? Was sind Din­ge, die Du ler­nen hast müs­sen?

Ich glau­be, dass bei mir left brain und right brain ganz gut zusam­men­spie­len und ich Ver­ständ­nis für bei­de Sei­ten mit­brin­ge.

Als gelern­ter Desi­gner hast Du sicher­lich ein beson­de­res Ver­hält­nis zum Pro­dukt. Und in der Bran­che dreht sich tra­di­tio­nell ja ger­ne alles um das Pro­dukt. Das ist man­cher­orts viel­leicht auch das Pro­blem. Soll­te nicht eher der Kun­de im Mit­tel­punkt ste­hen?

Defi­ni­tiv. Ich rede oft von out­side in ver­sus insi­de out. Vie­le Krea­ti­ve sind so über­zeugt von ihren Ideen und den­ken insi­de out, nach dem Mot­to: das wird dann schon funk­tio­nie­ren. Heu­te kommt man aber nicht dar­um her­um, out­side in zu den­ken und erst­mal auf die Kun­den­be­dürf­nis­se zu schau­en. Nichts­des­to­trotz muss das Pro­dukt natür­lich am Ende hal­ten, was es ver­spricht. Der Markt ist über­flu­tet. Wir brau­chen kei­ne neu­en Pro­duk­te per se. Es geht eher dar­um, als Mar­ke sei­nen USP zu fin­den. Als Jet Set sind wir in einer Nische. Wir wol­len the cher­ry on the cake sein.

Jet set kollektion
Jet Set: "Wir wol­len die ech­te Alter­na­ti­ve zu den Fashion Brands sein, die jetzt alle in den Schnee wol­len."

Nun haben sich ja, das hast du eben schon ange­deu­tet, an der Revi­ta­li­sie­rung von Jet­set schon eini­ge ver­sucht. War­um ist es nicht gelun­gen?

Es wäre ver­mes­sen, jetzt zu schau­en, was in der Ver­gan­gen­heit viel­leicht ver­säumt wur­de. Ich habe die Brand über­nom­men, wie sie war, und habe die Stell­schrau­ben iden­ti­fi­ziert, an denen wir jetzt schnell dre­hen müs­sen, um zum Ziel kom­men.

Wel­ches Ziel?

Ich habe einen Drei-Jah­res­plan auf­ge­stellt. Am 7. März habe ich die Stra­te­gie vor dem Board prä­sen­tiert, die wur­de ver­ab­schie­det, und jetzt haben wir eine kla­re Marsch­rich­tung. Ich schaue lie­ber in die Zukunft als dar­über zu grü­beln, was mei­ne Vor­gän­ger gemacht haben.

Was steht denn drin in Dei­nem Drei-Jah­res­plan?

Es geht um Fokus. Zunächst mal in der Dis­tri­bu­ti­on. Wir haben Kleinst­men­gen über­all auf der Welt hin­ge­lie­fert. Jetzt wol­len wir uns zunächst auf die Schweiz, Deutsch­land und Öster­reich kon­zen­trie­ren. Die Schweiz ist unser Haupt­markt. Natür­lich haben wir Nord­ame­ri­ka im Blick, wo wir bekannt sind. Chi­na ist nicht im Busi­ness­plan, aber durch mein Know-how und mein Netz­werk geht da mög­li­cher­wei­se auch so etwas. Wir haben unse­re Ver­triebs­struk­tur ent­spre­chend neu auf­ge­stellt. In Euro­pa arbei­ten wir mit der Top-Agen­tur Bra­ma, in den USA mit Andrea Wes­ter­lind zusam­men, die in der Out­door-Sze­ne fast schon eine Cele­bri­ty ist. Neben ihrer Agen­tur hat sie auch fünf Stores.

Das heißt, Ihr hat­tet ein Ver­triebs­pro­blem? Gab es nicht auch ein Pro­dukt­pro­blem?

Am Ende spielt vie­les zusam­men. Die Ver­triebs­stra­te­gie war sicher ein The­ma. Je enger sich die Schlin­ge um den Hals zieht, umso pani­scher wird man, und geht Deals ein, die man bes­ser sein lässt. Die Con­sign­ment Deals habe ich sofort ein­ge­stellt. Das hat Umsatz gekos­tet, aber wir haben den Markt jetzt erst­mal berei­nigt. Von der Kol­lek­ti­on, die jetzt ins Sell-in gehen wird, sind wir mas­siv über­zeugt.

Okay.

Jet Set war ja ein­zig­ar­tig. Was Grün­der Kurt Ulmer in den 70ern hat auf die Bei­ne gestellt hat, das war revo­lu­tio­när, das hat inno­va­tiv geknallt. Damals gab es die gei­len Anzü­ge von Bogner mit den gan­zen Embro­ide­ries, und es gab Jet Set. Wer was auf sich etwas gehal­ten hat auf der Ski­pis­te, der hat die eine oder die ande­re Brand gewählt. Wir haben all das im Archiv. Da gibt es auch Fotos von Lady Dia­na über Gian­ni Ver­sace bis zu Jack Nichol­son und Paris Hil­ton in Jet Set-Out­fits. Die­se Ein­zig­ar­tig­keit ist über die Jah­re lei­der ver­lo­ren gegan­gen. Jet Set wur­de zu sehr Main­stream und ever­yo­nes dar­ling. Wir haben die Kol­lek­ti­on mas­siv ver­klei­nert. Auch da gilt: Fokus. Jedes Teil wird ein­zig­ar­tig. Neben der Ski­be­klei­dung machen wir auch eine Som­mer­kol­lek­ti­on. Kurt Ulmer hat auch immer Was­ser gemacht. Wir spre­chen in Zukunft von Snow Cou­ture und Snow Avant­gar­de, und wir spre­chen Water Cou­ture und Water Avant­gar­de.

Also weni­ger Pro­duk­te für den Park­spa­zier­gang am Sonn­tag, son­dern für die Pis­te und den Strand?

Ja. Die Per­for­mance ging über die Jah­re ein biss­chen ver­lo­ren. Wir wol­len die ech­te Alter­na­ti­ve zu den Fashion Brands sein, die jetzt alle in den Schnee wol­len.

Balen­cia­ga, Mon­cler…

Mon­cler ist schon auch Per­for­mance. Aber mit der „Geni­us“ Kol­lek­ti­on sind die stark auf der Fashion-Sei­te und kaum erschwing­lich. Ich mei­ne, 4000 Euro plus für eine Jacke…

Bil­lig war Jet Set aber auch nie. Darf es bei dem Namen auch gar nicht sein.

Rich­tig. Aber wir haben auch da unse­re Haus­auf­ga­ben gemacht. Wir hat­ten uns aus dem Markt raus­ge­preist. Also habe ich run­ter­ge­preist. Wir hat­ten auch nicht wirk­lich eine Preis­struk­tur, es gab kei­ne Ein­stiegs­preis­la­gen, es lag alles irgend­wie zwi­schen 1600 und 2000. Künf­tig gibt es auch Fleece­tei­le für 390 Euro und coo­le Mid­lay­er für 690 Euro, und dann die Ein­stiegs-Puf­fer, eine coo­le Jacke für 890 Euro.

"Die Aufgabe ist es, in drei Jahren Breakeven zu erreichen. Das ist kein Hexenwerk."

Was steht denn als Ziel­set­zung in Dei­nem Busi­ness­plan?

Die Auf­ga­be ist es, in drei Jah­ren Brea­k­e­ven zu errei­chen. Das ist kein Hexen­werk. Wir sind ja eine klei­ne Fir­ma mit nur zwölf Leu­ten in Zürich. Wir müs­sen sau­ber arbei­ten, die Pro­zes­se und Kos­ten im Griff behal­ten.

Und dann wird die Fir­ma ver­kauft?

Da musst Du Phil­ip­pe Gay­doul fra­gen. Ein Exit ist aus mei­ner Sicht aber kein The­ma. Jet Set ist nach mei­ner Ein­schät­zung defi­ni­tiv ein Lieb­ha­ber-Pro­jekt von ihm, sonst wäre die Mar­ke schon lan­ge ver­kauft wor­den, wie die ande­ren Mode­mar­ken auch. Da steckt sehr viel Herz­blut drin und der Glau­be und der Wunsch, dass das eine Per­le wer­den kann.

Wo siehst du die größ­te Chall­enge, wenn es dar­um geht, zu wach­sen? Die Kon­junk­tur hilft kur­fris­tig ja nicht. Und lang­fris­tig ist der Ski­sport wegen des Kli­ma­wan­dels zumin­dest in den Alpen auch kein Wachs­tums­feld. Tan­giert Euch das? Oder sagt Ihr Euch, egal, wir sind in der Nische, und es wird immer Leu­te geben, die Geld haben und Ski­fah­ren?

Mit der Was­ser­kol­lek­ti­on stel­len wir uns ja sai­son­un­ab­hän­gi­ger auf. Dann haben wir auch noch Blue Sys­tem, die Den­im Linie, die wird auch revi­ved. 2026/27 kom­men wir mit einer super-kna­cki­gen Sweat- und Den­im- Linie. An der momen­ta­nen Markt­si­tua­ti­on nagen natür­lich alle. Ich sehe es auch als Oppor­tu­ni­ty. Der Markt dreht sich und ist viel­leicht auch offen für inno­va­ti­ve Alter­na­ti­ven.

Du hast eben auch von den USA gespro­chen. Macht euch Trumps Zoll­po­li­tik nicht Sor­gen?  Die Schwei­zer Uhren­in­dus­trie jam­mert eben­so, Rolex lädt Donald Trump bei den US-Open in sei­ne Loge.

Das ist im Moment sogar ein Vor­teil für uns. Wir sind Made in Ita­ly, das heißt wir haben im Moment on top ledig­lich 8 Pro­zent Zoll, wäh­rend Viet­nam-Pro­du­zen­ten 13 Pro­zent on top hat, Chi­na 23 Pro­zent on top. Und wir ship­pen aus Deutsch­land und fak­tu­rie­ren aus dem EU-Raum.

Jet Set ist die kleins­te Fir­ma, in der Du bis­lang gear­bei­tet hast.

Abso­lut. Da mache ich vie­le Din­ge sel­ber, die ich die letz­ten 20 Jah­re nicht habe machen müs­sen. Ich habe zuvor noch nie eine Power­Point Prä­sen­ta­ti­on gemacht, das muss­te ich mir erst­mal anler­nen.

Für so Sachen gibt es ja jetzt KI.

Ich find‘s mega span­nend und habe den Ein­stieg noch kei­nen Tag bereut.

"Was mir im Modebusiness ein bisschen fehlt, ist Bescheidenheit. Auch das Eingestehen, hey, wir retten jetzt nicht wirklich die Welt."

Was steht in den nächs­ten Mona­ten an?

In 2026 kommt ein zwei­ter Flag­ship Store. Der ers­te ist in St. Moritz. Dann wer­den wir mit Snow Avant­gar­de bei der Laax Open ins Snow­boar­den ein­stei­gen. Da ken­ne ich mich von Bur­ton her natür­lich aus und weiß, wie man die­sen Markt dis­rup­ten kann.

Momen­tan ist viel Unsi­cher­heit im Markt zu spü­ren, klar, auch durch die Kon­sum­kon­junk­tur. Es gibt zudem struk­tu­rel­le The­men, mit denen wir es zu tun haben. Stich­wor­te Digi­ta­li­sie­rung, Nach­hal­tig­keit. Wie schaut jemand wie Du, mit Dei­nem Erfah­rungs­ho­ri­zont in die Zukunft?

Was mir im Mode­busi­ness ein biss­chen fehlt, ist Hum­bleness und Beschei­den­heit. Auch das Ein­ge­ste­hen, hey, wir ret­ten jetzt nicht wirk­lich die Welt. Klar, schö­ne Din­ge kre­ieren, das hilft den Men­schen auch in schlech­ten Zei­ten. Aber viel­leicht soll­ten wir uns in der Indus­trie selbst nicht so wich­tig neh­men, viel­leicht auch ein biss­chen die Gier auf die Sei­te legen und uns auf das fokus­sie­ren, wofür wir eigent­lich da sind: das Bedürf­nis der Men­schen zu bedie­nen, ande­ren zu gefal­len.

Wür­dest du als Desi­gner, der es zum CEO geschafft hat, jun­gen Leu­ten emp­feh­len, Mode­de­sign zu stu­die­ren, über­haupt in die­ses Busi­ness ein­zu­stei­gen?

Ja. Wenn sie dar­an glau­ben, wer­den sie auch authen­ti­sche Arbeit lie­fern. Es wird immer einen Nut­zen geben. Wenn mein Sohn Ban­ker wer­den woll­te, wür­de ich ihm wahr­schein­lich eher davon abra­ten, als wenn er Desi­gner wer­den woll­te.

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