Es ist der Herbst der Rollenwechsel: Kate Moss plant nach ihrer Model-Karriere eine Zukunft als Redakteurin bei der britischen Vogue. Als mache es keinen Unterschied, ob man vor oder hinter der Kamera agiert. Dass ein guter Entertainer noch lange keine Modemarke ausmacht, musste dieser Tage Robbie Williams erleben, dessen Farrell-Kollektion Baden ging.
Neue Aufgaben auch für das Hamburger Designer-Dreigestirn: Wolfgang Joop wird Fernsehrichter bei GNTM. Obwohl der 68jährige sich in der Vergangenheit nicht nur positiv zu Heidi Klum ausgelassen hat ("Ich würde sie nie über den Laufsteg schicken") sagt er jetzt: "Ich bin Heidis absoluter Wunschkandidat – und könnte mir selbst keinen besseren vorstellen." Auch Karl Lagerfeld schlüpft in eine neue Rolle: "Lagerfeld wird Uni-Professor", schrieben die Zeitungen diese Woche. Tatsächlich sagt er den Studenten am Institut für Politikwissenschaften (?) lediglich für zwei Stunden Guten Tag. Und schließlich steht auch bei Jil Sander eine Veränderung an: Sie verlässt Jil Sander zum dritten Mal, wohl aus familiären Gründen.
Der spannendste Rollenwechsel findet bei Burberry statt. Angela Ahrendts gibt ihren CEO-Job ab und heuert bei Apple als Retail-Verantwortliche an. Dafür übernimmt der Chefkreative Christopher Bailey Mitte 2014 den Vorstandsvorsitz der börsennotierten Aktiengesellschaft.
Mit Ahrendts geht die Frau, mit der eine der aufsehenerregendsten Repositionierungen eines Modelabels der vergangenen Jahre verbunden wird. Das verkennt ein wenig die Rolle ihrer Vorgängerin und amerikanischen Landsmännin Rose Marie Bravo, die den Burberry-Turnaround eingeleitet hatte. Sie war es, die den gefeierten Kreativen Bailey von der Gucci Group nach London geholt hatte. Ahrendts hat Bravos Strategie kongenial weiterverfolgt und umgesetzt. Sie wechselt zu einem karrieretechnisch cleveren Zeitpunkt: Mehrfach warnte sie vor einem nachlassenden Wachstum des Luxus-Marktes in China, was dem Kurs der Burberry-Aktie nicht gut getan hatte, und vielleicht sind die jüngsten LVMH-Zahlen ein weiteres Indiz für ein Abflauen des Luxus-Booms. Jetzt kehrt sie in die USA zurück, was formal im Vergleich zum CEO-Posten ein Rückschritt ist, faktisch ist Apple aber natürlich das vielfach größere Unternehmen und auch sonst alles andere als eine schlechte Adresse. Eine Adresse, die sich gerne um Mode-Manager bemüht und die für diese auch sehr anziehend ist.
Spannender noch ist die Berufung von Christopher Bailey zum neuen Burberry-CEO. Es ist ein mutiger Schritt, denn die Pflichten des Vorstandsvorsitzenden sind dann doch noch andere als die des Chef-Designers und Kreativen. Anders als Tom Ford und Giorgio Armani ist Bailey nicht Eigentümer, sondern leitender Angestellter einer börsennotierten Gesellschaft und damit angreifbar. Auf der anderen Seite entspricht die Berufung der Bedeutung von Bailey als moderner Identifikationsfigur der Marke. Er hat die Möglichkeiten der Online-Kommunikation so früh und konsequent für Branding-Zwecke genutzt wie kein anderer Kreativer im Modebusiness. Die Frage ist, ob er einen anderen CEO akzeptiert hätte. Nicht zuletzt hat Bailey wohl einen hervorragenden Draht zum Burberry-Chairman John Peace. Insofern ist die Nachfolgeregelung sicherlich der spezifischen Konstellation bei Burberry geschuldet.
Wer mag, kann es dennoch als Signal sehen: Nicht der Finanzchef wird die Nummer 1, sondern der Kreative. Hervorragende Produkte und innovative Kommunikation sind die Basis des wirtschaftlichen Erfolges, nicht nur bei Burberry. Viele Erfolgsgeschichten im Modebusiness gründen auf Menschen mit Produkt-Fokus, und das nicht nur im Designer-Segment: Gerry Weber, Inditex, Esprit (unter Heinz Krogner). Das ist nebenbei bemerkt nicht nur in der Mode so: Apple wurde von einem Design-Fanatiker groß gemacht. Auch bei einem Mega-Konzern wie Volkswagen steht ein Techniker an der Spitze, nicht ein Controller.