
Ich fange jetzt nicht damit an, dass das alles so schnell ging. Aber es ging wirklich schnell!
Gerade hatte ich mir vor 47 Jahren ein Surfboard gekauft und lernte vor 44 Jahren die Surflegenden Robby Naish und Björn Dunkerbeck kennen, und schon stehe ich im Robinson Club Soma Bay am Strand und werde dafür gelobt, dass ich, trotz meines Alters, ja noch gut surfen könne. „Respekt“, höre ich dann, was nichts als die Umschreibung hiervon ist: „Also, dass so ein alter Mann wie du noch so surfen kann, ist schon verwunderlich.“ Ich schaue dann belämmert aus der Wäsche und weiß, was das heißt: Du bist alt!
Meinen 65. Geburtstag habe ich im Zillertal verbracht. Mein schönstes Geschenk habe ich mir selbst gemacht. Ich stand auf dem Ski, wie ich mir mein ganzes Leben gewünscht habe auf dem Ski zu stehen. Als ich auf einer verbuckelten und engen Piste einen 10er Zug Skilehrer überholte, war ich bis zur Skispitze vom Glück berauscht.
Robby Naish zeigt auf Instagram, dass er, als 61-jähriger Mann, in den riesigen Wellen von Hawaii, noch voll den Style gepachtet hat. Er ist dann auch in seiner Surfshort und seiner Red Bull-Cap vor seinem Truck stehend zu sehen, und kein Mensch auf diesem Planeten würde sagen, dass er so nicht mehr aussehen dürfte. Im Gegenteil. Er wird nach wie vor gefeiert. Auch von Red Bull, und die sind ja bekannterweise sehr wählerisch.
Meine Großväter sind beide nur 60 Jahre alt geworden. Auf Fotos war zumindest einer davon gefühlte 75. Der andere war, wie ich auch, Geräteturner, aber das hat in seinem Fall wenig geholfen. Mein 89-jähriger Turnkumpan Winni macht mir da allerdings Hoffnungen.
Letztens habe ich gelesen, dass man erst mit 75 alt ist. Aber bis es in zehn Jahren soweit ist, wird die Altersgrenze sicherlich noch auf 80 hochgesetzt.
Die meisten Marken wollen sich künstlich verjüngen. Es wird Zeit, diesen Komplex abzulegen.
Was heißt das für unsere notorisch jugendsüchtige Branche?
Statt die 50jährigen Kunden zu bedienen, die sie nun mal haben, arbeiten die meisten Marken daran, sich künstlich zu verjüngen. Falsche Sicht der Dinge. Es wird Zeit, diesen Komplex abzulegen. Der Mensch mit 50 ist ja jung!
Ich wollte gerade schreiben, was ich mit 50 alles noch gemacht habe, aber nach gründlichem Nachdenken fällt mir nichts ein, was ich jetzt nicht auch noch mache. Ok. Einen Salto vorwärts aus dem Barren, mache ich nicht mehr, aber das ist wirklich nichts, was mich depressiv stimmt.
65 ist jetzt auch nicht das neue 50 oder 45. Es ist etwas ganz anderes. Es ist 65 mit einer sehr ähnlichen Einstellung, wie ich sie mein ganzes Leben schon hatte. Bis auf die heftigen Narben aus exakt 40 Jahren Selbstständigkeit. März 1985 bis März 2025. Da gab es natürlich Themen, die mich verändert haben. So etwas kennt jeder. Das Alter hat mich aber eher lockerer gemacht, weil ich so gut wie jedes Pferd schon in alle Apotheken der Welt habe kotzen sehen und trotzdem nicht in der Klapse gelandet bin. Ich lebe im Grunde genommen genauso weiter, wie ich immer gelebt habe. Meine Interessen haben sich nicht wesentlich verändert. Das finde ich bemerkenswert, aber vielleicht leiden wir Älteren heutzutage einfach nur am Peter Pan Syndrom. Dann ist das aber so und muss auch anerkannt werden.
Und genauso, nämlich locker, leben meine Freunde. Die sind zwischen 40 und 70 und alle feiern zusammen, sprechen über die gleichen Themen und lachen über die gleichen Witze. Eine Unterscheidung in der Kleidung gibt es kaum. Der eine ist sportlicher und der andere eher schick. Das liegt aber nicht am Alter, sondern an den persönlichen Vorlieben. Außer, dass selbst die Forty somethings reflexartig über ihr Alter jammern, fühlt sich keiner alt. Angst vor dem Alter haben alle, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es mit 50 oder 60 immer so weiter ging, wie es mit 40 auch war.
Bei Homeboy ist es mir vollkommen schnurz wie alt jemand ist. Klar, wir sind gefühlt eine Jugendmarke, und zwar schon seit 37 Jahren, aber unsere Fans aus den 80ern und 90ern sind heute irgendwo zwischen 39 und 49 Jahre alt. Die haben also mit unserem Style ihre Jugend durchlebt und sind die erste Generation nach dem beliebten Honecker-Beige. Wobei man aber erklärend hinzufügen muss, dass ein heute 75-jähriger noch gar kein bedrucktes T‑Shirt kennen kann, weil dieser Trend in Europa erst Mitte der 80er aufkam, und er dafür gar nicht mehr empfänglich war. Der 50-jährige glaubt allerdings, dass es die schon immer gab. Surfen und Skaten sei Dank.
Fashion und Sport definieren sich immer noch viel zu sehr über die reine Jugendlichkeit. Im Sport mag das noch irgendwie Sinn ergeben, in der Mode aber nicht. Louis Vuitton hat doch schön gezeigt, dass man sich extrem jung aufstellen kann und wegen der Tonnen von Money im Marketing auch junge Kunden findet, die letztendlich aber so schnell wieder weg sind, dass der Effekt in einer größeren Zeitspanne später mal gar nicht mehr messbar sein wird. Diese Marke kann gar nicht 25 sein. Wie soll das auch gehen? Klar ist LV alt, aber das ist ja kein Manko. Wer Geld hat, ist eher mal weniger jung. Auf den fetten Schiffen in Monaco hocken kaum 25jährige Yacht-Inhaber und paffen Zigarre.
Wahrscheinlich ist es so, dass glaubwürdige junge Brands nicht von Konzernen gemacht werden können, sondern in der Nische entstehen müssen.
Interessant finde ich auch die Aktivitäten der Marke BOSS. Da wird mit ebenso reichlich monetärem Aufwand einer auf jung gemacht, um dann eine noch jüngere Version hinterherzuschieben: HUGO. Richtig überzeigend ist das nicht. Man sieht Bilder, aber keine Story, die eine Marke ja haben sollte. Wenn ich „Hugo“ bei Google eingebe, kommt das Getränk. Dann muss man erst einen textilen Zusatz hinzutippen und wird schließlich fündig. Nur nicht bei einem wiedererkennbaren Logo. Die gleiche Schriftart verwendet auch „Karosseriebau Meier“ im benachbarten Industriegebiet. Und wo soll Hugo denn eigentlich im Handel hängen? Bei Young Fashion? Oder der HAKA? Oder bei den Eigenmarken? Na ja. Hauptsache es hängt irgendwo. Online ist das einfacher. Bei Zalando gibt es im HUGO-Shop 3.291 Artikel. Breuninger hat auch einen HUGO-Shop, aber dort gibt es nur 1.743 Artikel. Das verstehe einer.
Ich frage mich, warum man sich in Metzingen nicht einfach eine junge Marke gekauft hat. Ein Brand, die ihren Fans eine glaubwürdige Markenwelt vermitteln kann. Mit einem tragfähigen Fundament, auf die sich große Umsätze bauen lässt. Aber bei Lichte betrachtet frage ich mich vieles. Nicht nur das.
Im Sport ist Amer Sports ein gutes Beispiel. Auch wenn sie beim Thema Schnee ein gewisses Klumpenrisiko haben, was ihnen sicherlich aber schon selber aufgefallen ist. Auch VF Corp. wurde mit Übernahmen gigantisch groß. Auch wenn sie Supreme gekauft haben, als der Hype schon vorbei war. Knapp vorbei ist halt auch vorbei. Aus der kleinen Skater Brand VANS haben sie jedenfalls eine Marke mit mehreren Milliarden Dollar Umsatz geschaffen, was ich bewundere, weil VANS immer noch für Skate steht und sich nie verhurt hat (was man wahrscheinlich so nicht mehr sagen darf).
Wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass Brands, die sich wirklich glaubwürdig an eine junge Zielgruppe wenden, nicht von Konzernen gemacht werden können, sondern in der Nische entstehen müssen. Das habe ich in den 90ern versucht und Marken wie Homeboy, Sistaz Wear, OBG und Pyro Skateshoes unter einem Dach versammelt. Die musste ich damals alle selbst gründen, weil es nichts am Markt gab, aber das System hat glänzend funktioniert. Ich hatte für jede Brand Spezialisten gefunden, die diese Marken mit mir zusammen entwickelt haben. Mit der geplatzten Internet-Blase Ender der 90er sind dann leider auch meine Ambitionen geplatzt. Künstlerpech.
Jürgen Wolf ist Gründer und Mastermind von Homeboy. Er hob das Skatewear-Label 1988 aus der Taufe und gehörte damit zu den Streetwear-Pionieren in Deutschland. In den 90er Jahren erlebte Homeboy einen rasanten Aufstieg, in den vergangenenen Jahren war es faktisch vom Markt verschwunden. 2015 hat Wolf die Marke wiederbelebt. Und startet mit seinem Sohn Julian damit durch.