Blazer, ausgerechnet Blazer. Doppelreihig, tailliert, cropped, oversized. In Rosa, Pink, Bleu, Mintgrün, Vanillegelb und Flieder. Wenige Tage, bevor München wieder in den Click & Collect-Modus geht, stolpere ich quasi in die Blazer-Riege in der Zara-Filiale in Münchens Theatinerstraße, und seitdem treibt mich modisch die Frage um: Warum ausgerechnet Blazer? Nicht nur, dass er seit Monaten neben Jogginghose, Hoodie und Pullover ungefähr dieselbe traurige Figur abgibt, wie der FC Bayern München vorgestern im Champions League-Spiel gegen Paris. Auch in den Designer-Ateliers der deutschen Modeindustrie hat er für Frühjahr/Sommer 22 die rote Karte gezeigt bekommen und wurde erst gar nicht aufgestellt.
Sollte Zara tatsächlich die modischen Folgen der Pandemie nicht bedacht haben – die maximale Bequemlichkeit, die fast jede Frau in den letzten Monaten für sich ausgerufen hat – und stattdessen stur den kurz vor dem ersten Lockdown ausgerufenen Catwalk-Trend zu Tailoring von den Designern kopiert haben? Wenn man sieht, wie viele Jogginghosen und Sweaties von den Spaniern in den vergangenen Monaten auf den Markt gespült wurden und immer noch werden, kann man sich das nur schwer vorstellen.
Vielleicht ist Zara im Unterschied zu vielen Trendforschern nicht davon überzeugt, dass Corona endgültig das Ende von klassischer Konfektion bedeutet?! Dass die Menschen nach Monaten in schlunziger Jogginghose und Hoodie einfach die Nase voll haben vom Dauer-Gammel-Look? Oder zumindest ihrer Jogginghose mit Blazer etwas mehr Haltung verleihen wollen, frei nach dem „Athflow-Trend“, der für dieses Jahr ausgerufen wurde und Leisurewear mit Eleganz kombiniert, so wie zahlreiche Influencerinnen dies bereits vorleben?!
Ein Blazer verleiht mehr Haltung als jedes Sweat, soviel ist sicher. Es fühlt sich anders an. Aber ist es das Gefühl, das die Frauen mehrheitlich wollen? Oder steht nicht den meisten Frauen im aktuellen Wahnsinn zwischen Homeoffice und Homeschooling der Sinn nach bequem?
Vermutlich ist es tatsächlich so, wie Barbara Markert es nach den vergangenen Designerschauen in Paris auf profashionals bereits resümiert hat: In der Mode herrscht derzeit eine Unsicherheit wie auf der Rohstoffbörse. Langfristige Prognosen sind schlicht unmöglich. Das müssen wir in diesen Tagen schmerzhaft erfahren. Noch im Januar waren wir alle optimistisch, dass mit dem Impfen ab März sich die Lage entspannt. Jetzt haben wir Mitte April und stehen unmittelbar vor dem nächsten strengen Lockdown. Ausgang ungewiss. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, wenn Zara wie an der Börse agiert und das Risiko durch Streuung der Themen verteilt. Denn einige Warenständer weiter hängen auch bei Zara kuschelige Jogginghosen, Pullover und unkomplizierte Kleider. Die Einkäufer werden es in der Order für Frühjahr/Sommer 22, die in den nächsten Wochen mit den Pre-Kollektionen schon wieder startet, vermutlich genauso tun.