Das ironisch als Modetipp getarnte Meme, das Barack Obama dieser Tage in den sozialen Netzwerken teilte, soll sagen: Kamala Harris wird nicht nur Joe Bidens Nachfolgerin, sondern auch meine sein. So transportiert eine modische Botschaft eine politische.
Was ihre Outfits angeht, ist Harris ebenso eine Nachfolgerin Angela Merkels. Wie die deutsche Ex-Kanzlerin trägt die Präsidentschaftskandidatin bei der Arbeit stets Hosenanzüge. Soll heißen: Ich bin eine seriöse Politikerin, die sich nicht mit etwas Nebensächlichem wie Mode abgibt. Es dominieren gedeckte Farben: Blau, Schwarz, Grau und Sandtöne. Merkel war im Vergleich dazu buchstäblich ein bunter Vogel. Ob gelegentlich Converse zu tragen allein schon eine Brat ausmacht?
Es gibt eher wenige Bilder von Harris, wo sie ein Kleid oder einen Rock trägt. Man könnte der 59jährigen deswegen vorwerfen, dass sie nicht zu ihrer Weiblichkeit steht und damit gewissermaßen nicht authentisch ist. Zu den maskulinen Anzügen glättet sie auch noch ihre Haare. Aus feministischer und identitätspolitischer Perspektive waren wir da schon mal weiter.
Andererseits ist das in einem Land wie den USA, wo noch nie eine Frau – und gar eine Nicht-Weisse – Präsidentin war, vermutlich klug. Möglicherweise bedeutet "Authentizität" für Politiker ja auch, in ihrem Auftreten der Erwartungshaltung der Wählermehrheit zu entsprechen. In dieser Hinsicht ist selbst der Auftritt eines Donald Trump stimmig.
Der modische Spielraum von Harris' Running Mate Tim Walz ist ungleich größer. Er macht im seriösen Gouverneurs-Anzug wie in der Midwestern-Dad-Kluft eine gleichermaßen glaubwürdige Figur. Ein Glücksfall, nicht zuletzt für Carhartt.