Es ist vermutlich berechtigt und trotzdem irgendwie deprimierend: 38% der Einzelhändler erwarten nach einer aktuellen TW-Umfrage Umsatzrückgänge wegen der Fußball-WM. Dahinter stehen natürlich Erfahrungswerte. Wenn die Leute beim Public Viewing sind oder zuhause zur Fernsehübertragung den Grill anwerfen, können sie nicht zeitgleich die Läden frequentieren. Deprimierend ist, dass sich die meisten Einzelhändler diesem Schicksal hinzugeben scheinen. Statt die WM für Aktionen und Events zu nutzen.
Ganz anders die Online-Händler. Die lassen sich die Chance nicht entgehen. Natürlich gibt es bei Amazon all den heißen Scheiss, den das Fan-Herz begehrt. Yoox ließ 14 internationale Designer Outfits für ihr jeweiliges Land gestalten. Boohoo kooperiert mit Pepsi, das – warum auch immer – eine von fünf Künstlern inspirierte Athleisure-Kollektion aufgelegt hat, blau-weiß-rotes Zeugs, das sowohl zur russischen Fahne wie zum Pepsi-Logo passt. Und so weiter.
Die Digitalen mögen zurzeit allerlei Vorteile gegenüber den Stationären ausspielen können. Aber Ideen und Initiative haben sie nicht allein gepachtet.
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Eine Fußball-Weltmeisterschaft ist ein geldwerter Vorteil insbesondere für Sportartikler. Der Trikot-Verkauf generiert bei Adidas und Nike Milliardenerlöse, alle haben neue Schuhmodelle in den Verkauf gebracht, Adidas produziert wie immer den Ball, und in dem Maße, wie der Sport immer mehr modische Impulse gesetzt hat, wird auch dieser Markt bedient. So kommt es zu weiteren, wohl unvermeidlichen Kollaborationen: Nike mit Louis Vuittons Kim Jones und – Überraschung! – Virgil Abloh. Umbro hat Christopher Raeburn eingespannt. Adidas bietet mit Gosha Rubchinskyi wenigstens einen russischen Designer auf. Jetzt ist dort nur noch Slawa Saizev zu haben.
Adidas-Chef Kasper Rorsted hat die Erwartungen im Vorfeld gedämpft. Auch bietet Russland mit seinem autoritären Regime, der illiberalen Innenpolitik und der aggressiven Außenpolitik nicht die Kulisse, vor der Marken gerne aufspielen. Auf die Ökobilanz- und Menschenrechts-Diskussion in vier Jahren, wenn der FIFA-Tross seine klimatisierten Zelte im Wüsten-Königreich Katar aufbaut, darf man jetzt schon gespannt sein.
2026 wird dann wieder alles gut, dann lockt das große Geld in USA, Kanada und Mexiko. Und Trump ist nicht mehr Präsident, hoffentlich. Sonst greift er er nach dem Friedensnobelpreis auch noch nach dem Weltmeister-Pokal. Und vielleicht darf Nike dann auch wieder die iranische Mannschaft mit Fußballschuhen ausstatten.
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Die Luxusbranche kennt längst keine Berührungsängste mit dem einstigen Proletensport mehr. So kann man in der VIP-Loge jetzt mit seinem schwarzweißen Louis Vuitton-WM-Rucksack oder der „Big Bang Referee 2018 Fifa World Cup Russia“ von Hublot am Arm protzen. Die schmucken WM-Hänger von Saskia Dietz am Ohr der Begleiterin fallen dagegen kaum auf. Es gibt durchaus Überschneidungen zwischen den beiden Welten. Nicht nur, dass die Rasen-Millionäre und ihre Entourage gerne plakativ im Luxus schwelgen – teure Outfits, Ferraris mit individuellen Monogramm-Bezügen, zum Friseur nach London fliegen und solche Sachen. Der Fußball ist wie die Luxusbranche ein Metier, wo völlig abgehobene Riesen-Summen für manchmal zweifelhafte Leistungen bezahlt werden.
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Jeder hat die Kunden, die er verdient. So musste sich Kik mit der Beschwerde eines Käufers auseinandersetzen, der Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf dem Klebe-Tattoo in Deutschland-Form vermisst, das der Discounter zur WM im Sortiment hat. Das Problem konnte der Kik-Kundendienst schnell klären: "Da es sich nicht um einen Sticker handelt, sondern um ein Tattoo, ist dieses spiegelverkehrt in der Verpackung zu sehen. Sobald Du es auf die Haut klebst, sind alle Bundesländer an richtiger Stelle."
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Wer wird Weltmeister? Geht es nach den verkauften Trikots, hat Deutschland gute Chancen. Unter den neun Bestsellern, die die FIFA in ihrem Shop ausweist, sind beide Deutschland-Leibchen, das weiße und das grüne. Daneben verkaufen sich natürlich Portugal, Brasilien und Argentinien. Geheimfavoriten scheinen Japan und Island zu sein. Aufgepasst: Auch die Franzosen haben beide Trikots unter den Bestsellern platziert!
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Natürlich dominiert der Fußball zurzeit die Werbung. Allen voran der 90-Sekünder von Adidas, der mit seinen sage und schreibe 56 Markenbotschaftern allerdings fast schon wieder ermüdet. Manchmal gehen Kampagnen allerdings auch nach hinten los, wie das Motiv von Dr.Oetker: "Back Deinen Mann glücklich – auch wenn er eine zweite Liebe hat", steht als Werbespruch auf einem Foto, auf dem uns eine Frau lächelnd einen Kuchen in Fussballform entgegenstreckt. Klar, dass dieses althergebrachte Frauenbild Widerspruch provoziert hat. In der Marketingabteilung von Dr.Oetker arbeiten übrigens größtenteils Frauen.
Den schönsten Spot hat Edeka produziert. "Neurundland" feiert die Daheimgebliebenen:
(Video auf Profashionals anschauen)
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