Ich habe schon lange aufgehört, anderen Menschen modische Vorschriften zu machen. Statt die Outfits anderer zu kritisieren und sich im moralisch zweifelhaften Ruhm einer Pseudo-Stil-Instanz zu sonnen, sehe ich meinen Job eher inspirierend. Ich habe mehr Zeit, sehe mehr, werde querbeet mit new stuff gefüttert – und daraus landet ein Extrakt beispielsweise im Leben-Ressort von „Capital“. Insofern kann ich auf das „sollte“ in deiner Frage nur mit „klar, wenn man denn mag“ antworten.
Meine eigene Historie mit Motto-Mode würde ich als durchaus ambivalent beschreiben. In meiner Jugend gab es noch keine Flut an aufgedruckten Insta-Weisheiten und anderen coolen Sprüchen. Da war „Bier baute diesen Körper“ auf dem T‑Shirt von HSV-Fans in der S‑Bahn schon großes Slogan-Kino. Mir mussten Bandnamen reichen, wollte ich mich irgendwie schriftlich statt verbal im öffentlichen Raum ausdrücken. Beispielsweise durch ein graumeliertes Batik-Tee in Übergröße mit buntem Logo-Aufdruck von Guns ‚n‘ Roses während meiner „subversiven“ Phase.
Viele Jahre reservierte ich Worte dann für meine Lippen und trug eher unifarben, meist marineblaue Mode, wie es sich für Hamburger qua Geburt gehörte. Immerhin die Goldknöpfe blieben mir erspart, ein Einkauf bei Ladage & Oelke hätte das Familienbudget gesprengt.
Seit ein paar Jahren habe ich wieder mehr Lust auf Shirts mit Botschaft, und auch mit Popstar-Namen drauf. Vermutlich die spät pubertierenden Effekte der Midlife-Crisis, die ich eher als große Celebration der (angenommenen) Lebensmitte betrachte. Von daher: Warum nicht, go for it. Vielleicht nicht jeden Tag mit „Nope!“ oder „Amore, amore, amore“ auf der Brust beginnen, aber ab und an mit „Protect the Dolls“ oder „Allergic to Idiots“ auf der Bio-Baumwolle im Teams-Call sitzen? Da würde ich dann doch ausnahmsweise einen Style-Tipp geben: „Keep Calm & Wear That Damn Shirt“.

Siems Luckwaldt ist seit rund 20 Jahren ein Experte für die Welt der schönen Dinge und ein Kenner der Menschen, die diese Welt möglich machen. Ob in seinem aktuellen Job als Lifestyle Director von Capital und Business Punk, für Lufthansa Exclusive, ROBB Report oder das Financial Times-Supplement How To Spend It.