Louis

Hey Siems… hat Luxus seinen Glanz verloren?

Also wenn du mich das als Redak­teur eines Wirt­schafts­ti­tels fragst, dann muss ich mir die Bril­le ganz nach oben auf die Nase rücken und nach einem Kurz-Stu­di­um der jüngs­ten Quar­tals­zah­len der gro­ßen Luxus­kon­zer­ne sagen: Also frü­her war defi­ni­tiv mehr Lamet­ta, vor allem in Chi­na. Eine Ent­wick­lung aller­dings, die sich nach dem kurz­zei­ti­gen Nach­hol-Hoch zum Coro­na-Ende bereits eini­ge Zeit in den Umsatz­zah­len der LVMHs, der Riche­monts, der Kerings, Cotys und vie­len ande­ren wider­spie­gelt. Mal nur vor­über­ge­hend, mal mehr und mal weni­ger. Des­halb ja auch seit Mona­ten die end­lo­sen Per­so­nal­ro­cha­den, weil der Glau­be nicht tot­zu­krie­gen ist, dass die aus­ge­brann­te Elf mit dem rich­ti­gen Trai­ner doch noch den reich­lich ange­lau­fe­nen Pokal holt. Vor applaus­mü­dem Publi­kum. Das mag in Ein­zel­fäl­len funk­tio­nie­ren, meist dürf­te der Effekt aber dem Wech­sel des Deut­sche-Bahn-Chefs glei­chen.

Per­sön­lich glau­be ich, dass es Lust auf Luxus immer geben wird. Und eben auch eine ste­tig neue Defi­ni­ti­on auf allen Ein­kom­mens­stu­fen, was denn der Begriff indi­vi­du­ell bedeu­tet. Im Park in der Son­ne auf einer Bank sit­zen mit einem guten Buch. Das ers­te ver­lo­re­ne Kilo beim inter­mit­tent fas­ting. Die Bot­te­ga-Tasche, die es end­lich auf Ves­ti­ai­re Coll­ec­ti­ve zum Unter-Klein­wa­gen-Preis gab. Der letz­te Ape­rol auf der Ter­ras­se ohne Fleece­de­cke. Von mir aus auch der drit­te Bent­ley, die fünf­te Yacht und das sieb­te Cha­let in Gstaad. Wha­te­ver floats your boat.

Die Unte­ren wie die Obe­ren Zehn­tau­send begrei­fen aber, glau­be ich, mehr und mehr, dass Luxus ist wie Autis­mus: ein Spek­trum. Und damit will ich kei­ne erns­te Erkran­kung ver­harm­lo­sen, ich habe als Zivi ver­schie­dens­te Men­schen mit die­ser und ande­ren Behin­de­run­gen betreut. Wes­halb ich auch, anders als der US-(Un-)Gesundheitsminister recht gut weiß, wie wenig irgend­ei­ne Wind­po­cken­imp­fung mit die­sem Schick­sal zu tun hat.

Wenn sich für Tupperware bald letztmalig der Plastikschüsseldeckel schließt, warum sollte das nicht auch viel weniger nützlichen Designermarken passieren?

Und die­ses Luxus-Spek­trum macht die Anspra­che recht dif­fi­zil und teu­er, will man mög­lichst allen gefal­len. Was Häu­ser mit gro­ßen Volu­mi­na und dar­aus resul­tie­ren­dem Abver­kaufs­druck halt müs­sen, wäh­rend Ein­hör­ner wie Her­mès erfolg­reich ruhi­ge­re Kugeln polie­ren und schie­ben dür­fen.

Nimmt man dazu, dass gera­de jün­ge­re Gene­ra­tio­nen zwar durch­aus emp­fäng­lich sind für die Rei­ze von Gold, Sil­ber, Swa­rov­ski-Kris­tal­le und Nap­pa­le­der, nur lei­der größ­ten­teils in eine viel unge­wis­se­re und ver­mut­lich weni­ger liqui­de Arbeits- und Kon­sum­zu­kunft steu­ern, dann ist der Glanz viel­leicht noch da – bloß weni­ger erschwing­lich und ver­lo­ckend. Wen wun­dert es, dass Chi­nas Jugend ver­stärkt auf „less is more“, güns­ti­ge Start-up-Mar­ken und hei­mi­sche New­co­mer setzt.

Wer glaub­te, dass nur weil eine Mai­son hun­dert oder mehr Jah­re auf dem Logo hat, sich die­se glor­rei­che Ver­gan­gen­heit inmit­ten einer glo­ba­len Tech-Revo­lu­ti­on und makro­öko­no­mi­scher Wir­bel­stür­me auf wei­te­re 100 Jah­re ver­län­gern lie­ße, soll­te weni­ger Lager­feld-Bio­gra­fien lesen. Wenn sich für Tup­per­ware bald letzt­ma­lig der Plas­tik­schüs­sel­de­ckel schließt, war­um soll­te das nicht auch viel weni­ger nütz­li­chen Desi­gner­mar­ken pas­sie­ren?

Viel­leicht liegt dar­in denn auch eine Hoff­nung, dass Luxus einen Weg zurück aus astro­no­mi­schen, jähr­lich gna­den­los wei­ter aus­ge­reiz­ten Auf­wärts-Preis­spi­ra­len fin­det zu einem ehr­li­chen Mehr­wert bei Ästhe­tik, Hand­werk und trans­pa­ren­ter Gene­se. Denn schwar­ze Nylon­ta­schen aus Chi­na in Ita­li­en mit einem klei­nen Leder­fli­cken ver­se­hen und zu Mar­gen zu ver­kau­fen, die selbst Dago­bert Duck die Scha­mes­rö­te auf den Enten­schna­bel trei­ben wür­den, das ist sicher­lich kein Rezept für über­mor­gen.

Siemsluckwaldt
Siems Luck­waldt

Siems Luck­waldt ist seit rund 20 Jah­ren ein Exper­te für die Welt der schö­nen Din­ge und ein Ken­ner der Men­schen, die die­se Welt mög­lich machen. Ob in sei­nem aktu­el­len Job als Life­style Direc­tor von Capi­tal und Busi­ness Punk, für Luft­han­sa Exclu­si­ve, ROBB Report oder das Finan­cial Times-Sup­­p­­­­­­le­­­­­­­ment How To Spend It. 

Alle Bei­trä­ge von Siems Luck­waldt in pro­fa­shio­nals